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Stabile Songs: Seine Lieder machen Mut

Stephan Kremer alias Mazibora nimmt kein Blatt vor den Mund. Er haut mit der Faust auf den Tisch, wie er sagt. Er spricht aus, was er denkt und viel mehr – ganz wie Rap sein soll. Der Hip-Hop-Künstler gewährt mit seinen Songs einen schonungslosen Blick in sein Gefühlsleben. Krieg im Kopf heißt sein Musikprojekt.

Stephan Kremer gibt mit seinem Projekt "Krieg im Kopf" Einsatzveteranen einen Stimme.

Foto: Byron Nolda

musikptbsveteranen

Damit lenkt er den Blick auf eine Gruppe Menschen, deren Probleme in der nicht sofort sichtbar sind und darum schnell vernachlässigt werden können. Die ersten Zeilen seines Songs „PTBS“, den Stephan Kremer zusammen mit Emily Manera aufgenommen hat, setzen das Thema: „Ich spreche für mich selbst, für 2011, was auch immer das war. Es passierte so schnell. Ich habe seitdem weder richtig geschlafen, noch hatte ich die Kraft, es wirklich anders zu machen. Ich bin tief gefallen. Niemand wies mich in die Schranken. Es steckte suizide Wut in meinen Gedanken“, rappt Mazibora.

Kremer lenkt mit seiner Musik Aufmerksamkeit auf seelische Verwundungen, die Soldaten der Bundeswehr bei ihren Einsätzen im Kosovo, Afghanistan, Mali oder anderen Einsatzorten davongetragen haben. Der Sänger ist 2011 mit dem Charlie-Zug der Panzerbrigade „Lipperland“ aus Augustdorf in Afghanistan im Einsatz gewesen. Sein Freund Alexej Kobelew kam bei einem Sprengstoffanschlag auf einen Schützenpanzer Marder ums Leben.

In einem seiner ersten Songs – „Tage des Donners“ – widmet Stephan Kremer dem gefallenen Oberstabsgefreiten ein paar Zeilen. „Ich möchte ihm damit Tribut zollen und an ihn erinnern. Aber ich würde mich nicht trauen, ihm einen ganzen Song zu widmen. Dazu müsste ich erst einmal seine Eltern und Angehörige um Erlaubnis bitten“, sagt Mazibora. Respekt und Wertschätzung sind Eigenschaften, die in seinen Liedern spürbar werden. Bei seinem Musikprojekt überlässt Stephan Kremer nichts dem Zufall. Das Logo zu Krieg im Kopf setzt sich aus einem „K“ mit Blitzen durchsäht, einem Strich in der Mitte und einem spiegelverkehrtem „K“ zusammen. Es symbolisiert den „Krieg im Kopf“, die Posttraumatische Belastungsstörung (PTBS), unter der Spephan Kremer leidet. Gleichzeitig repräsentiert es auch den Stephan Kremer, der in den Spiegel schaut und einen Menschen zeigt, der mit seiner Erkrankung lebt und klarkommt. Das sei auch die Botschaft, die er mit dem Projekt Krieg im Kopf vermitteln will. „Die Betroffenen sollen wissen, dass sie nicht allein sind“, sagt Mazibora und fügt hinzu: „Wenn ich das Feedback bekomme, dass ich mit meiner Musik jemanden helfen kann, ist das auch eine gute Therapie für mich.“

„Dorn im Auge“

Das Logo von „Krieg im Kopf“ ist mittlerweile zu einem beliebten Symbol in der Einsatzveteranen-Community geworden. Es sorgt dafür, dass das Thema seelische Verwundung in der Öffentlichkeit sichtbar wird. Zudem nimmt es den Betroffenen ein bewusst oder unbewusst wahrgenommenes Stigma. „Ich möchte damit den Betroffenen Mut machen, sich wieder aufzurappeln“, erläutert Kremer und verrät eine weitere Besonderheit des Logos. Das spiegelverkehrte „K“ und das „K“ mit den Blitzen, getrennt durch den Spiegel an der Wand in der Mitte, ähnelt dem kyrillischen Buchstaben „ж“ (Schsch). Das erinnert an die russisch-ukrainischen Wurzeln von Stephan Kremers Vater. Dessen väterlicher Familienname lautete Mazibora, was man mit „Dorn im Auge“ übersetzen kann. „Das hat mit mir zu tun. Das hat Wumms“, beschreibt Kremer seinen Künstlernamen. Es ist ein echter Charakter, mit dem man sich identifizieren kann. Nichts ist geschauspielert oder aufgesetzt.

