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Umweltzerstörung als Sicherheitsrisiko

Illegale Bergwerke, ungesicherte Ölbohrungen oder verseuchtes Industrieabwasser: Die Liste der von Menschen herbeigeführten Umweltschäden ist lang. Aufgrund der weltweit hohen Nachfrage an Bodenschätzen werden in Ländern des globalen Südens auf Natur und Lebensräume meist keine Rücksicht genommen. Die Auswirkungen der rücksichtslosen Ausbeutung der Natur sind lokale Spannungen und Konflikte, die als Treiber von Fluchtbewegungen auch ein Risiko für die Sicherheit Europas darstellen. Wie das Ausmaß an Umweltzerstörung und ihre Folgen aussehen, zeigt sich insbesondere in Afrika.

(Foto: MONUSCO Photos via Wikimedia Commons)

Die natürlichen Ökosysteme sind aus dem Gleichgewicht geraten. Ursächlich dafür sind die massiven Eingriffe der Menschen in die Umwelt seit der Industrialisierung. Zu diesem Fazit kommt der 2022 veröffentlichte Bericht „The Nature of Conflict and Peace“ von WWF International und adelphi consult, der auch den engen Zusammenhang von Umweltzerstörung und Klimawandel hervorhebt. Der Report hat den Einfluss der zunehmenden Umweltkrisen auf Konflikte und Kriege untersucht. Die Fachleute halten fest, dass die Zerstörung der Natur sich negativ auf die politische Stabilität und globale Sicherheit auswirkt. Vor allem der rohstoffreiche Kontinent Afrika, der am meisten unter der globalen Erwärmung leidet, bekommt die Folgen der Umweltzerstörung am stärksten zu spüren. Doch die dortigen prekären Entwicklungen bleiben auch nicht folgenlos für Europa.

Gier nach Metallen

Die Produktion von Computern, Smartphones, Photovoltaikmodulen oder Batterien für Elektroautos ist ohne eine Vielzahl an Metallen nicht möglich. Hierzu zählen unter anderem Gold, Platin, Kupfer, Nickel, Zink, Kobalt und Lithium. Aufgrund der hohen Nachfrage an Konsumgütern und grüner Energie in reichen Industrieländern nimmt die Bedeutung des Bergbaus stetig zu. Die wirtschaftlich bedeutsamen Rohstoffe liegen vor allem in Entwicklungsländern, wo sie unter gesundheitsschädlichen und unsicheren Arbeitsbedingungen abgebaut werden. Da zudem die Löhne sehr niedrig sind, kommt der Rohstoffreichtum bei den Menschen vor Ort nicht an. Dies hängt auch damit zusammen, dass der Abbau oft illegal durch Unternehmen oder Rebellengruppen stattfindet. So haben chinesische Firmen über 80 Prozent der Kontrolle des Lithium-Abbaus in Afrika inne. Insbesondere China baut seit Jahren seinen wirtschaftlichen Einfluss zulasten westlicher Industrieländer wie den USA und den ehemaligen Kolonialmächten Großbritannien und Frankreich aus. Nicht selten ist in Fachkreisen von einen „neuen Wettlauf um Afrika“ die Rede – analog zur Kolonialisierung im 19. Jahrhundert.

Für die Umwelt und die Bevölkerungen sind die Auswirkungen der Metallindustrie gravierend. Aufgrund der weitverbreitenden illegalen Rohstoffgewinnung wird auf Natur und Mensch keine Rücksicht genommen. So werden für den Bau neuer Bergwerke Regenwälder und Ackerflächen zerstört. Mit der Rodung der „grünen Lunge“ wird der Erde ein wichtiger CO₂-Speicher genommen. Durch seinen Anteil von mehr als zehn Prozent am weltweiten Emissionsausstoß trägt der Bergbau erheblich zur Klimakrise bei. Des Weiteren werden für den Bau neuer Produktionsstätten nicht selten Teile der Bevölkerung vertrieben. In fragilen Staaten geschehen Zwangsumsiedlungen vor allem durch autoritäre Regime oder Rebellengruppen. Ein Beispiel für einen fragilen Staat stellt die Demokratische Republik Kongo dar. Viele der langjährigen Kämpfe zwischen Rebellengruppen sind nicht nur ethnisch, sondern auch wirtschaftlich motiviert. Diese bis heute andauernden „Ressourcen-Kriege“ haben meist die Zerstörung von Landstrichen und Zwangssiedlungen zur Folge.

