Am Beispiel der Verteidigung des Thüringer Beckens haben Reservisten unter Anleitung der Taktiklehrer Oberstleutnant a.D. Manfred Bettendorf und Oberstleutnant a.D. Jürgen Baumer den Führungsprozess der Landstreitkräfte geübt. Schon vor dem Seminar an der Sanitätsakademie der der Bundeswehr in München hatten sich die Lehrgangsteilnehmer im Selbststudium vorbereitet und in die Lage eingearbeitet. Die Aufgabe lautete: „Planen Sie eine Verteidigung für einen Raum gegen einen Gegner, der nummerisch in der Überzahl ist und halten Sie die Stellung, um dem übergeordneten Befehlshaber die Möglichkeit zum Gegenangriff zu bieten.“
Eingebettet in die Rahmenlage einer völkerrechtswidrigen Invasion mit großen Truppenkontingenten auf der Gegenseite und der Verteidigung eines NATO-Mitgliedes durch eine multinationale Koalition des Bündnisses auf der anderen, ermittelten die Teilnehmer in Gruppenarbeit zunächst auf Basis des Brigadebefehls den eigenen Auftrag und die wesentliche Leistung für den Auftrag – Auswerten des Auftrages: „PzGrenBtl 514 verstärkt vermindert verteidigt entlang der FEBA (Forward Edge of Battle Area) Staußfurt – Sömerda die Stellung 3.1, um so die Voraussetzung für die Zerschlagung der Folgekräfte durch den Gegenangriff Hammer der 5. Panzerdivision zu schaffen.“
In einem Lagevortrag zur Einleitung der Lagebeurteilung (LVEinl) ergaben sich erste Hinweise und Prüffragen, die in der anschließenden Beurteilung der Lage sukzessive abgearbeitet wurden. Ein Beispiel: „Wie kann mit dem Fluss Unstrut mit hohem Einsatzwert an der FEBA verteidigt werden?“ Dazu wurden Informationen aus dem grafischen Operationsplan und aus dem Brigadebefehl herangezogen, um das Lagebild allmählich zu verdichten.
In die Beurteilung gingen die Einflussfaktoren wie Umweltbedingungen (bspw. Winter, mit schlechter Sicht und Nebel/Schneefall bei Nacht), Informationsumfeld (Desinformation durch Feind), Bedrohungen, die zivile Lage (Flüchtlinge/Zurückgebliebene, NGO/GO uvm.), sowie die Feindlage – Gesamtüberblick, Kräftegruppierungen, Möglichkeiten und vermutete Absicht – ein. Vervollständigt wurde die Lagebeurteilung durch die Beurteilung der eigenen Kräfte mit Leistungsvermögen und Einsatzwert, die teils in Gruppenarbeit erarbeitet wurden. Insbesondere bei der Feindbeurteilung und der Beurteilung der eigenen Truppen wurde die meisterliche Kunst der Taktiklehrer deutlich, die aus rechnerischen Größen und „Softskills“ ein belastbares Ergebnis für Feststellung der Lage erzeugten.

Anschließend wurden die die Möglichkeiten des eigenen Handelns in Entschlussform festgestellt. Die Taktiklehrer legten ein besonderes Gewicht auf die Form und den Gebrauch der richtigen Vokabeln und korrigierten die Teilnehmer, um sie auf den geforderten Stand zu bringen. Ziel war es, die beste Aufstellung für die Erreichung des Auftrages für Rot (Worst-Case-Szenario für Blau) als auch für Blau (Worst-Case-Szenario für Rot) zu finden.
Im folgenden Unterricht „Kräfte und Fähigkeitsvergleich“ lernten die Reservisten, das beabsichtigte Gefecht im Hinblick auf das Feind-Freund-Kräfteverhältnis zu beurteilen. Wie viele Schützenpanzer hat Rot im Vergleich zu Blau, wie viele hat Kampffahrzeuge hat Blau insgesamt in Bezug auf den Feind? Wie viele Kampfpanzer haben die ersten zwei angreifende Bataillone Rot im Vergleich zu Bataillon Blau, wie ist das Kräfteverhältnis Rot versus Blau? Diese und weitere Fragen des Kräfte- und Fähigkeitsvergleichs wurden schrittweise abgearbeitet. Am Schluss „wählten“ die Lehrgangsteilnehmer die beste Aufstellung aus und stellten diese wieder in Entschlussform dar.
In der Folge wurde jede Kompanie mit weiteren Kräften ausgestattet bzw. musste Teile abgeben, damit der Auftrag bestmöglich ausgeführt werden konnte – Stichwort: Truppeneinteilung. Am Ende des Lehrgangs stand der Entschluss für die Verteidigung fest, mit dem die Teilnehmer in der Geländebesprechung in den zweiten Teil des Aufbaulehrgangs Taktik starten werden: „PzGrenBtl 514 verstärkt vermindert verteidigt mit drei Kompanien nebeneinander und einer Panzerkompanie in Reserve entlang der FEBA Staußfurt – Sömerda die Stellung 3.1, um so die Voraussetzung für die Zerschlagung der Folgekräfte durch den Gegenangriff Hammer der fünften Panzerdivision zu schaffen. Das Gefecht wird in drei Phasen geführt:
- Phase I: Aufnahme von Teilen Aufnahme der Teile der altroverdischen Division
- Phase II: Verteidigung des zugewiesenen Verteidigungsraumes im Erfurter Becken
- Phase III: halten der Stellung 3.1 […]“ Fortsetzung folgt…
Fazit
„Es war wieder einmal ein sehr anspruchsvoller Lehrgang mit Teilnehmern aus allen Dienstgradgruppen vom Portepeeunteroffizier bis zum Stabsoffizier und allen Teilstreitkräften und Truppengattungen. Die Zeit verging wie im Flug, und das lag vor allem an den beiden Taktiklehrern OTL a.D. Bettendorf und OTL a.D. Baumer. Sie vermittelten spannend, stringent die Lehrgangsinhalte und forderten, aber überforderten die Lehrgangsteilnehmer nicht“, resümiert einer der Teilnehmer, Stabsapotheker d.R. Sascha Schneider. „Das Konzept aus ‚kleinen Kampfgruppen‘ für die Gruppenarbeit und Unterrichtung verdichtete den Stoff schnell und bleibt für folgenden Lehrgänge im Kopf. Es darf nicht unerwähnt bleiben, dass die Organisation durch den VdRBw hier in Form von Frau Aschbauer wieder herausragend war. Chapeau!“
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