Der Reservistenverband trauert um seinen früheren Bundesgeschäftsführer. Dierk Joachim Fell ist am 2. Juni im Alter von 79 Jahren verstorben. Der Oberst a.D. war von Anfang 2008 bis Ende 2012 oberster hauptamtlicher Beschäftigter des Reservistenverbandes. Zuvor war er Mitglied der Strategiekommission und hatte an der Konzeption 2015 mitgewirkt, ferner war der Saarländer Beauftragter des Präsidiums. Zwischen April 2016 und Sommer 2017 stellte er seine Dienste noch einmal zur Verfügung, als er dringend gebraucht wurde. In seiner letzten Verwendung in der Bundeswehr war Fell als Referatsleiter für Ausbildung, Erziehung und Reservisten des Heeres im Bundesministerium der Verteidigung tätig.
Dierk Joachim Fell hat diesen Verband mehr als ein Jahrzehnt lang geprägt, mit den Anekdoten aus seiner Bundeswehrzeit könnte man Bücher füllen. Ein Nachruf, der chronologisch seine einzelnen Stationen aufzählt, würde dem „Ehrenbundesgeschäftsführer“, wie er bei seiner ersten Verabschiedung im Jahr 2012 genannt wurde, nicht gerecht werden. Nur noch wenige der aktuellen Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter haben Fell während ihrer Dienstzeit erlebt. Fünf frühere Weggefährten haben hier ihre Erinnerungen aufgeschrieben.
Christoph Max vom Hagen (Bundesgeschäftsführer):
Ich bin meinem Vorgänger sehr dankbar für die umfassende kameradschaftliche Einarbeitung binnen weniger Wochen im Sommer 2017. Jahre später weiß ich es noch mehr zu schätzen, wie fundiert seine damaligen Hinweise und Bewertungen waren. Seine pointierten Analysen zu Art und Charakter des Ehrenamts, fußend auf vielen Jahren seiner Arbeit an der Spitze des Hauptamtes, geben mir in der Zusammenarbeit nach wie vor Orientierung und Halt. Fell war wie ein Fels. Bisweilen ein sehr lauter Fels. Er war Fels in der – bisweilen selbst verursachten? – Brandung.
Er hat das Hauptamt fast ein Jahrzehnt geprägt und in kritischer Phase die Arbeitsfähigkeit des Verbandes erhalten. Ich hätte Herrn Fell gerne noch gezeigt, wie sehr wir seine Arbeit in der Vergangenheit wertgeschätzt und weiterentwickelt haben. Auf Wiedersehen, lieber Herr Fell!
Daniel Rother (früherer Referent des BGF und des Präsidiums):
Dierk Joachim Fell hat mich beruflich so stark geprägt wie niemand anderer. Noch heute – rund 14 Jahre nachdem er mich unter seine Fittiche genommen hat – leite ich vieles in meinem beruflichen Alltag als Führungskraft von seinem Vorbild ab. Damit meine ich freilich nicht, eine Tastatur so hart anzuschlagen, als müsse man vier Durchschläge mit der Schreibmaschine schaffen. Ich meine damit vielmehr seine Eigenschaft als Chef, einen klaren Kompass für das zu haben, was wirklich Chefsache ist: Personal und Finanzen.
Dierk liebte seine Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Mir ist durchaus bewusst, dass dies nicht allgemein so wahrgenommen wurde. Ich habe aber täglich erlebt, mit welcher Inbrunst er für seine Leute kämpfte und sich für den Einzelnen einsetzte, wenn er ein Problem hatte. Als junger Batteriechef soll er einen Gefreiten rasch einfach disziplinarisch gemaßregelt haben, damit der Kommandeur nicht eine wesentlich empfindlichere Bestrafung durchsetzten konnte. Auch wurde ein neuer Verbandsangestellter schonmal mittels kritischer Nachfrage bei den richtigen Stellen vom Fähnrich zum Fregattenkapitän befördert, weil die Bundeswehr dies über Jahre blockiert hatte.
Noch heute achte ich bei Bewerbungsgesprächen auf das, was für Dierk essenziell bei einem Mitarbeiter war: „Loyalität und Potenzial sind das Wichtigste. Alles andere kann man ihnen dann beibringen.“ Wie recht er hatte. Dies hat mir die besten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter gebracht.
Als Chef war Dierk immer im Schwerpunkt. Und wenn eine bestimmte Anordnung von Papieren in Mappen für das Präsidium wichtig war, dann half er auch mal beim Packen. Oder er brütete mit einem jungen Referenten bis spät in den Abend über einer Einladungsliste und ließ sich dabei auch nicht aus der Ruhe bringen, wenn der Computer abstürzt und man zurückgeworfen wird.
Zur Wahrheit gehört aber auch, dass Dierk einer Generation von Führungskräften angehörte, die Raubbau am eigenen Körper und im privatem Umfeld betrieben. Auch daraus habe ich gelernt.
