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Ve­te­ra­nen Ge­sicht und Stim­me geben




Roman Bracht bei der Ar­beit hin­ter der Ka­me­ra - hier mit Bern­hard Dre­scher, Vor­sit­zen­der vom Bund deut­scher Ein­satz­Ve­te­ra­nen.

Foto: pri­vat

ve­te­ra­nen

Mehr als 400.000 Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten der Bun­des­wehr sind bis­her in Aus­lands­ein­sät­zen ge­we­sen. Viele von ihnen sam­meln dabei Ein­drü­cke, die sie nicht mehr los­las­sen. Für ei­ni­ge be­deu­ten see­li­sche und kör­per­li­che Ver­let­zun­gen le­bens­lan­ge Be­ein­träch­ti­gun­gen. Roman Bracht ist Wer­be­fo­to­graf und ehe­ma­li­ger Sol­dat auf Zeit. Mit sei­nem Kunst­pro­jekt „80mm“ möch­te er den Ve­te­ra­nin­nen und Ve­te­ra­nen Ge­sicht und Stim­me geben, um sie in der Ge­sell­schaft sicht­ba­rer zu ma­chen. Zen­tra­les Stück von Brachts Pro­jekt ist ein Buch.

Roman Bracht ist 38 Jahre alt. Er lebt in Köln. Dass er sich mit dem Thema Ve­te­ra­nen be­schäf­tigt, kommt nicht von un­ge­fähr. Von 2008 bis 2017 war er Sol­dat der Bun­des­wehr. Als Pan­zer­gre­na­dier be­kommt er die Grund­la­gen des in­fan­te­ris­ti­schen Kamp­fes ver­mit­telt. Er er­hält eine Aus­bil­dung zum Scharf­schüt­zen, lernt das Pan­zer­ab­wehr­ra­ke­ten­sys­tem Milan zu be­die­nen. Dann geht es für den ers­ten Aus­lands­ein­satz in die Vor­be­rei­tung. In die­ser Zeit be­ginnt er an dem zu Zwei­feln, was er tut: „Ich habe über ein Jahr ge­lernt, wie ich aus si­che­rer Ent­fer­nung ein Ziel ver­nich­te, das hat etwas mit mir ge­macht.“ Letzt­end­lich führ­ten je­doch fa­mi­liä­re Grün­de zu einer Ver­set­zung. Der Aus­lands­ein­satz war damit für Bracht passé. Seine Ka­me­ra­den haben kein Pro­blem damit. Aber Bracht selbst macht sich Druck: „Das war für mich keine ein­fa­che Zeit“, sagt er. „Ich hatte das Ge­fühl, meine Leute im Stich zu las­sen.“

Die Idee zum Buch

„Das Ka­pi­tel war für mich damit nicht ab­ge­schlos­sen“, er­zählt Bracht. Er sucht Kon­takt zu alten Ka­me­ra­den, will er­fah­ren, wie der Aus­lands­ein­satz war. Zu­fäl­lig wird sein ehe­ma­li­ger Zug in Af­gha­ni­stan für ei­ni­ge Zeit von einem Ka­me­ra­team des öf­fent­lich-recht­li­chen Rund­funks be­glei­tet. Es ent­steht die Do­ku­men­ta­ti­on „Fox­trott 4: Sechs Mo­na­te in Af­gha­ni­stan“. „Ich konn­te ziem­lich genau sehen, was mich er­war­tet hätte“, sagt Bracht.

Noch wäh­rend er bei der Bun­des­wehr ist, lernt er einen trau­ma­ti­sier­ten Ein­satz­ve­te­ra­nen ken­nen. Die An­zahl der Ta­blet­ten, die der 25-jäh­ri­ge Sol­dat zu sich neh­men muss, um schla­fen zu kön­nen, macht Bracht be­trof­fen. „Man kann viel über das Thema lesen, aber eine per­sön­li­che Be­geg­nung ist etwas ganz an­de­res.“ Er wird aktiv. „Ich wuss­te, ich kann un­ter­stüt­zen, indem ich für Auf­klä­rung sorge. Diese Be­geg­nung woll­te ich nach­stel­len.“ Damit war die Idee zu 80mm ge­bo­ren.

