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Veteranen treffen auf Pazifisten: Gemeinsamkeiten statt Gegensätze




Wolf Gregis bei seiner Lesung in Köln. Der Autor diente 2008/2009 in Mazar-e-Sharif und Kabul. Im vergangenen Jahr veröffentlichte er seinen Roman Sandseele. Als einziger deutscher Afghanistanroman beruht er auf wahren Begebenheiten und authentischen Erfahrungen, die der Autor als Soldat im Auslandseinsatz am Hindukusch sammelte.

Foto: Benjamin Vorhölter

Andreas Eggert vom Bund Deutscher EinsatzVeteranen (M.) sagte bei der anschließenden Diskussion: „Uns geht es nicht darum, beklatscht zu werden. Wir wollen wahrgenommen werden."

Foto: Roman Bracht

veteranen

Gegensätze ziehen sich an. Das hätte man sich mit einem Blick auf den Veranstaltungs-Flyer denken können. Der Verein Veteranenkultur hatte zu einer Lesung mit anschließender Diskussion zum Thema „Dank des Vaterlandes“ in die Martin-Luther-Kirche in der Kölner Südstadt eingeladen – und zwar zusammen mit dem Friedensbildungswerk Köln und der Deutschen Friedensgesellschaft Köln. An diesem Abend saßen sich ehemalige Bundeswehr-Soldaten und Veteranen sowie Pazifistinnen und Pazifisten gegenüber. Anstelle von Gegensätzen förderte die Begegnung erstaunlich viele Gemeinsamkeiten zutage.

Ausgangspunkt für die Diskussion war der Roman „Sandseele“ von Wolf Gregis. Der wissenschaftliche Mitarbeiter an der Universität Rostock las Passagen aus seinem Debütroman. Das Buch beruht auf wahren Begebenheiten. Gregis verarbeitet darin seine Erlebnisse, als er während seiner Zeit bei der Bundeswehr 2008 bis 2009 in einem Auslandseinsatz in Afghanistan war. Gregis beleuchtete mit den Auszügen aus seinem Buch drei Aspekte heraus: Erstens die Beziehung zwischen Veteranen und der allgemeinen Öffentlichkeit, das Verhältnis zwischen Veteranen und der politischen Führung der Bundeswehr und die Frage danach, welche Verantwortung Veteranen selbst tragen.

Was habe ich da eigentlich gemacht?

Zusammen mit Hans Mörtter, Pfarrer der evangelischen Lutherkirche, stieg Gregis in die Diskussion ein. Der ehemalige Bundeswehr-Offizier berichtete, dass der Abzug der Bundeswehr aus Afghanistan eine hochemotionale Sache für viele Veteranen sei. „Da ist emotional sehr viel hochgekommen“, sagte Wolf Gregis. Es habe sich eine Sehnsucht nach Anerkennung aufgestaut. Viele Veteranen seien dabei auf der Suche nach Antworten auf die Fragen: Was habe ich da eigentlich gemacht und für wen? Wertschätzung gebe es nicht, meldete sich ein Teilnehmer der Veranstaltung, als Pfarrer Mörtter das Mikrofon durch die Reihen reichte. Man werde oft belächelt, wenn man über seine Zeit als Soldat oder im Auslandseinsatz spreche, schilderte der Veteran und fügte hinzu: „Es fehlt oft das Verständnis und das Interesse, nachzufragen. Es fühlt sich manchmal so an, als würde man nicht existieren.“

Eine Vertreterin der Friedensgesellschaft stellte daraufhin eine grundsätzliche Frage: „Wie kann man überhaupt mit der Waffe in der Hand Frieden stiften?“ Sie drückte damit auch ihr Unverständnis für die Motivation aus, die viele junge Menschen dazu bewegt, in die Streitkräfte einzutreten. Pfarrer Mörtter erkannte an, dass die Frage nach dem Sinn und Zweck einer Armee berechtigt sei, allerdings für diesen Abend zu weit führen würde. Der russische Überfall auf die Ukraine zeige aus seiner Sicht, sehr gut, wozu ein Land Streitkräfte benötige, wie man in der Ukraine sieht: zur Landesverteidigung. Er sei Pazifist und Realist, bekannte Mörtter. „Wenn wir einen gesellschaftlichen Konsens haben, der besagt, dass wir die Bundeswehr brauchen, muss die Gesellschaft auch zu den Menschen stehen. Eine ablehnende Haltung ist dann nicht ehrlich“, sagte der Pfarrer.

Diskrepanz zwischen Politik und Truppe

Man müsse den politischen Einsatz vom Menschen trennen, warf Wolf Gregis ein und erzählte über seine persönlichen Motive, warum er in den Dienst der Bundeswehr getreten ist: „Das waren jetzt nicht hochtrabende Ideale wie ‚die Freiheit der Bundesrepublik Deutschland am Hindukusch verteidigen‘. Nein, mein Vater war Soldat und ich wollte Panzer fahren.“ Dem einzelnen Soldaten oder der einzelnen Soldatin stelle sich die Frage nicht, ob ein Einsatz wie der in Afghanistan sinnvoll sei. Man könne im Kleinen trotzdem etwas bewirken, wodrauf man stolz sein könne. Allerdings werden solche Taten oft von der politischen Führung übersehen oder zu wenig gewürdigt. Diese Diskrepanz zwischen der politischen Führung und der Realität in der Truppe sei häufiger zu beobachten gewesen. Solchen Widersprüchen versucht die Bundeswehr mit dem Konzept der Inneren Führung zu begegnen. „Man vertritt eine politische Linie, muss aber gleichzeitig Mensch bleiben. Oder man weiß, dass man im Einsatz im schlimmsten Fall auf eine andere Person schießen muss und muss dabei auch Mensch bleiben. Das ist ein Spannungsfeld, das schwer aufzulösen ist“, erläuterte Wolf Gregis.

