„Tod einer Kadettin“ – Spielfilm zum Verzweifeln
Der zum Zeitpunkt des Unfalls an Bord befindliche Journalist übernimmt eine wichtige Rolle für die Dramaturgie des Films. Dadurch gleichen viele Szenen, in denen die Personen interviewt und beobachtet werden, eher einer Reportage. Eine schöne Idee ist, die unterschiedlichen Möglichkeiten darzustellen, durch die Lilly Borchert zu Tode gekommen sein könnte: Suizid, Unfall, Mord. Der Reporter sitzt an seinem Schreibtisch und spielt die Szene für sich und den Zuschauer in unterschiedlichen Varianten durch. Leider scheitert der Film daran, den Zuschauer von allen Versionen zu überzeugen: Suizid und Mord nimmt man den Darstellern einfach nicht ab. Schade, denn dadurch hätte der Film tatsächlich einen Mehrwert gehabt. Irgendwann nervt die scheinbar zehnte Wiederholung der gleichen Szene nur noch. Das liegt auch daran, dass die Dialoge teilweise verstörend unecht wirken und noch zusätzlich durch die Synchronisierung der Stimmen an unnötiger Theatralik gewinnen.
Keinem der Schauspieler gelingt es, seine Figur überzeugend darzustellen. Der tragische Todesfall der jungen Frau strotzt vor Ungereimtheiten, der Film versäumt es jedoch, diese zu erklären. Warum haben die Offiziere das Mädchen aufs Schiff gelassen, obwohl ihre Untauglichkeit zuvor ärztlich festgestellt worden war? Im Film sieht man die Entscheider mehrmals gemeinsam am Tisch sitzen. Dabei trägt jeder ein Argument vor, scheinbar weil es so im Skript steht und nicht aus Überzeugung. Erschwerend kommt hinzu, dass keine der Personen sympathisch ist. Die Hauptfigur nervt. Warum sie trotz überfordernder körperlicher und psychischer Belastung an Bord bleibt, ist auch am Ende des Filmes noch nicht wirklich klar. Stattdessen wird Lilly Borchert zum Dauer-Opfer stilisiert, mit dem bis zuletzt kein ehrliches Mitleid empfunden werden kann. Das war hoffentlich nicht die Absicht der Filmemacher.
Die übrigen Soldaten auf dem Schiff sind so dumm und fies, dass es einem die Sprache verschlägt. Die Vorgesetzten wirken unbeteiligt und fast unmenschlich. Und der Reporter ist einem schlichtweg egal. Nur zwei nette Leute existieren an Bord. Beide haben einen Migrationshintergrund, der eine aus Benin, die andere aus Frankreich – was normalerweise keine Erwähnung wert wäre, im Film aber extrem auffällt. Während sich die jungen Leute an Deck zulaufen lassen und sich gegenseitig mit atemberaubend vulgären und sexistischen Witzen beleidigen, fragt sich der Zuschauer angewidert, ob die Vorgesetzten das ganze Prozedere tatsächlich durch ihre Abwesenheit indirekt unterstützt haben. Wer den Film nicht schon vorher abgebrochen hat, bleibt am Ende mit dem Eindruck zurück, dass sich das deutsche Militär und insbesondere die Marine ausschließlich aus Asozialen rekrutiert. Das gibt zu denken – schließlich ist es nicht der erste Film des Ehepaares Ley über die Bundeswehr.

Bild oben:
Filmszene aus „Tod einer Kadettin“:
Lilly Borchert alias Jenny Böken
an Bord der Johann Kinau alias Gorch Fock
(Foto: NDR/ UFA GmbH).
Bild Mitte:
Filmszene aus „Tod einer Kadettin“:
Maria Dragus als
Kadettin Lilly Borchert im Vordergrund
(Foto: NDR/ UFA GmbH).
Bild unten:
Filmszene aus „Tod einer Kadettin“:
Die Kadetten und ihre Vorgesetzten
auf dem Segelschulschiff
(Foto: NDR/ UFA GmbH).