Der Mensch hin­ter der Uni­form

An die Prot­ago­nis­ten sei­nes Bu­ches ge­langt Bracht über per­sön­li­che Kon­tak­te. Auch der Bund Deut­scher Ein­satz­Ve­te­ra­nen ver­mit­telt ihm Ge­sprächs­part­ne­rin­nen und -part­ner. Ab­ge­wie­sen wird nie­mand. „Für mich stand fest, dass jede Per­son, die mit­ma­chen möch­te, auch in das Buch kommt, bis keine Sei­ten mehr frei sind“, sagt Bracht. „Ich woll­te mir nicht an­ma­ßen, Schick­sa­le zu be­wer­ten.“ Alle Per­so­nen im Buch haben aus ei­ge­ner Über­zeu­gung an Brachts Pro­jekt mit­ge­wirkt. Über­re­den woll­te er nie­man­den.

Das Buch wid­met jeder Per­son ei­ni­ge Fo­to­gra­fi­en, bei denen es sich in der Regel – aber nicht nur – um Por­trät­auf­nah­men han­delt. Die­sen wird ein In­ter­view anbei ge­stellt. Um das Ma­te­ri­al zu sam­meln, hat Bracht jede Ve­te­ra­nin und jeden Ve­te­ra­nen per­sön­lich ge­trof­fen. Das Auf­ein­an­der­tref­fen folg­te einem Sche­ma. Erst führ­te Bracht das In­ter­view. Die Fra­gen ar­bei­tet er unter an­de­rem mit Hilfe eines evan­ge­li­schen Mi­li­tär­pfar­rers aus. Sie ori­en­tie­ren sich daran, was viele Zi­vi­lis­ten Sol­da­ten fra­gen: „Was hat dich dazu be­wo­gen, Sol­da­tin zu wer­den?“ „Hast du dir vor­her Ge­dan­ken ge­macht, was pas­sie­ren könn­te?“ „War der Ein­satz für dich sinn­voll?“ Die Ant­wor­ten, die er be­kommt, sind ehr­lich, hart, un­be­quem. Scho­nungs­los ge­gen­über Bun­des­wehr, Po­li­tik und Ge­sell­schaft.

Das Buch „80mm“ von Roman Bracht (Foto: pri­vat)

Brenn­wei­te: 80mm

Die Fo­to­gra­fi­en ent­ste­hen spon­tan. „Erst nach dem Ende un­se­res Ge­sprä­ches habe ich mir Ge­dan­ken um die Auf­nah­men ge­macht. Ganz be­wusst woll­te ich das aus dem Bauch her­aus ma­chen – so wie je­mand, der das Buch liest, auch die­sen Leu­ten be­geg­net. Men­schen kann man kei­nem künst­le­ri­schen Kon­zept un­ter­ord­nen. Das ein­zi­ge, was bei allen gleich ist, ist das Ob­jek­tiv: 80mm“, sagt Bracht. Im Mit­tel­for­mat ent­spre­che die Brenn­wei­te damit dem Sicht­feld der mensch­li­chen Augen. „Das ist ein ver­steck­ter Wink mit dem Zaun­pfahl. Leute, be­geg­net den Ve­te­ra­nin­nen und Ve­te­ra­nen als Men­schen!“, be­grün­det er den Zu­sam­men­hang.

Die Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten haben auf Bracht Ein­druck ge­macht. Er spricht von „ge­rad­li­ni­gen Men­schen“, wenn er von ihnen er­zählt. Sie hät­ten sich vor der Ka­me­ra völ­lig na­tür­lich ge­ge­ben. Es ge­lingt Bracht, diese Au­then­ti­zi­tät mit sei­nen Fotos fest­zu­hal­ten. Deren Be­trach­tung wird da­durch zu einer sehr per­sön­li­chen Be­geg­nung mit den Ve­te­ra­nin­nen und Ve­te­ra­nen. „In der Kunst sitzt rich­tig viel Kraft und da sehe ich auch die Sinn­haf­tig­keit sol­cher Pro­jek­te. Man kann damit auf Dinge zei­gen und zum Den­ken an­re­gen“, sagt er mit Schwung in der Stim­me. Man merkt, dass ihm das Thema ein per­sön­li­ches An­lie­gen ist. Bracht macht sich mit sei­nem Pro­jekt die Zu­gäng­lich­keit von Bild­mo­ti­ven zu Nutze: „Der Vor­teil von Fotos ist, dass sie einen leich­ten Ein­stieg ins Thema bie­ten. Die ‚Zi­vi­lis­ten‘ wer­den nicht di­rekt er­schla­gen.“ Es ge­lingt ihm so den The­men­kom­plex von Aus­lands­ein­sät­zen und Kriegs­ver­sehrt­heit, der in Po­li­tik und Pres­se häu­fig auf einer sehr abs­trak­ten Ebene be­han­delt wird, kon­kret auf einen Men­schen zu be­zie­hen.