Hans Mörtter, Pfarrer der evangelischen Lutherkirche in der Kölner Südstadt, moderierte den Austausch. (Foto: Roman Bracht)

Einige Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus der Deutschen Friedensgesellschaft Köln hörten aufmerksam zu. Eine Zuhörerin stimmte zu: Es gebe große Widersprüche und für junge Menschen sei es unmöglich, die politischen Zusammenhänge zu durchschauen. „Die Soldaten müssen die Lage verstehen können, mit all ihren Konsequenzen. Deshalb wäre es wünschenswert, wenn in der Bundeswehr nur noch Menschen mit mehr Lebenserfahrung zum Dienst einstellt“, argumentierte die Teilnehmerin. Es könne nicht sein, dass die Bundeswehr junge Erwachsene, die gerade aus der Schule kommen, anwerbe. Diese jungen Leute können die Gefahren wie Tod und (seelische) Verwundung nicht richtig einschätzen. „Wir müssen mehr vor den Kasernen protestieren“, lautete eine Schlussfolgerung der Teilnehmerin aber auch gleichzeitig: „Wir müssen über die Schattenseiten des Soldatenberufes intensiver zu informieren und aufklären.“

Austausch fördert Verständnis

In puncto mehr Information und Aufklärung lagen Meinungen der Pazifistinnen und Pazifisten den Ansichten der Veteranen weitgehend übereinander. Denn wer könnte glaubwürdiger von den Aufgaben der Bundeswehr, den Erfahrungen aus einem Auslandseinsatz und von den Folgen wie körperliche und seelische Beeinträchtigungen berichten als Veteranen. Ob an der Schule oder in einem anderen Format – Erfahrungen mit jungen Menschen teilen, damit sie wissen, worauf sie sich einlassen, hielt Wolf Gregis für eine wunderbare Idee. Der gegenseitige Austausch fördert das Verständnis. „Wir müssen aus unseren Nischen heraus“, bekräftigte auch Pfarrer Mörtter.

Für einige Veteranen wäre vielleicht auch ein solcher gegenseitiger Austausch aus anderer Sicht hilfreich. Wolf Gregis berichtete von der Tendenz, des „Sich-Unsichtbar-Machens“ des „Nicht-zur -Last-fallen-Wollens“. Einsamkeit gebe es nicht nur unter ehemaligen Einsatzsoldatinnen und – soldaten, sondern sei eine Herausforderung für die gesamte Gesellschaft. „Wir müssen gegenseitig ins Gespräch kommen und den Dialog fördern“, sagte Gregis.

„Wir wollen nicht beklatscht werden – nur wahrgenommen“

Das hatte die Veranstaltung zum Ziel. So referierte Roland Schüler vom Friedensbildungswerk über den Umgang mit Veteranen im Ersten und Zweiten Weltkrieg. Er bezog sich dabei auf das Werk „Dank des Vaterlandes“ von Christoph Regulski und arbeitete eine interessante Erkenntnis heraus: Nach dem Ersten Weltkrieg lebten viele Veteranen öffentlich abgeschirmt in Nervenheilanstalten. Es gab damals viele aus heutiger Sicht abschätzig bezeichnete Kriegskrüppel und Kriegszitterer. Die Weimarer Republik war überfordert damit, die Kosten für die Versorgung dieser Kriegsversehrten zu tragen. Der „Dank des Vaterlandes“ betrug zu dieser Zeit läppische 86,70 Reichsmark. Die Versehrten lebte am Existenzminium mit einer schlechten Pension und ohne nennenswerte Versorgung. Die Situation verschärfte sich während der Wirtschaftskrise Ende der 1920er Jahre. Viele Kriegsveteranen wurden empfänglich für radikale politische Strömungen. Mit diesem Befund verband Roland Schüler eine Mahnung. Wenn man sich nicht der gesellschaftlichen Probleme annehme, könnte dies Folgen für die Demokratie haben.

Zum Glück hat sich für ehemalige Einsatzsoldaten im Bereich Versorgung in den vergangenen Jahren eine Menge getan. Wünschenswert wäre nur, etwas mehr Verständnis und Wertschätzung für Soldatinnen und Soldaten aufzubringen. Andreas Eggert vom Bund Deutscher EinsatzVeteranen brachte es auf den Punkt: „Uns geht es nicht darum, beklatscht zu werden. Wir wollen wahrgenommen werden. Wir sind circa 400.000 Einsatzveteranen in Deutschland und es gibt zum Beispiel immer noch Arbeitgeber, die deren Potenzial nicht kennen und nicht nutzen.“

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