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Der Blick ins Gelände: Taktik-Lehrgang im Erfurter Becken

Auch wenn es inzwischen sehr gute digitale Lagekarten gibt – der Blick ins Gelände ist durch nichts zu ersetzen. Genau darum ging es beim Taktik-Aufbaulehrgang II im thüringischen Bad Frankenhausen. Die Lage: Man überlasse dem Gegner die Durchführung eines für ihn ungünstigen Angriffs. Das Panzergrenadierbataillon 514 erwartete ihn und war bereit, sich aktiv und initiativ zu verteidigen. Sascha Schneider war dabei, er hat das Seminar in einem Erlebnisbericht zusammengefasst.

Raus aus dem Hörsaal, rein ins Gelände. So konnten die Teilnehmer ganz praktisch die Verteidigungstaktik des Panzergrenadierbataillons 514 planen.

Foto: privat

Was sieht unser Bataillon von diesem Geländepunkt aus?

Foto: privat

taktik

Im zweiten Teil des Aufbaulehrgangs Taktik sollte unser Panzergrenadierbataillon 514 den Verteidigungsraum zwischen Greußen und Sömerda halten. Im Nebenauftrag sollten Teile einer altroverdischen Panzergrenadierdivision aufgenommen werden, die das Verzögerungsgefecht mit der vierten wislanischen mechanisierten Division mehr oder weniger erfolgreich geführt hatte. Das Erfurter Becken mit seiner hügeligen Landschaft ist Schauplatz der diesjährigen taktischen Weiterbildung.

Das Seminar begann wie üblich am Freitagabend, kurz nachdem die Stuben übernommen wurden. Die Taktiklehrer Oberstleutnant a.D. Thomas Greim, Oberstleutnant a.D. Jürgen Baumer und Oberstleutnant Hahn wiesen die Teilnehmer in Lage ein. Im Rahmen eines Lagevortrags zur Unterrichtung (LVU), ergänzt durch den grafischen Operationsplan und der Darstellung im militärischen Sandkasten, wurden die Teilnehmer auf den aktuellen Sachstand gebracht. Jeder Kamerad erhielt einen graphischen Operationsplan, den er, bzw. sie, in den folgenden Tagen intensiv nutzen sollte.  Im Anschluss an die Unterrichtung fand das traditionelle gemeinsame Pizzaessen im Hörsaal statt, bei dem die Kameraden die Möglichkeit hatten, alte und neue Bekanntschaften zu schließen bzw. aufzufrischen.

Erste Geländemarke: Feindsicht auf unsere Stellungen

Aufgeteilt in vier kleine „Kampfgemeinschaften“ fuhren die Teilnehmer mit Minibussen zur Ortschaft Riethnordhausen. Am ersten Geländepunkt folgte das Erkundungskommando dem bewährten Schema der Geländebesprechung. Ein Teilnehmer trug den Anwesenden das Ergebnis der Geländebeurteilung vor: Standortfeststellung mittels zweier eindeutiger Geländepunkte – hier ein Funkmast und ein Kirchturm in Nordrichtung, dort ein landwirtschaftliches Gebäude, sowie alle für die taktische Lage notwendigen Geländepunkte im Uhrzeigersinn mit Entfernung und Hilfszielen, damit das „Erkundungskommando“ die taktische Lage aus Feindsicht nachvollziehen konnte. Die anwesenden Taktiklehrer ergänzten und korrigierten die Ausführungen des Vortragenden und zeigten dabei ein Bild des angreifenden Bataillons, das im Breitkeil mit zwei Kompanien nebeneinander und einer weiteren im kurzen Abstand folgend auf unsere Stellungen zu fährt. Dabei wurde auch die allgemeine Feindlage mit weiteren Bataillonen in unserem Gefechtsstreifen skizziert.

Ein Minenfeld und nasse Füße

An dem Beispiel eines Gewässerübergangs an der Grimme wurden Möglichkeiten für einen Feuerkampf, für die Aufklärung oder für die Lenkung des Feindes erörtert. Hier ist die ufernahe Bewaldung zwar vorteilhaft für den Feind, allerdings kann diese auch für die „Störung seiner Entfaltung“ genutzt werden.