Vor­ur­tei­le ab­bau­en, Ver­ständ­nis schaf­fen

Was mo­ti­viert Roman Bracht zu sei­ner eh­ren­amt­li­chen Ar­beit? „Mir ging ge­hö­rig auf den Keks, wie groß die Vor­ur­tei­le sind und wie wenig diese mit der Rea­li­tät zu tun haben. Ich bin der Über­zeu­gung, dass jeder, der sich mit den von mir por­trä­tier­ten Per­so­nen be­schäf­tigt, seine Vor­ur­tei­le über­denkt“, sagt er mit Nach­druck. Er möch­te auch die­je­ni­gen Per­so­nen­krei­se er­rei­chen, die der Bun­des­swehr grund­sätz­lich ab­leh­nend ge­gen­über­ste­hen. „Ich mache das Buch auch, um den Ein­satz­ve­te­ra­nin­nen und -ve­te­ra­nen mei­nen Dank aus­zu­spre­chen: Ihr wart für an­de­re da!“ Diese Wert­schät­zung lie­ßen weite Teile der Be­völ­ke­rung ver­mis­sen. „Das Thema wird ver­drängt. Ich wün­sche mir einen ge­sell­schaft­li­chen Kon­sens, wo­nach Ve­te­ra­nin­nen und Ve­te­ra­nen re­spekt­voll be­han­delt wer­den“, sagt Bracht. Es geht um Re­spekt ge­gen­über dem Men­schen und die An­er­ken­nung der per­sön­li­chen Leis­tun­gen im Ein­satz. Bracht lädt alle dazu ein, sich mit Hilfe des Bu­ches dem Thema zu nä­hern. Erste Er­fah­run­gen, die er ge­macht hat, zei­gen, dass sein Buch den ge­wünsch­ten Ef­fekt er­zielt. Er möch­te nun einen zwei­ten Band auf­le­gen. Dies­mal soll es darum gehen, Sol­da­tin­nen und Sol­da­ten Ge­sicht und Stim­me zu geben, wäh­rend sie im Aus­lands­ein­satz ste­hen. Bis­lang fehlt ihm dafür je­doch noch der nö­ti­ge Kon­takt zum Ein­satz­füh­rungs­kom­man­do in Pots­dam.

Ver­ein für Ve­te­ra­nen­kul­tur

Bracht möch­te die Ge­sell­schaft ver­än­dern, einen Wan­del be­wir­ken. Das Buch­pro­jekt ist erst der An­fang sei­nes En­ga­ge­ments sein. Im No­vem­ber 2019 grün­de­te er mit Gleich­ge­sinn­ten den Ver­ein „Ve­te­ra­nen­kul­tur e.V.“ in Köln. Mitt­ler­wei­le zählt die­ser zwölf Mit­glie­der. Sie wol­len dran blei­ben und wei­ter für das Thema sen­si­bi­li­sie­ren. Bracht sagt: „Wir wol­len Brü­cken bauen, zu dem Teil der Ge­sell­schaft, der dem Thema ge­gen­über ne­ga­tiv ein­ge­stellt ist. Alle sind ein­ge­la­den, sich zu be­tei­li­gen!“

Roman Bracht: 80mm. Ein­satz­ve­te­ra­nen der Bun­des­wehr. 158 Sei­ten. Ge­bun­den. Preis: 20 Euro.
ISBN: 978-3-00-064266-1. Zu be­zie­hen über: info@​vet​eran​enku​ltur.​de

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