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Authentisch wirken und Identifikation möglich machen – das geschieht in der Einsatzveteranen-Community und darüber hinaus. „Ich erreiche mit meiner Musik diejenigen, die unter dem Radar sind“, erläutert Stephan Kremer. Der Einsatzveteran singt über seine Gefühle und über seine PTBS-Erkrankung und gibt anderen Betroffenen damit Hoffnung. Wie erfolgreich Mazibora als Stimme der Veteranen ist, verdeutlicht ein Besuch im Deutschen Bundestag. Dort spricht er mit der Parlamentarischen Staatssekretärin beim Bundesminister der Verteidigung, Siemtje Möller. Diese macht sich für sein Projekt stark. Wenige Tage später ruft Brigadegeneral Alfred Marstaller an. Der Leiter des Projektteams Invictus Games sorgt dafür, dass Mazibora nun die offizielle Hymne für Sportwettkämpfe in Düsseldorf liefert. Geplant ist nun, mit dem Song „Invictus“ vor Tausenden Zuschauern im Stadion aufzutreten. „Ich wurde von einem Kameraden angesprochen. Er hätte gern ein Motivationslied. Alles klar, wird gemacht“, beschreibt Stephan Kremer den Entstehungsprozess.

Stimme für Veteranen

Mit seinen Songs ist Mazibora zu einer Stimme für Veteranen geworden. Seine Geschichte steht exemplarisch für viele, die unter einer seelischen Verwundung leiden. Nach der Bundeswehr-Zeit heiratet Stephan Kremer seine Frau, gründet eine Familie und baut das gemeinsame Haus um. Er macht eine Ausbildung, hat einen gut bezahlten Job. Alles klingt nach einem glücklichen Leben. Wären da plötzlich nicht die Albträume und Dämonen der Vergangenheit, die ihn am Karfreitag heimsuchen. „Ich hatte einen Krampfanfall und musste feststellen: Irgendetwas kriege ich hier nicht hin“, beschreibt Kremer die Situation. Wenige Monate später bekommt er die Diagnose: PTBS.

Maziboras Musik ist emotional und authentisch. (Foto: Byron Nolda)

Er kämpft acht Jahre mit sich selbst und drei weitere für sein Recht zur Anerkennung. Er habe Hilfe angeboten bekommen und diese dann teilweise wieder abgelehnt. Auch als Andreas Eggert vom Bundesverband DeutscherEinsatzveteranen sich um ihn kümmert, ist Stephan Kremer erst skeptisch. Doch die Skepsis wandelt sich in tiefe Freundschaft. Eggert gibt Stephan Kremer neuen Mut, wird sogar Patenonkel dessen zweiten Sohnes. Eggert sorgt dafür, dass der Sänger nun als Wiedereinsteller beim Versorgungsbataillon 7 in Unna dienen kann. „Ich habe so lange gekämpft, dass es mir auf der Seele gebrannt hat, meine Gefühle herauszuschreien. So kam es zum ersten Song“, schildert Mazibora.

Seine ersten Werke „Tage des Donners“ und „PTBS“ sollen die Augen öffnen. Das Stück „Wüstensand“ handelt von einem überforderten Familienvater. Es zeigt einen Vater, der von jetzt auf gleich explodieren kann. „Mit diesem Song möchte ich zum Ausdruck bringen, dass es okay ist. Man soll sich nicht schämen. Es ist in Ordnung, ein Mensch mit Schwächen zu sein“, erläutert Mazibora. Er bezeichnet sich als Familienmensch. Aus eigener Erfahrung weiß er, dass die eigenen Angehörigen mit am meisten unter einer PTBS-Erkrankung leiden. „Hätte ich meine Kinder nicht, hätte ich längst aufgegeben“, gesteht Kremer. „Ich werde alles dafür tun, dass es meine Kinder in Zukunft besser haben als ich.“

Unterstützung von vielen Seiten

Unter dem Titel Krieg im Kopf hat der Sänger aus Lüdenscheid noch viel vor in diesem Jahr. Er möchte neue Songs „Ich falle“, unterstützt durch die KAS (katholische Familien-Stiftung), und „Invictus“, unterstützt von der Invictus Games Foundation, veröffentlichen. Für das Video zum Lied „PTBS“ unterstützte ihn die Deutsche Härtefallstiftung „Die Deutsche Härtefallstiftung hat an mich geglaubt und Mut bewiesen“, sagt Kremer. Sie hat die Kosten für das Video zu „PTBS“ übernommen und fördern das Projekt Krieg Im Kopf. „Die Deutsche Härtefallstiftung interessiert sich für die Menschen und Soldaten und setzt damit ein klares Statement“, bedankt sich Mazibora.

„Dieses Jahr sollen sich alle warm anziehen. Wir brauchen uns nicht mehr zu verstecken“, verspricht der Sänger. Die Stimme der Veteranen wird lauter und die Einsatzveteranen-Community hält zusammen. Der Mazibora-Song „Flashback“ bringt es mit hip-hop-typischem Augenzwinkern auf den Punkt: „Ich bin keiner, der es einfach so wegsteckt, stehe meistens stabil wie ein Feldbett. Ich decke deinen Rücken wie ein Backpack. Los komm, wir sind bereit für den nächsten Flashback.“

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