Schon hier klang bereits die Aufnahme von Teilen der altroverdischen Division an, die im Schutze der Dunkelheit erfolgen müsste. Unsere hier in Stellung liegende Kompanie hätte verschiedene Herausforderungen zu bewältigen, weil neben den altroverdischen Kampftruppen zunächst Versorgungs- und Trossfahrzeuge zurückweichen würden. Die Logistiktruppen würden daher neben beschädigtem Material auch Verwundete mitbringen. Um das Problem der Auf- und Übernahme zu lösen, wurde der Ort Vehra als geeigneter Abschub- und Versorgungspunkt gefunden. Die Taktiklehrer machten auf eine weitere Gefahrenquelle in Form von einsickerndem Feind aufmerksam, der sich unter die zurückweichende Kolonne mischen könnte.

(Foto: privat)

Am dritten Geländepunkt – durch den Hörsaal als Schlüsselgelände identifiziert – wies Oberstleutnant Hahn nochmals intensiv auf die Schwierigkeiten der Aufnahme hin. Die Operation würde im Januar ablaufen, während der Dunkelheit unter ständigem Feinddruck. Zeit ist hier ein wesentlicher Faktor, da viele alliierte Fahrzeuge und Personal durch die eigenen Linien zu schleusen wären, immer unter Sicherung und Überwachung. Ebenso müssten die eigenen Kräfte im Vorfeld wieder aufgenommen werden, die sich ggf. schon unter Feindfeuer befinden. Die fehlende Einsicht in die Übergangsstelle an der Gramme wurde an dieser Stelle noch einmal sehr greifbar.

Erst die Feuerwalze und dann Hammer und Amboss

Nach der Mittagsverpflegung ging es dann um den Aufbau der feindlichen Manöverelemente. Hier bekamen wir eine Vorstellung über die schiere Masse von angreifenden Feindfahrzeugen sowie den dazugehörigen Unterstützungsfahrzeuge, etwa Artillerie und Panzerabwehr. Oberstleutnant Hahn erläuterte uns die Phasen des gegnerischen Angriffs, der mit einer Umgliederung der Marschkolonne in die Angriffsformation des Bataillons beginnt. Nach dem Bataillon entfalten sich drillmäßig auch seine angreifenden Kompanien bis hin zu den Zügen, die die letzten 200 Meter im Sturm überwinden würden. Dabei würde die artilleristische Feuerwalze sowohl als Schild für die Angreifer dienen, wie auch dem Brechen unserer Verteidigung.

Mit Blick ins Gelände wurde dann die Möglichkeit der Verlegung der eigenen Elemente besprochen, sowie der geplante Gegenangriff durch unsere Panzerreserve, die nach der Aufnahme der altroverdischen Teile in den Verfügungsraum verlegte. Der Gegenangriff der Panzerkompanie würde unter Ausnutzung der Deckungsmöglichkeiten der umliegenden Täler und Hügel erfolgen und dann überraschend in offene Flanke des gegnerischen Bataillons führen.  Dafür müsste die im Schwerpunkt liegende Panzergrenadierkompanie den angreifenden Feind aufhalten. Wir verlegten daher kurzerhand zu einem Geländepunkt unterhalb des Galgenbergs, um aus Sicht der Panzerreserve des Bataillons den Gegenangriff zu erkunden.

Immer wieder zielgerichtete Kommunikation

Nach diesem letzten Punkt des heutigen Geländetages ging es zurück in die Kyffhäuserkaserne, um im Rahmen eines Rollenspiels einen LVU zu üben. Je ein bis zwei Mitglieder der „kleinen“ Kampfgemeinschaft hielten vor dem Verbindungsoffizier der altroverdischen Division einen Lagevortrag.

