Zwanzig Jahre lang lebte Christoph Klawitter in Afghanistan. Beim Kaminabend der Landesgruppe Schleswig-Holstein sprach er über sein Wirken und über seine Eindrücke. Bis zum Abzug der westlichen Truppen im Sommer 2021 war er im Land tätig. „Ich bin bis zum Ende in Afghanistan geblieben, weil ich das Gefühl hatte, helfen zu müssen aufgrund meiner langjährigen Erfahrung vor Ort und meiner Sprachkenntnisse“, sagte Klawitter. Als Contractor arbeitete er für die deutsche Botschaft, für die Bundeswehr, für verschiedene Hilfsorganisationen und für US-Militärs, in dem er für sie Transporte von der Kinderkleidung bis zum Panzer organisierte. Darüber hinaus leitete er auch das Camp Qasada der Bundeswehr in Kabul. „Oft waren es Projekte, die viel Geld gekostet haben, aber nach ein oder zwei Jahren wieder eingestellt wurden.“
Eine seiner frühen Aufgaben war die Beschaffung von Uniformen für die afghanische Armee im Jahr 2014. Für 94 Millionen US-Dollar wurden die neuen Uniformen über das amerikanische Verteidigungsministerium bestellt. Dafür vernichteten die Afghanen die zwar neuen, aber nicht mehr aktuellen Uniformen für nochmals 17 Millionen US-Dollar. „Die westlichen Länder haben sich immer wieder auf neue Projekte eingelassen, was mir bis heute schleierhaft ist. Man hätte auch sagen können: ‚Das, was vor Ort ist, bekommt ihr und mehr nicht‘“, berichtete Klawitter und äußerte dabei sein Unverständnis für die seiner Ansicht nach viel zu hohen Ausgaben. Während seines Vortrags erzählte der 49-Jährige auch vom alltäglichen Leben in Afghanistan: durchschossene Autotüren, zerstochene Autoreifen, zerstörte Fensterscheiben. „So sieht ein Auto aus, dass am Checkpoint nicht den Forderungen der Taliban nachgekommen ist. Aber davon wollten sie in den Behörden in Berlin, Brüssel oder Washington nichts hören.“
Besonders in Erinnerung geblieben sind ihm jedoch die letzten elf Tage vor dem endgültigen Abzug der westlichen Truppen. Als er am 16. August 2021 um sechs Uhr morgens wach wurde, wackelte der Boden seines Wohncontainers am Flughafen in Kabul. Klawitter dachte zunächst an ein Erdbeben, aber beim Blick von seiner Containerhaustür auf den Flughafen stockte ihm der Atem: Tausende Menschen stürmten den zivilen Teil des Flughafens und versuchten, auf den militärischen Teil zu gelangen. Von diesem Tag an bis zum Abflug der letzten Maschine am 26. August gaben die Taliban ununterbrochen Schüsse ab. „Diesen Dauerbeschuss habe ich noch heute in meinen Ohren. Ich habe in all den Jahren Anschläge und Gefechte erlebt. Aber diese Menge an toten Erwachsenen und Kindern zusammen mit dem widerlichen Gestank werde ich mein Leben lang nie vergessen“, erzählt er sichtlich berührt. „20 Jahre Afghanistan hinterlassen Spuren – auch bei mir.“
Jetzt ist der erfahrene Logistiker in der Ukraine und baut sich dort eine eigene Firma auf. „Aber das ist ein anderes Kapitel. Ich weiß, so ganz normal denke ich nicht“, sagte er zum Ende seines zweistündigen Vortrags. Alle anwesenden Gäste aus Politik, Bundeswehr und Verbänden waren anschließend sehr ergriffen und diskutierten angeregt den Vortrag.