Trauer um Hauptmann der Reserve Helmut Schmidt
Nach einer kurzen Gedenkminute in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion sagt Kiesewetter nachdenklich: "Ich erinnere mich, dass Schmidt im April dieses Jahres in einer Sendung bei Maischberger ein Leben nach dem Tod ausschloss. 'Wenn es vorbei ist, ist es vorbei', sagte er damals. Nun ist es vorbei. Die letzte schmidtsche Zigarette ist verglüht."
Der SPD-Politiker war von 1974 bis 1982 der fünfte Bundeskanzler der Bundesrepublik Deutschland. Während seiner politischen Karriere hatte er nicht nur den Vorsitz der SPD-Bundestagsfraktion inne, er leitete unter anderem das Verteidigungsministerium unter Kanzler Willy Brandt, das Wirtschafts- und das Finanzministerium sowie – als Bundeskanzler – zwei Wochen lang das Auswärtige Amt. Seine immense Popularität gewann der Hamburger erstmals während der Sturmflut 1962. Als damaliger Senator der Polizeibehörde schritt er als Krisenmanager beherzt zur Tat: Ohne sich in der Notlage um eine Legitimation durch das Grundgesetz zu scheren, nutzte er seine Kontakte zur Bundeswehr und zur Nato. Soldaten, Hubschrauber und Pioniergerät verhinderten das Schlimmste. "Damals galt das als Vorbild für die Einsätze der Bundeswehr im Inland im Rahmen von Amts- und Nothilfe im Katastrophenfall", erinnert sich Verbandspräsident Kiesewetter.
In seine Amtszeit als Verteidigungsminister von 1969 bis 1972 fiel die Verkürzung des Grundwehrdienstes von 18 auf 15 Monate und die Gründung der beiden Bundeswehruniversitäten in Hamburg und München. Der Altbundeskanzler und konsequente Kettenraucher war seit 1983 Mitherausgeber der Wochenzeitung Die Zeit, in der er die Kolumne "Auf eine Zigarette mit Helmut Schmidt" publizierte.
Von Helmut Schmidt bleibt mehr als Rauch
Ein Kommentar von Detlef Struckhof
Gefühlt war dieser Mann immer Bundeskanzler. Er war permanent präsent. Auch als er längst nicht mehr Kanzler der Bonner Republik war – nach dem konstruktiven Misstrauensvotum Helmut Kohls und Hans-Dietrich Genschers im Oktober 1982. Damals hatte ich Tränen in den Augen. Außer ihm kannte ich – damals 14 – keinen anderen Kanzler. Ich fand gemein, wie dieser Mann abgesetzt wurde.
"Schmidt Schnauze" meldete sich dennoch immer wieder als Zeit-Herausgeber zu Wort, ob gefragt oder ungefragt, in Interviews, in Büchern oder in Leitartikeln. Immer mehr hörten ihm im Laufe der Jahre zu – auch einstige politische Gegner. Der Weltkriegsoberleutnant erklärte uns die Welt. Während einer eigenen Wehrübung im Jahr 2008 sagte eine junge Frau Obermaat – Mitte 20 – ganz nüchtern zu mir: "Helmut Schmidt ist ein Gott!" Sie konnte ihn nicht als Kanzler kennen, so wie ich ihn nicht als Verteidigungsminister, Wirtschafts- oder Finanzminister und schon gar nicht als Innensenator von Hamburg kennen konnte, der die Menschen mithilfe der jungen Bundeswehr aus den dortigen Elbfluten rettete. Doch der Mythos Helmut Schmidt beeindruckt offensichtlich alle Generationen.
Der Hamburger aus Barmbek war als Kanzler ein Macher in Ölkrise, RAF-Terrorzeit und Kaltem Krieg, immer pflichtbewusst und konsequent. Nach der Landshut-Befreiung war er für mich ein Held – so wie die Männer der GSG 9, die seinen Befehlen erfolgreich folgten. Deutschland ist Helmut Schmidt zu Dank verpflichtet. Ich habe Tränen in den Augen. Nicht wegen des beißenden Zigarettenrauchs, der sich nun auch für immer aus Nichtraucherräumen verziehen wird. Uns bleibt mehr von Helmut Schmidt als nur Rauch!
Archivbild oben: Helmut Schmidt in seiner Amtszeit als
Bundesverteidigungsminister von 1969 bis 1972
(Archivfoto: Bundeswehr, flickr).