Arbeiter einer Kobalt-Mine in der Demokratischen Republik Kongo. (Foto: The International Institute for Environment and Development via Wikimedia Commons)

Die Gier nach Bodenschätzen fördert nicht nur eine Konkurrenz zwischen gesellschaftlichen Akteuren, sondern trägt auch zur Verschlechterung der Lebensgrundlagen der Bevölkerung bei. Die prekäre Situation wird insbesondere beim Wasser ersichtlich, das im Metallabbau in hohen Mengen benötigt wird. Verstärkte Wasserentnahme durch die Industrie trägt dazu bei, dass Flüsse und Seen austrocknen und geringere Mengen an Trinkwasser zur Verfügung stehen. Da beim Abbau oft verseuchtes Wasser in die Erde geleitet wird, kommt es zu einer starken Belastung des für die Menschen und Landwirtschaft dringend notwendigen Grundwassers. In vielen Regionen Afrikas sind die Bevölkerungen seit Jahren mit einer Zunahme an Dürren infolge der globalen Erderwärmung konfrontiert. Wenn die Menschen nicht bereits dazu gezwungen wurden, bleibt ihnen spätestens aufgrund der immer bedrohlicheren Wasserknappheit kein anderer Ausweg als die Flucht aus ihrer Heimat übrig.

Fluch des Öls

Die Gewinnung von Erdöl stellt für Regierungen von Entwicklungs- und Schwellenländern eine lukrative Finanzquelle dar. Aufgrund der weltweit hohen Nachfrage fördert dieser Industriezweig das Wirtschaftswachstum und bringt Menschen in Beschäftigung. Doch sie birgt zum einen die Gefahr der Abhängigkeit, wie das Beispiel Nigeria aufzeigt. Fast die Hälfte der Staatseinnahmen und 80 Prozent aller Exporterlöse waren 2021 auf den Erdölsektor zurückzuführen. Größter Produzent in Nigeria ist der britische Konzern Shell, der seit 1936, das heißt seit Kolonialzeiten, im Land operiert. Aufgrund dieser Abhängigkeit war das Land in hohem Maße vom globalen Ölpreissturz 2014 betroffen. Die Produktion musste heruntergefahren werden und die dadurch entstandene Rezession trug zur Verschärfung der Armut bei. Die Exporte des Südsudans, eines der ärmsten Länder der Welt, stammten 2019 zu über 94 Prozent aus der Erdölförderung. Zu den Hauptinvestoren hier zählt der staatliche chinesische Ölkonzern CNPC, was eine sehr starke Abhängigkeit zur Folge hat.

Für die einheimischen Bevölkerungen und Ökosysteme ist die Erdölgewinnung mehr Fluch denn Segen. Obwohl dieser Wirtschaftssektor für Arbeitsstellen sorgt, leiden viele Menschen in den Regionen weiterhin stark unter Armut. Da die Erdölgewinnung CO₂-intensiv ist, stellt sie auch einen Treiber des Klimawandels dar. Profiteure sind primär staatliche und private Ölkonzerne. Diese bauen ihre Förderanlagen sowie ober- und unterirdischen Pipelines meist ohne Rücksicht auf Mensch und Natur. Da Lecks an schlecht gewarteten Rohren keine Seltenheit sind, kann Erdöl direkt in den Boden oder ins Wasser gelangen. Dies hat zur Folge, dass die Lebensräume von Millionen Menschen sowie landwirtschaftlich nutzbare Flächen (dauerhaft) verseucht werden. In Nigeria setzen sich Gruppierungen wie das „Movement for the Survival of the Ogoni People“ seit 1990 friedlich für Entschädigungen durch Konzerne sowie die finanzielle Beteiligung der Zivilbevölkerung an Erdöleinnahmen ein. Die massiven Öl-Lecks von Shell in Nigeria 2004 bis 2005 landeten sogar vor einem niederländischen Gericht. Dieses hielt in seinem Urteil fest, dass der Ölkonzern seiner Sorgfaltspflicht bei der Wartung der Pipelines und ihrer Sicherung gegenüber Kriminellen nicht nachgekommen sei. Shell wurde zur Entschädigung der von dieser Umweltverschmutzung betroffenen Bauern verpflichtet.

