Österreich will zur Abschaffung der Wehrpflicht das Volk befragen
Seit dem Jahr 2005 müssen taugliche Männer in Österreich nur noch für sechs Monate zum dortigen Bundesheer. Durchschnittlich trifft dies 26.000 Österreicher. Seit 1975 kann alternativ ein Wehrersatzdienst geleistet werden, er dauert zurzeit neun Monate. Über 13.500 Wehrpflichtige haben sich 2011 für diesen Ersatzdienst entschieden. Aufgrund der kurzen Dienstzeiten und der abgeschafften oder ausgesetzten Wehrpflicht in den befreundeten EU- und Nato-Staaten diskutiert nun auch unser südlicher Nachbar über die Abschaffung beziehungsweise Aussetzung der Wehrpflicht. Die Argumente Pro und Contra sind dabei deckungsgleich mit denen in Deutschland in den Jahren 2010 und 2011 – nur dass bei uns keine Volksabstimmung initiiert wurde, denn diese ist im deutschen Grundgesetz nicht vorgesehen.
Ergebnis noch völlig offen
Ob sich die Österreicher gegen die Wehrpflicht aussprechen werden, ist derzeit völlig offen. In aktuellen Umfragen ist eine knappe Mehrheit (rund 53 Prozent) für eine Beibehaltung. Alles wird an der ausformulierten Fragestellung hängen, die auf den Stimmzetteln stehen wird. Und darum wird nun intensiv gestritten. In Österreich regieren die beiden großen Volksparteien SPÖ und ÖVP in einer Koalition. Bisher lehnte die konservative ÖVP eine Abschaffung der Wehrpflicht ab, hat sich nun zum Kompromiss Volksbefragung durchgerungen. Der Wehrpflichtgegner Bundeskanzler Werner Faymann (SPÖ) zeigt sich über das Einlenken der ÖVP zufrieden. Nun droht das Thema jedoch zu einer Abstimmung auch über Personen zu werden. So hat Verteidigungsminister Norbert Darabos (SPÖ) unlängst angekündigt, dass er zurücktreten werde, sollten sich die Österreicher für eine Beibehaltung der Wehrpflicht aussprechen.
Abschaffung wäre kein Weltuntergang
Die Führung des Bundesheeres sieht der Befragung gelassen entgegen. So haben jetzt die Militärkommandanten in den Bundesländern angekündigt, dass sie mit jeder Entscheidung leben könnten. Dennoch werben die Offiziers- und Unteroffiziersvereinigungen im Land für eine Beibehaltung des Zwangsdienstes. Dazu tritt zum Beispiel die Wiener Unteroffiziersgesellschaft mit einem Logo an die Öffentlichkeit.
Egal, wie sich die Österreicher entscheiden werden. Die Verteidigungsfähigkeit des Landes mit der seit 1955 andauernden "immerwährenden Neutralität" wird nicht beeinträchtigt sein. Das zeigen die Erfahrungen in Deutschland und den anderen Ländern ohne Wehrpflicht. Nur die Nachwuchssorgen um qualifiziertes Personal werden auch im Alpenstaat Einzug halten, sollte die Wehrpflicht fallen.
Interessante Links mit weiterführenden Infos:
Faktenbeitrag des Fernsehsenders Arte aus dem Monat März des Jahres 2010 über die Wehrpflicht in Europa (1:19 Min).
Die Abschaffung der Wehrpflicht in Deutschland. Arte-Beitrag vom 1. Juli 2011 (2:34 Min).
Detlef Struckhof
Bild oben: Österreichische Rekruten bei einer
Angelobung (Gelöbnis) vor dem Wiener Schloss Belvedere
(Foto: Bundesheer, Johannes Christian).
Bild unten: Mit diesem Logo wirbt die Wiener
Unteroffiziersgesellschaft für die Beibehaltung der
Wehrpflicht in Österreich
(Zeichnung: Unteroffiziersgesellschaft Wien).