Der „altroverdische Verbindungsoffizier“ Oberstleutnant Greim wurde in diesem Rollenspiel über die Möglichkeit der Aufnahme von Teilen seiner Division durch panzerstarke Kräfte unseres Bataillons 514 informiert. Nach jedem Vortrag wurden die Kritikpunkte durch den Verbindungsoffizier besprochen, damit die Teilnehmer ein direktes Feedback für ihren Vortrag erhielten. Der Verbindungsoffizier hatte im Anschluss an unseren Lagevortrag, aber dann noch eine unangenehme Überraschung für den „Bataillonskommandeur 514“ in petto. Die aufzunehmende Division hatte den Feind nicht in der gewünschten Weise abnutzen können, so dass unser Bataillon nun mit mehr Feindkräften zu rechnen hätte.

Höhepunkt des Geländetages war dann aber unzweifelhaft der Grillabend. Hier bot sich wieder die Möglichkeit, mit den Kameraden zu fachsimpeln und den vergangenen Tag oder auch Lehrgänge Revue passieren zu lassen.

Erfolgreicher Gegenangriff und trotzdem eine brenzlige Lage

Am letzten Tag wurde es noch einmal anstrengend. Um 8 Uhr verlegte der Hörsaal zur letzten nicht besprochenen Stellung. Diese befand sich östlich von Greußen entlang eines Höhenrückens. Die Kompanie, die den Amboss für den Gegenangriff darstellte, musste in der Lageeinspielung herbe Verluste hinnehmen, im Gegenzug dazu, wurde der Feind gehemmt und zog sich für eine Umgruppierung zurück. In der nun erfolgten Gefechtspause mussten wir als Bataillonskommandeur einen Entschluss treffen, um der neuen Situation zu begegnen. Der Entschluss wurde in Gruppenarbeit erstellt und dann vor dem Hörsaal vorgetragen. Selbstverständlich wurde der Entschluss wieder durch die Taktiklehrer diskutiert und etwaige Fehler in der Entschlussfassung wurden offengelegt. Im Anschluss wurde auf dieser Basis ein Gefechtsbefehl formuliert, den die beiden Taktiklehrer Baumer und Greim ergänzten bzw. verbesserten.

Manöverkritik

Damit endeten die Geländebeurteilungen und wir verlegten wieder in die Kaserne zurück. Nach einem Stuben-, Revier- und Fahrzeugreinigen wurde Manöverkritik gehalten. Besonders wurde die Organisation durch die Mitglieder des Orgateams und des Funktionspersonals sowie der drei Taktiklehrer Baumer, Greim und Hahn gelobt. Im Rahmen dieses Gesprächs wurde auch auf die Schwierigkeiten bei der Organisation von Unterkünften in den Liegenschaften der Bundeswehr hingewiesen und dass es heutzutage gar nicht mehr selbstverständlich ist, mit einer so großen Gruppe Reservisten unterzukommen.

Wunsch ist Wunsch

Was würden wir uns wünschen, wenn wir einen Wunsch frei hätten? – Wir würden uns den Blick ins Gelände aus dem Gefechtsfahrzeug wünschen, auch wenn dieser nur simuliert wäre. Warum? Für fachfremde Kameraden wie Kampfunterstützer, Sanitätspersonal u.a. ist es schwierig, manche Entscheidungen nachzuvollziehen, weil das technische Wissen um die Gefechtsfahrzeuge fehlt. Wie hoch ist ein Leopard, wie muss ich das Fahrzeug im Gelände bewegen, um zwar zu sehen, aber nicht gesehen zu werden? Wie bewegen sich Aufklärer und was sehen sie? Was sieht der Panzergrenadier in seiner Stellung? Was sieht der Kommandant des Pumas durch seine Optik?

Heutzutage gibt es gute Simulationen und die Bundeswehr benutzte schon vor Jahren eine Version des Spiels „Steel Beast“ für Ausbildung ihrer Panzerbesatzungen. Vielleicht gibt es eine virtuelle oder reale Möglichkeit die Lehrgangsteilnehmer in einem weiteren Modul noch näher an die Materie heranzubringen.

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