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Noch nie war das Informationsangebot so vielfältig, noch nie Kommunikation so uneingeschränkt "immer und überall" möglich. Wir informieren uns im Internet. Wir verabreden uns per SMS. Wir kommunizieren weltweit per Chat und E-Mail. Der technische Fortschritt hat unser Leben verändert. 
Diese Entwicklung wirkt auch ins Militär hinein: 1999 veröffentlichte das amerikanische Militär unter dem Titel "Network Centric Warfare" (NCW) erste Überlegungen, wie Soldaten die neuen technischen Möglichkeiten militärisch nutzen können. These: Den Streitkräften steht ein Wandel bevor, der so revolutionär ist wie der Übergang vom Schwert zum Gewehr. Die Partnernationen der USA kommen zu ähnlichen Ergebnissen, nur die Begriffe sind verschieden. In England läuft die Debatte unter dem Namen "Network Enabled Capabilities" (NEC). In Deutschland spricht die Bundeswehr von "Vernetzter Operationsführung" (NetOpFü). Für die Koordination der Aktivitäten in der NATO sorgt das Allied Command Transformation in Norfolk im US-Bundesstaat Virginia. Dreh- und Angelpunkt aller Konzepte sind Informationen. Zum Beispiel Texte, Töne, Bilder, Videos. Der springende Punkt ist dabei die deutlich schnellere Übertragung dieser Informationen im Gefecht.
Moderne Informationstechnik im Einsatz
Ein Beispiel: Während des zweiten Golfkriegs 1991 gegen den Irak bekämpften die Amerikaner 99 Prozent der Ziele anhand vor dem Einsatz festgelegter Ziellisten. Elf Jahre später ein völlig anderes Bild: Während der "Operation Enduring Freedom" in Afghanistan kannten etwa US-Piloten schon nach dem zwölften Einsatz 93 Prozent ihrer Ziele vor dem Start nicht. Die Gefechtsstände wiesen ihnen die Ziele erst im Flug zu. Hintergrund: Der Einsatz von moderner Informationstechnik – vor allem Satelliten- und Funkübertragung – verkürzte die Zeitspanne zwischen dem Entdecken eines Ziels, der Übertragung an den Gefechtsstand und weiter an die Piloten. NetOpFü bedeutet aber weit mehr als nur schnellere Übertragung von A nach B. Alle Akteure – egal ob Panzer, Schiffe, Flugzeuge, einzelne Soldaten – sind vernetzt.
Wie ein Lebewesen
Wie bei einem Lebewesen kommt es auf das Zusammenspiel der Komponenten an: Sinnesorgane nehmen Informationen auf und geben sie über Nervenstränge an das Gehirn weiter. Die Muskeln führen auf Grundlage der Informationen koordiniert notwendige Bewegungen aus. Übertragen hieße das: Aufklärungssatelliten oder Drohnen nehmen als "Augen" ein aktuelles Lagebild auf. "Nervenstränge" – Kommunikationssatelliten, Funknetze, Computernetzwerke – leiten die Informationen weiter. In zentralen Knotenpunkten werden die Daten zusammengefasst und gespeichert. Die Summe aller Informationen ergibt ein einheitliches Lagebild, auf dessen Grundlage Truppen und Waffen – die "Muskeln" – handeln können.
Grenzenlose Vernetzung
Ebenfalls neu an dieser Vernetzung ist das Zusammenspiel über die Grenzen von Teilstreitkräften und Truppengattungen hinweg. So soll zum Beispiel die Heeresflugabwehr das Luftlagebild einer Luftwaffen-Patriot-Staffel oder einer Fregatte nutzen können. Jeder, der berechtigt ist, holt sich die Informationen, die er benötigt – oder bekommt sie automatisch zugestellt. Entscheidend ist, dass alle individuellen Lagebilder aus demselben Informationspool, dem "Gehirn", stammen.
