Vom „Badegast“ zum Schiffsarzt auf der „Rheinland-Pfalz“
Marine, das war der große Jugendtraum von Professor Dr. Christian Brülls. Nun endlich, 20 Jahre nach seinem Grundwehrdienst beim Heer, tauscht der Geschäftsführende Oberarzt vom Uniklinikum Aachen seinen weißen Arztkittel gegen den dunkelblauen Dienstanzug der Marine. In wenigen Tagen reist er für einen Reservistendienst nach Wilhelmshaven.
Dort warten die Fregatte „Rheinland-Pfalz“, die Echo-Besatzung F-125 von Kommandant Fregattenkapitän Dr. Jansen und neue Aufgaben auf ihn. Einige Tage zuvor telefonieren Fregattenkapitän Dr. Jansen, Schiffsärztin Oberstabsarzt Monika Lehner und Brülls miteinander. Thema ist der anstehende Reservistendienst an Bord der „Rheinland-Pfalz“. Und dann war es endlich soweit: „Ich sah eine riesige graue Bordwand mit der Kennung ‚F225‘ in weiß über mir, dazu das Schwappen der Wellen am Schwimmkai, eine salzige Brise Meeresluft, was für ein Gefühl – Marine!“, schwärmt Brülls.
Bis zu seiner Bewerbung für die Laufbahn als Sanitätsoffizier der Reserve gab es eine lange Bundeswehr-Pause. Denn Brülls wurde am 1. Juli 1999 zum Grundwehrdienst einberufen, allerdings beim Heer. Dort wurde er zum Sanitätssoldaten ausgebildet. „Hätte ich die Wahl gehabt, wäre ich damals schon zur Marine gegangen. Aber die Chance bekam ich nicht. Auch der Spieß meiner damaligen Stammeinheit hat sich nicht erweichen lassen“, erinnert er sich. Stattdessen wurde Brülls Arztschreiber im damaligen Standortssanitätszentrum in Aachen. „Daran denke ich dennoch gern zurück, denn das war mein erster Medizinunterricht“, erinnert er sich. Dort habe er viel für sein späteres Medizinstudium von einem engagierten Stabsarzt gelernt.
Oberarzt, Hochschullehrer, Reservist
Brülls hat inzwischen schon einiges in seinem Leben erreicht. Er ist Facharzt für Anästhesiologie, Geschäftsführender Oberarzt der Klinik für Anästhesiologie am Universitätsklinikum der Rheinisch-Westfälischen Technischen Hochschule (RWTH) in Aachen, Hochschullehrer und qualifiziert für Intensiv- und Notfallmedizin. Seit neustem kommt für den dreifachen Vater noch der Dienstgrad Flottillenarzt hinzu. Wie es sich gehört, war es eine Ernennung auf See: „Mit beherztem Schulterschlag hat mich der Kommandant der ‚Rheinland-Pfalz‘ in der Offiziersmesse befördert“, sagt Brülls bewegt.
Auf die Frage wo er denn seinen Reservistendienst als Sanitätsoffizier der Reserve verrichten möchte, gab es für Brülls immer nur eine Antwort: „Marine, an Bord einer Fregatte!“ So ähnlich habe er seinen Wunsch auch Flottillenarzt Ingo Buchholz, dem Leiter des Sanitätsdienstes der Einsatzflottille 2, bei einem der ersten telefonischen Kennenlern-Gespräche vorgetragen, so Brülls. Die Faszination für die Marine habe er bereits als Jugendlicher gehabt: „Mit 15 hatte ich einen ersten Revell-Modellbausatz von der Bremen-Klasse“, erinnert sich der Anästhesist.
Nun ist sein Traum endlich wahr geworden: Dienst an Bord einer Fregatte als angehender Schiffsarzt. Zum allerersten Dienstantritt habe er sich beim Kommandanten als Obergefreiter gemeldet. Da sei er noch der „Badegast“ gewesen, schildert Brülls leicht ironisch. Als „Badegast“ bezeichnet man die Gäste an Bord eines Schiffes. Für die Besonderheiten der medizinischen Versorgung und um ihn in die maritimen Gepflogenheiten an Bord einzuweihen, stand ihm Frau Oberstabsarzt Lehner zur Seite und nahm ihn – als erfahrene Schiffsärztin – unter ihre Fittiche.
Dienst an Bord und Weiterbildung mit Simulations-Tool
„So manches lerne ich dazu, umgekehrt habe ich einiges im Gepäck für die medizinische Weiterbildung“, so Flottillenarzt Brülls. Bei seinem ersten Dienst an Bord musste er sich mit jeder Menge militärischer Ausrüstung und Besonderheiten vertraut machen. Der Behandlungsraum eines Schiffsarztes ist weit mehr als nur eine schwimmende Hausarztpraxis. Es ist gleichzeitig der Notarztstützpunt, ein schwankendes Operationszentrum und, bei Bedarf, die Quarantänestation. Andererseits gehört zum Dienst an Bord einer Fregatte nicht nur die medizinische Fachtätigkeit. Das zeigt sich beispielsweise bei einer Feueralarmübung. „Dabei muss die ganze Schiffsbesatzung als Einheit funktionieren. Die Handgriffe und Aufgaben müssen sitzen, jeder muss seine Rolle kennen, auch der Schiffsarzt. Aber eben das macht diesen Job so spannend“, sagt Brülls.
Vor allem möchte der Flottillenarzt aber seinen aktiven Kameradinnen und Kameraden auch etwas zurückgeben. Gemeint ist damit der zivil-militärische Austausch, den ein Reservist mit in die Truppe bringt. Hierfür hat Brülls beispielsweise bei seinem letzten Dienst an Bord ein Patienten-Simulationstool vorgestellt. Damit könne man mit einem Tablet die Körperreaktionen eines Patienten während einer Behandlung simulieren, beispielsweise das EKG-Bild. „Der behandelnde Arzt sieht auf diese Weise die Auswirkungen seiner Behandlung auf den Patienten.“
Die Tage an Bord vergehen viel zu schnell. Am Abend tauschte sich Brülls noch mit der Schiffsbesatzung der Fregatte „Rheinland-Pfalz“ über ihren Dienst an Bord aus. Am nächsten Tag muss er schon wieder zurück nach Aachen. Bis Ende April hängt die Uniform im Schrank. Dann wird es den frischgebackenen Flottillenarzt nach München verschlagen. Dort wird er seinen Lehrgang zum Sanitätsoffizier der Reserve absolvieren. Bis zum Abschluss der Ausbildung führt er den Dienstgrad Flottillenarzt erst einmal vorläufig.