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Sudan-Südsudan: Chaos ohne Ende?

Der Südsudan ist der jüngste Staat in den Vereinten Nationen (UN). Erst im Januar 2011 wurde der Süden nach zwei Bürgerkriegen und jahrzehntelangen Konflikten vom Norden unabhängig. Doch trotz Eigenständigkeit kommt es immer wieder sowohl zu innerstaatlichen als auch zu Zusammenstößen mit dem nördlichen Nachbarn. Neben vergangenen Kriegsverbrechen, ethnopolitischer Feindschaft und einem hohen Maß an Korruption liegt das unter anderem auch daran, dass bis heute die Grenzen zwischen den beiden Staaten nicht eindeutig anerkannt sind. Doch wie ist die aktuelle Lage in den beiden Staaten? Und was macht es so schwierig diese langandauernden Konflikte nachhaltig zu befrieden?

(Foto: Jill Craig via voanews.com)

failed statesudansüdsudan

Um die heutigen Konflikte zu verstehen, ist es unablässig, den historischen Kontext der beiden Staaten zu kennen. Noch bevor der Sudan 1956 von Großbritannien in die Unabhängigkeit entlassen wurde, brach im Südsudan ein erster Bürgerkrieg aus, in welchem der Süden die Autonomie vom Norden forderte. Denn beide Teile sind sowohl wirtschaftlich als auch kulturell sehr verschieden. So ist die Bevölkerung des Nordens zum großen Teil muslimisch und hellhäutiger als die überwiegend christlichen oder traditionell religiösen Nachbarn im Süden, die vor allem aus schwarzafrikanischen Völkern wie den Nuba oder Dinka bestehen. Da die Bevölkerung des Nordens jene des Südens historisch als Sklaven gejagt hat, wurden beide Landesteile von der britischen Kolonialmacht getrennt verwaltet. Im Süden wurde beispielsweise Englisch statt Arabisch als Verwaltungssprache gesprochen und christliche Missionare zugelassen. Zu Beginn der Entkolonialisierung gab es außerdem Pläne, beide Gebiete getrennt in die Unabhängigkeit zu entlassen. Nordsudanesische Vertreter waren bei der Juba-Konferenz 1947 aber gegen diesen Vorschlag und der Sudan wurde als ein einheitlicher Staat unabhängig. Doch schon von Beginn an beanspruchte der Nordsudan die ausschließliche Verfügung über Verwaltung und Militär, wohingegen südliche Bevölkerungsgruppen außenvorgelassen wurden.

Geschichte bis zur Teilung

So ist es nicht weiter verwunderlich, dass von 1955 bis 1972 südliche Rebellengruppen gegen die sudanesische Zentralregierung in Khartum kämpften. Ähnlich wie im zweiten Bürgerkrieg ging es neben der Unterdrückung nicht-muslimischer Bevölkerungsgruppen auch um machtpolitische und wirtschaftliche Ressourcen sowie allgemeine Selbstbestimmung. Als Konsequenz aus dem ersten Bürgerkrieg wurde der regionalen Regierung im Süden Autonomie in inneren Angelegenheiten zugesprochen. Dennoch begann 1983 ein erneuter Bürgerkrieg, da der damalige sudanesische Präsident Dschafar Numairi die islamische Gesetzesgrundlage (Scharia) als Gesetzesgrundlage für den Sudan einführen wollte.

Erst 2005 endete dieser Bürgerkrieg mit einem Friedensabkommen zwischen dem General Omar al-Baschir, der sich bereits 1989 an die Macht geputscht hatte, und der südsudanesischen Befreiungsbewegung SPLA. Das Friedensabkommen gewährte dem Südsudan Autonomie und sah ein Referendum vor. Dieses Referendum entließ den Südsudan 2011 mit 98,8% der Stimmen der südsudanesischen Bevölkerung in die Unabhängigkeit. Doch mit der Unabhängigkeit des Südsudans waren die Konflikte keinesfalls vorbei. Zwar brach zwischen den beiden Staaten kein offizieller Krieg mehr aus, doch kommt es regelmäßig zu Zusammenstößen zwischen den Truppen des Südens und des Nordens. Insgesamt starben in den beiden Kriegen seit 1956 rund 2,5 Millionen Menschen und etwa vier Millionen wurden vertrieben.