Eine Anekdote, die mich heute noch zum Schmunzeln bringt und die typisch für Dierk war, ereignete sich beim Festakt zum 50. Verbandsjubiläum. Auf dem Weg zur Bühne verwickelte er den Bundespräsidenten in einen Smalltalk, da ein Vizepräsident auf der Bühne nicht daran dachte, seine Laudatio zu beenden.
Aber viel mehr als als Chef werde ich Dierk als treuen Freund und guten Ratgeber vermissen.
In tiefer Verbundenheit mit Dir, lieber Dierk,
Dein Daniel
Nadja Klöpping (Abteilungsleisterin Öffentlichkeitsarbeit):
Dierk Joachim Fell war eine Marke. Er war es, der mich 2012 als Pressereferentin einstellte: Die Zivilistin, für die die Welt der Bundeswehr ausnahmslos böhmische Dörfer waren. Er stellte mich, die Ahnungslose, trotzdem ein – weil er den Blick von außen für den Verband für wichtig hielt. Morgens um 6.30 Uhr klingelte mein Telefon, gleich am Tag nach dem Vorstellungsgespräch. Entscheidungen zu treffen fiel ihm nicht schwer.
Ich lernte Herrn Fell kennen als Soldat durch und durch, der ein riesiges Herz für das Ehrenamt hatte, mit seiner jahrzehntelangen Erfahrung vieles mit vorausschauender Gelassenheit händelte, der bei vermeintlichen Ungerechtigkeiten aber auch ganz ordentlich aus der Haut fahren konnte.
Die alltägliche Arbeit war so mitunter fordernd; ihm gegenüber eine fachliche Meinung durchzusetzen, war nicht immer leicht. Und doch hatte er durch seine fordernde Art großen Anteil daran, dass ich in dem mir fremden Milieu Fuß fasste. Denn darin ging Dierk Joachim Fell auf: jungen, lernbereiten Menschen in seinem Umfeld etwas beibringen zu können, seine weitreichende Erfahrung mit ihnen zu teilen. Die Art, wie er in entscheidenden Momenten „seine Leut'“ um sich sammelte, um die richtige Entscheidung oder auch nur die passende Formulierung zu finden, werden mir immer in guter Erinnerung bleiben. Genauso wie sein spitzbübisches Grinsen, wenn sein Plan am Ende des Tages funktioniert hatte.
Sören Peters (Redakteur):
Wenn in wenigen Tagen die Fußball-EM losgeht, werde ich sie wieder vermissen, die „echten Typen“, die ein Team prägen und anführen. Die ihren Mannschaftskameraden auch mal verbal in den Allerwertesten treten und denen es egal ist, ob sie irgendwo anecken. Oder die mal aus dem Teamhotel ausbüxen, um sich ein Bier und eine Zigarette zu gönnen.
Herr Fell war so ein „Typ“, mit Ecken und Kanten. Er hatte eine klare Vorstellung von dem, was er tat. Als Artillerist hatte er das Ziel immer fest im Blick und ließ sich von „Bremsern, Bedenkenträgern und Buchsenschissern“ nicht von seinem Weg abbringen. Er wusste, was Chefsache war, mit Kleinigkeiten sollte man ihn besser nicht belästigen („solche Fürz!!!“). Aber er hatte auch stets ein offenes Ohr, wenn man Vorschläge machte. Nur in einem gelackten Manager-Denglisch sollte man diese nicht äußern, sondern frei von der Leber weg.
Unsere erste Begegnung liegt nun mehr als 13 Jahre lang zurück. Er brachte mir bei, was ein saarländischer Adventskranz ist, wann man besser mal die Klappe hält und wie das „Faszinosum Reservistenverband“ funktioniert. Vieles hat sich verändert seitdem, vieles hat aber auch heute noch Bestand.
Benjamin Vorhölter (Redakteur):
Meine ersten Tage beim Reservistenverband haben mich an meine ersten Tage des Wehrdienstes erinnert. Damals musste ich folgendes Credo lernen: „Nicht nachdenken, einfach machen!“ Wenn man diese Fähigkeit unter dem Bundesgeschäftsführer Dierk Joachim Fell beherzigt hat, war die Zusammenarbeit mit ihm entspannt.
Für mich war der Oberst eine Koryphäe. Einmal sind wir zusammen mit dem Dienstwagen zum loyal-Verlag nach Frankfurt gefahren. Fell bestand darauf, dass wir nicht sofort über die A3 fahren, sondern einen Großteil des Weges am Rhein entlang. Er steckte sich zusammen mit dem Fahrer einen Zigarillo nach dem anderen an und erzählte etwas über die Brücke von Remagen und über weitere historische Gebäude, die auf dem Weg lagen. Als wir am Rhein entlangfuhren, bestand er darauf: „Herr Vorhölter, solange wir am Rhein sind, ist die Dienstzeit ausgesetzt.“ Fell zeigte so sein Herz für die malerische Landschaft und drückte so seine Wertschätzung gegenüber der Kulturregion aus. Es war auch Wertschätzung gegenüber mir als Mitarbeiter. Das zeigte mir: Oberst Fell ist ein Mann mit Ecken und Kanten. Aber hinter der harten Oberst-Schale pochte ein weiches Herz.