Mehr gefühlte Sicherheit
Im Irakkrieg 2003 setzten die USA zum Beispiel erstmals den "Blue Force Tracker" (BFT) ein. Er sorgt für ein raumübergreifendes aktuelles Lagebild. Das System zeigt mit Hilfe von GPS und einem Computer die Position der "blue forces", also der eigenen Kräfte. Es ist bereits in einige Gefechtsfahrzeuge eingebaut – in den nächsten vier Jahren wollen die USA 40.000 Systeme beschaffen – und aktualisiert in den Gefechtsständen automatisch die eigenen Positionen sowie weitere Daten. Zeitraubende Status- und Positionsabfragen per Sprechfunk, die gang und gäbe waren, entfallen. Soldaten berichten außerdem von einem deutlichen Mehr an "gefühlter Sicherheit", weil sie jederzeit über die Position ihrer Kameraden Bescheid wussten.
Die Knoten werden enger
Bevor die total vernetzte Welt anbricht, sind noch einige Hürden zu nehmen, vor allem technisch. Vernetzte Gefechtsstände, Aufklärungs-, Kommunikations- und Waffensysteme hat die Bundeswehr im Prinzip jetzt schon. Allerdings hapert es an der Verständigung. Das erste Hindernis lautet "Interoperabilität", also die Fähigkeit von Systemen, überhaupt Daten austauschen zu können. Nur weil zwei Systeme vernetzt sind, heißt dies noch nicht, dass sie auch dieselbe Sprache sprechen.
Aber allen technischen Schwierigkeiten zum Trotz: Die Bundeswehr knüpft am großen Netz, die Knoten werden enger. Sie führt gerade einige wichtige Systeme ein, die große Bandbreite, hohe Geschwindigkeit und Kompatibilität versprechen (siehe "Vernetzte Operationsführung in der Streitkräftebasis").
Faktor Mensch
NetOpFü ist jedoch mehr als Technik. Der "Faktor Mensch" spielt eine entscheidende Rolle. Netzwerke bieten völlig neue Arten der Kommunikation, die Umdenken erfordern. Statt bisher über Hierarchieebenen nach "oben" zu melden, macht es die Vernetzung möglich, auch den benachbarten Trupp direkt zu kontaktieren und einsatzrelevante Informationen verzugslos auszutauschen. Damit können wichtige Informationen ohne Umwege auch direkt an die geleitet werden, die sie wirklich benötigen. Dabei muss allerdings sicher sein, dass die Gefechtsstände alle notwendigen Informationen erhalten und bei Bedarf auch in bestimmte Situationen eingreifen können.
Kann das jeder Soldat?
Experten gehen davon aus, dass diese neuen Formen der Zusammenarbeit wichtiger werden – vor allem in Konflikten ohne eindeutigen Frontverlauf. Hier kann jede Information wichtig sein, kann schnelle Reaktions- und Anpassungsfähigkeit über Erfolg oder Misserfolg entscheiden. Damit hat NetOpFü auch Auswirkungen auf die Führungsverfahren, auf die Befehlskette. Voraussichtlich wird die Auftragstaktik eine – unverändert – entscheidende Rolle spielen. Die Modernisierung der Informationstechnik stellt dem einzelnen Soldaten vor Ort zukünftig wesentlich mehr Informationen zur Verfügung. Es besteht sogar die Gefahr der Informationsüberflutung. Der Soldat muss im Gegensatz zu früher entscheiden, was er in der momentanen Lage an Informationen benötigt. Kann das jeder Soldat? Welche Ausbildung muss er haben, damit er die richtigen Entscheidungen trifft? Kann "intelligente" Software ihm bei seiner Entscheidung helfen?
An Antworten auf diese Fragen arbeitet die Bundeswehr zurzeit. NetOpFü lässt sich nicht mit der Einführung eines neuen Waffensystems vergleichen, das plötzlich auf dem Hof steht. Vielmehr handelt es sich um einen Umwälzungsprozess, der gerade erst begonnen hat. Auch wenn das grobe Ziel klar ist, wird sich das volle Potenzial erst in den nächsten Jahren entfalten.
Weitere Informationen auf: http://www.streitkraeftebasis.de/portal/a/streitkraeftebasis
Erstveröffentlichung: Y.-Magazin

Text: Hauptmann Matthias Hänger (PIZ SKB), Dr. Sebastian Schäfer

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