Lage im Südsudan

Die Eigenständigkeit brachte dem Südsudan bisher keinen Frieden: Von 2013 bis 2018 herrschte ein Bürgerkrieg zwischen Präsident Salva Kiir und Vizepräsident Riek Machar. Der Konflikt zwischen den beiden verfeindeten Rebellenführern ließ den jüngsten Staat der Staatengemeinschaft zu einem failed state werden. Zwar kam es bereits 2015 zu einem Friedensabkommen, dieses musste aber aufgrund von erneuten Gewaltausbrüchen 2018 erneuert werden. Seit 2020 gibt es eine Übergangsregierung, lokal kommt es aber immer wieder zu Gewaltausbrüchen zwischen verschiedenen Stammesgruppen.

Allein 2018 starben laut Schätzungen rund 400.000 Menschen in den bewaffneten Konflikten. Hinzu kommen laut UN-Flüchtlingsagentur rund vier Millionen Vertriebene – knapp ein Drittel der Bevölkerung. Circa die Hälfte der Flüchtlinge sind Binnenvertriebene, die andere Hälfte floh in die Nachbarländer Uganda, Kenia, Sudan und Äthiopien. Dabei sind rund 80 Prozent der Flüchtlinge Frauen und Kinder. Doch der Südsudan ist nicht nur für die eigene Bevölkerung gefährlich. Er gilt laut Analyse der Hilfsorganisation CARE aus dem Jahr 2022 nach wie vor als gefährlichstes Land für humanitäre Helferinnen und Helfer. Zwar gibt es momentan eine Pause in den Kämpfen, doch der Frieden ist äußerst fragil, wie Berichte des UN-Sicherheitsrats warnen.

Geografische Lage der beiden Länder. (Karte: Bundeszentrale für politische Bildung)

Gesellschaftliche Herausforderungen im Südsudan

Als neuer Staat steht der Südsudan vor enormen gesellschaftlichen Aufgaben. Neben historisch gewachsenen gesellschaftlichen Ungleichheiten wie der Verteilung von Ressourcen und Machtpositionen, ist das Bildungsniveau äußerst niedrig sowie Infrastruktur und Verwaltung kaum vorhanden. So war ein wichtiger Schritt die Aufteilung des Staatsgebietes in zehn Bundesstaaten, da diese das Machtvakuum auf regionaler Ebene füllten, in welchem zuvor Clans und ethnische Gruppen gegeneinander wirkten. So kommt es immer wieder zu kleineren Überfällen auf andere ethnische Gruppierungen. Insgesamt dominiert die Volksgruppe der Dinka die circa 64 anderen ethnischen Gruppierungen. Schon vor der Unabhängigkeit gehörten vier von fünf ständigen Mitgliedern des politischen-militärischen Oberkommando der SPLA der Dinka an. Diese Ungleichheit zieht sich bis in die heutige Gesellschaft und zeigt sich auch in der Zusammensetzung der aktuellen Regierung.

Zwar lebt ein Großteil der südsudanesischen Bevölkerung unterhalb der Armutsgrenze und hat somit täglich weniger als 1,90 US-Dollar zur Verfügung, trotzdem ist das Land reich an Bodenschätzen wie Erdöl, Gold und verschiedenen Erze sowie Wasser und fruchtbarem Ackerland. Doch die politische Instabilität, Korruption und Misswirtschaft verhindert, dass davon etwas bei der Bevölkerung ankommt. So konnte eine nationale Privatwirtschaft nicht aufgebaut werden, landwirtschaftliches Know-how ging durch die langandauernden Konflikte verloren und Ackerflächen sind nicht nutzbar, da es regelmäßig zu Überfällen kommt oder Landminen im Boden liegen. Hinzu kommen dem Klimawandel geschuldete Wetterextreme wie Dürren, Überflutungen oder Schädlingsplagen. Insgesamt hatten 2021 rund 7 Millionen Menschen im Südsudan nicht ausreichend Lebensmittel zur Verfügung.