Durch ein Öl-Leck einer Pipeline wurden Landstriche und Wasser in Nigeria kontaminiert. (Foto: Ucheke via Wikimedia Commons)

Aufgrund der Abhängigkeit von und den Umweltschäden durch Ölkonzerne nehmen Kriminalität und lokale Konflikte immer mehr zu. So entwickelten sich im Nigerdelta die Spannungen 2003 zu einem bis heute andauernden Konflikt zwischen Rebellen und den nigerianischen Streitkräften. Durch Sabotage legen Milizen regelmäßig Pipelines lahm oder zapfen illegal Erdöl ab. Des Weiteren erpressen sie Lösegelder durch Anschläge oder Entführungen. Leidtragende dieser lokalen Konflikte sind in erster Linie die Zivilbevölkerungen. Den Menschen bleibt am Ende nur die Wahl zwischen einer Anstellung in der Erdölindustrie, der Rebellion gegen (ausländische) Konzerne, einem Leben in Armut oder der Flucht aus der Heimat. Erste Anlaufstelle bei einer Flucht sind Nachbarstaaten, wo meist ebenfalls hoher sozialer Druck herrscht.

Antreiber umfassender Unsicherheit

Die fortschreitende Umweltzerstörung heizt den Klimawandel weiter an. Sie erfolgt oft im Zusammenhang mit der Gewinnung von Rohstoffen wie Metallen oder Erdöl. Den größten Rohstoffhunger weisen die USA, Europa und China, aber auch aufstrebende Ökonomien wie Indien oder das auf Kriegswirtschaft umgestellte Russland auf. Von den Folgen der Umweltschäden und der Klimakrise sind vor allem Länder in Afrika betroffen. Aufgrund ihrer meist schwachen Ökonomien stehen ihnen kaum finanzielle Mittel für Klimaanpassungen und Katstrophenvorsorge zur Verfügung. Da die Lebensgrundlagen von Millionen Menschen bedroht sind, ist es nicht verwunderlich, dass soziale Spannungen und politische Konflikte zunehmen. Hinzu kommen Vertreibungen in fragilen Staaten infolge von „Ressourcen-Kriegen“ zwischen Rebellengruppen und Regierungen. Kaum ein Kontinent ist so stark von inneren Konflikten und Bürgerkriegen betroffen wie Afrika.

Die Perspektivlosigkeit im eigenen Land treibt vor allem junge Menschen in die Flucht. Auch wenn die meisten (noch) innerhalb des eigenen Landes oder afrikanischen Kontinents flüchten, so nehmen die illegalen Grenzübertritte nach Europa zu. Dies geschieht vor allem über die Mittelmeer-Route, die als die gefährlichste Flüchtlingsroute der Welt gilt. Weil sich die Grenzsicherung hier besonders schwierig gestaltet, setzt das die Europäische Union mit Blick auf den Schutz ihrer äußeren Sicherheit unter starkem Druck. Die Verteilung einer stetig wachsenden Anzahl an Geflüchteten wiederum erhöht zum einen die Spannungen zwischen den Mitgliedstaaten. Des Weiteren stellt sie auch eine große Herausforderung für die innere Sicherheit der EU-Länder dar, da ein großer Zustrom an Geflüchteten Polizei und Behörden unter starkem Zugzwang stellt. Der „worst case“ wäre ein staatlicher Kontrollverlust oder der Eindruck eines solchen gegenüber den eigenen Bevölkerungen. Die Folgen wären die Zunahme an politischen Streitigkeiten in den europäischen Gesellschaften und Gewinnzuwächse migrationsfeindlicher Parteien. Solche destabilisierenden Entwicklungen in Europa kommen den Systemrivalen Russland und China, die sich parallel immer mehr militärisch und wirtschaftlich in Afrika engagieren, sehr gelegen.

Geflüchtete aus Afrika nehmen vor allem die gefährliche Mittelmeer-Route. (Foto: Irish Defence Forces via Wikimedia Commons)

Migrationsabkommen können Fluchtbewegungen abflachen lassen, tragen aber nicht nachhaltig zur Bekämpfung von Fluchtursachen bei. Zudem funktionieren sie nur mit stabilen Staaten. Beispiele hierfür sind die letztjährigen Abkommen von Deutschland mit Marokko und der EU mit Ägypten. Beide Staaten stellen aber in erster Linie Transitländer dar. Des Weiteren befindet sich das derzeit wichtigste afrikanische Transitland Libyen seit Jahren in einem Dauerkonflikt, ebenso wie Nigeria, der Südsudan und die Demokratische Republik Kongo. Insgesamt weist Afrika den höchsten Anteil an fragilen und gescheiterten Staaten in der Welt auf. Solange Natur und Lebensräume aus wirtschaftlichen Gründen weiterhin zerstört werden, werden im globalen Süden Naturkatastrophen und lokale Konflikte zunehmen – und sich Millionen Menschen aufgrund von Perspektivlosigkeit auch in Bewegung Richtung Europa setzen.

 

Literaturtipps:

 


Dieser Beitrag stammt aus den SiPol-News des Sachgebietes Sicherheitspolitische Arbeit. Die SiPol-News können Sie hier abonnieren
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