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Übung mit besonderer Rolle für Reservisten

Kein Netz, kein Empfang ist nervig, wenn man telefonieren möchte. In einer Katastrophenfall-Situation kann absolute Funkstille verheerende Folgen haben. Das Chaos ist vorprogrammiert. Wie so eine Lage aussehen kann, haben Reservisten und Rettungskräfte während einer Katastrophenschutzübung in Travethal durchgespielt - sogar mit wissenschaftlicher Begleitung.

Die Mitglieder der Reservistenarbeitsgemeinschaft Katastrophenschutz Hamburg nahmen als Melder an einer Übung teil, bei der ein Massenanfall von Verletzten simuliert wurde.

Foto: RAG Kat-Schutz Hamburg

Zivil-Militärische Zusammenarbeit

Ein Tornado verwüstet ein Protestcamp gegen eine geplante Waldrodung auf dem Landgestüt Traventhal im Kreis Segeberg. Das Camp kann trotz einer schweren Unwetterwarnung nicht geräumt werden. Die Folge: Bäume knicken ab. Schwere Äste stürzen zu Boden. Es gibt mehr als ein Dutzend Schwerverletzte. Unter ihnen sind eingeklemmte Personen, Verletzte mit einem Wirbelsäulentrauma und Bewusstlose. Die mehr als 100 eingesetzten Rettungskräfte stehen vor einer großen Herausforderung. Aufgrund starker Sonneneruptionen sind sämtliche Funkverbindungen von atmosphärischen Störungen betroffen und vollständig unterbunden. Das Szenario ist gar nicht so weit hergeholt. Während der Flutkatastrophe im Ahrtal haben die Wassermassen an einigen Stellen Verteilerkästen der Telekom zerstört. Die Funkverbindung war massiv gestört. Das bekamen unter anderem Feuerwehrleute zu spüren, die dabei waren, einen Campingplatz zu räumen. Sie konnten nicht mehr rechtzeitig gewarnt werden.

Aber was tun, wenn sich das Chaos auftürmt und keine Kommunikation mit Handy oder Funkgerät möglich ist? Während der Übung „Sonnensturm“ schlägt in diesem Fall die Stunde der Reservisten. Die Mitglieder der Reservistenarbeitsgemeinschaft Katastrophenschutz (RAG KatSchutz) Hamburg greifen zu Zettel und Stift. Sie werden zu Meldern, die zu Fuß unterwegs sind. Die Reservisten begleiten die Rettungskräfte zu den von Unfalldarstellern gemimten Verletzten. Einige von ihnen befinden sich in einer tiefen und schwer zugänglichen Senke. Mit dabei sind das Technische Hilfswerk aus Altona, Ahrensburg und Bad Oldeslohe, die Feuerwehren aus Reinbek, Traventhal und Gladebrügge, Sanitäter des Arbeiter-Samariterbundes und Staffeln des Bundesverbands Rettungshunde Hamburg und Harburg. Die Reservisten nahmen die Informationen und Aufträge von einem Ansprechpartner der jeweiligen Rettungskräfte auf und leiten diese an die Einsatzleitung weiter. „Auf so einem Meldeblock stand zum Beispiel: Drei Verletzte in Suchgebiet eins, mit Wirbelsäulentrauma, zwei bei Bewusstsein, einer ohne Bewusstsein“, schildert Björn Kraus von der RAG Kat-Schutz Hamburg. Er ist einer der Hauptorganisatoren der umfangreichen Übung. Zudem fügen die Sanitäter den Informationen über die Verletzten einen wichtigen Aspekt hinzu und teilen die Patienten nach der Schwere ihrer Verletzung ein.

Einige „Verletzte” befanden sich an schwer zugänglichen Stellen. Hier war Teamwork gefragt. (Foto: RAG Kat-Schutz Hamburg)

Die Reservisten laufen ständig zwischen Einsatzkräften, Sanitätern und Einsatzzentrale hin und her. Ihre Wege dokumentieren während der gesamten Übung GPS-Geräte der Hochschule für Angewandte Wissenschaften (HAW) Hamburg. Sie messen so anhand der GPS-Daten die Kommunikation der Einsatzkräfte. Eine erste Auswertung der Wissenschaftler zeigt, dass einige Reservisten als Melder in den drei Stunden der Übung mehr als zehn Kilometer zurückgelegt haben. Informatik- und Mathematik-Professor Dr. Boris Tolg und sein Team erforschen simulierte Massenanfälle von Verletzten (MANV). Diese MANV sind komplexe Einsatzsituationen, in denen die Anzahl der Patientinnen und Patienten die Versorgungskapazitäten des Regelrettungsdienstes innerhalb einer kurzen Zeit meist lokal überschreitet. Da die Ressourcen der lokalen Rettungsdienste häufig nicht ausreichen, müssen dann Rettungsdienste aus dem Umland hinzugezogen werden. Das führt dazu, dass Personen zusammenarbeiten müssen, die normalerweise nicht zusammenarbeiten und die unterschiedliche Arbeitsprozesse und Konzepte verwenden.

„Chaosphase objektiv messbar machen“

„Meine Forschung zielt darauf ab, möglichst viele objektive Ergebnisse aus einer Übung ableiten zu können, ohne die beteiligten Personen zu beeinflussen. Aus den Bewegungsdaten kann ich zum Beispiel den Abtransport der Simulationspatientinnen und -patienten von der Schadensstelle erfassen und standardisiert darstellen. Über mehrere Übungen hinweg kann dann ermittelt werden, ob sich die Zeiten verändert haben. Aktuell arbeite ich daran, bestimmte Phasen im Ablauf eines MANV anhand der Bewegungsdaten zu erkennen und zum Beispiel die Chaosphase objektiv messbar zu machen“, erläutert Professor Dr. Boris Tolg. Eine besondere Erkenntnis haben er und sein Team von der Übung bereits gewonnen. Während bei einer Funkkommunikation die übermittelte Information sofort bestätigt wird, ist die Bestätigung des Informationserhalts mit einem Melder von der Rückkehr eines Melders an den Ursprung der Nachricht nötig. Während der Übung wurde aufgrund der angespannten Situation und der verteilten Einsatzstellen diese Praxis jedoch nicht immer eingehalten. Diese Tatsache hat dazu geführt, dass Informationen in einigen Fällen mehrfach transportiert wurden. „Daraus folgt, dass die Kommunikation mit Hilfe von Meldern striktere Protokolle erfordert, als die Kommunikation über Funk“, sagt Professor Dr. Tolg.

Mit Hilfe des THW werden die Verletzten versorgt. (Foto: RAG Kat-Schutz Hamburg)

Wie bei der Übung „Sonnensturm“ ist es bei anderen Szenarien oder im echten Katastrophenfall immer so, dass Situationen eintreten, die für alle Beteiligten neu sind. In so einer Lage hilft es, in der Krise die Köpfe zu kennen und zu wissen, wie die einzelnen Rettungsorganisationen arbeiten. Das ist ein Schwerpunkt der Zivil-Militärischen Zusammenarbeit, für die sich die RAG KatSchutz Hamburg einsetzt. Deren Angehörige, die aus allen Teilstreitkräften und Organisationseinheiten der Bundeswehr kommen, bringen ein breites Spektrum an militärischen und zivilberuflichen Qualifikationen mit sich. Durch die Zusammenarbeit mit Behörden, dem THW und vielen Hilfsorganisationen ist die RAG KatSchutz bestens vernetzt, verfügt über fundierte Ortskenntnisse und ist vom Auftrag her ein wichtiges Bindeglied zwischen Truppe und zivilen Kräften.

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