Die Lage im Sudan

Auch im Sudan sieht es keineswegs besser aus. Zwar konnten vor drei Jahren Demonstrierende den seit 1989 herrschenden Herrscher Omar al-Baschir absetzen, doch die Zeit der zivilen Übergangsregierung währte nur kurz. Mit einem Militärputsch im Oktober 2021 kam Armeechef Abdal Fattah al-Burhan an die Macht, die er trotz militärinternen Uneinigkeiten hart und gewaltsam verteidigt. Doch das Chaos und die Massendemonstrationen gehen weiter: Obwohl bereits Tausende bei gewaltsamen Zusammenstößen von Sicherheitskräften verletzt und mehr als 100 Menschen getötet wurden, kommt es in den großen Städten immer noch regelmäßig zu Protesten. Die breite Demokratiebewegung, die nach dem Absetzen von al-Baschir so viel Hoffnung hatten, fordern vor allem eins: Mitspracherecht und Freiheit.

Neben diesen gesellschaftlichen Unruhen leidet der Sudan unter wirtschaftlichen Schwierigkeiten und einer der höchsten Inflationsraten der Welt. Hinzu kommt die Abhängigkeit von ukrainischem und russischem Getreide: Rund 90 Prozent hat das afrikanische Land mit Importen aus den beiden Kriegsparteien abgedeckt. Schon jetzt leiden rund zwölf Millionen Menschen – ein Viertel der Bevölkerung – an Hunger, denn die Lebensmittelpreise sind im Vergleich zum Vorjahr um rund 250% gestiegen. Die UN prognostiziert, dass gegen Ende des Jahres jeder zweite im Sudan hungern wird.

Massenproteste gegen das Militärregime gehören in den großen Städten des Sudans zur Tagesordnung. (Foto: Lana Hago)

Internationales Engagement

Ein weiterer Grund für die Misere im Sudan ist das Einfrieren von Hilfsgeldern der internationalen Gemeinschaft nach dem Militärputsch. Im Südsudan sind die Hilfseinsätze seit Jahren chronisch unterfinanziert. Dabei sind beiden Staaten essenziell auf ausländische Hilfe angewiesen, das zeigt sich nicht nur in einer der größten Flüchtlingskrisen Afrikas, die der Bürgerkrieg im Südsudan auslöste. Neben humanitärer Hilfe engagiert sich die UN im Rahmen der Mission UNMISS (United Nations Mission in the Republic of South Sudan) seit der südsudanesischen Unabhängigkeit 2011 in dem Land mit aktuell 17.000 Soldatinnen und Soldaten sowie rund 2.000 Polizistinnen und Polizisten. Die Bundeswehr stellt dafür vor allem Einzelpersonal in Stäben und Hauptquartieren der UN.

Aussicht und Problematik

Beide Staaten sind nicht nur kulturell verschieden, sondern stehen seit ihrer Trennung auch vor unterschiedlichen Herausforderungen. Im Sudan ist momentan viel im Aufbruch. Vor drei Jahren konnte der langjährige Machthaber abgesetzt werden und wenngleich erneut ein Militärregime im Amt ist, ist die Demokratiebewegung sehr resilient und widersetzt sich bisher erfolgreich dem brutalen Armeechef al-Burhan. Für sie ist Demokratie nicht verhandelbar, sie wollen eine zivile Regierung. Dennoch ist auch hier Armut vorherrschend und es droht eine Katastrophe angesichts der steigenden Preisen von Lebensmittel und der Inflation.

Im Südsudan dagegen geht es vor allem darum, eine funktionierende Staatlichkeit aufzubauen und Stabilität herzustellen. Die Lebensbedingungen dort sind schon lange unzureichend, Armut und Hunger allgegenwärtig, der Staat ist kaum handlungsfähig und es kommt immer wieder zu lokalen Auseinandersetzungen. Dennoch: Das Land ist fruchtbar und wäre bei Frieden und Stabilität durchaus in der Lage sich selbst zu ernähren. Das zu erreichen sollte das Ziel der Politiker und auch der Internationalen Gemeinschaft sein.

 

Autorin:

Emma Nentwig (23) studiert Politikwissenschaft und Arabistik an der Friedrich-Schiller-Universität Jena, wo sie seit zwei Jahren im Vorstand der Hochschulgruppe des BSH tätig ist.

 

Literaturtipps:

 


Dieser Text stammt aus dem Sicherheitspolitischen Newsletter des Sachgebietes Sicherheitspolitische Arbeit. Diesen können Sie hier abonnieren.

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