Das Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam hat auch im Jahr 2020 wieder eine Bevölkerungsbefragung durchgeführt. Im Zentrum der Befragung stehen die Themen Außen- und Sicherheitspolitik der Bundesrepublik Deutschland. Konkret wird nach der Einstellung zum sicherheitspolitischen Engagement Deutschlands, der Haltung gegenüber der Bundeswehr, der Meinung zur Höhe der Verteidigungsausgaben, zum Personalumfang der Truppe sowie zu den Aufgabenbereichen und Auslandseinsätzen der Bundeswehr gefragt.
Die Studie wird bereits seit 1996 durchgeführt, weshalb die alljährliche Befragung eine der längsten sicherheits- und verteidigungspolitischen Umfragen in Deutschland darstellt. Die Ergebnisse liefern wissenschaftlich fundierte Erkenntnisse zur Einstellung der Bevölkerung gegenüber der deutschen Sicherheitspolitik und sorgen dadurch für mehr Rückkoppelungseffekte zwischen politischen Entscheidungsträgern und der Bevölkerung und dementsprechend für mehr Transparenz.
Ergebnisse der Befragung
Einstellungen zur Bundeswehr – positiver Trend setzt sich fort
Es lässt sich feststellen, dass die Bundeswehr insgesamt einen guten Ruf in der Bevölkerung genießt. Das Vertrauen in die Bundeswehr hat mit 85 Prozent einen neuen Höchstwert erreicht (5 Prozent Steigerung gegenüber dem Vorjahr). Weiterhin haben 82 Prozent der Befragten eine positive Einstellung zur Bundeswehr, was einen Zuwachs von 6 Prozent entspricht und den höchsten Wert der letzten zehn Jahre darstellt. Bei 58 Prozent der deutschen Bevölkerung genießen die Soldatinnen und Soldaten ein hohes Ansehen (Steigerung von 3 Prozent gegenüber dem Vorjahr). Die Steigerung der Zustimmungswerte ist auch auf die vielfältige Amtshilfe innerhalb der Coronavirus-Pandemie zurückzuführen.
Arbeitgeber Bundeswehr
63 Prozent der Befragten gaben an, dass die Bundeswehr ein attraktiver Arbeitgeber für junge Menschen sei. Mehr als die Hälfte der jüngeren Umfrageteilnehmer (16-29 Jahre) teilt diese Meinung. Viele der Befragten würden Freunden, Bekannten und Verwandten die Streitkräfte als Arbeitgeber empfehlen. Dennoch ist das Image der Bundeswehr als attraktiver Arbeitgeber aber insgesamt nicht gestiegen und verzeichnet 2 Prozent weniger als im Vorjahr.
Auslandseinsätze – geringe Information, Zustimmung zu einzelnen Einsätzen
Das Wissen der Befragten über die Auslandseinsätze der Bundeswehr ist weiterhin ausbaufähig. Eine Mehrheit hat zu den einzelnen Einsätzen zwar etwas gehört oder gelesen, kann aber keine konkreten Fakten nennen. Auch die Bekanntheit der Einsätze ist leicht zurückgegangen. Das subjektive Informationsniveau ist im Vergleich zum Vorjahr nochmals gesunken: Die Hälfte der Befragten fühlt sich grundsätzlich schlecht informiert. Lediglich 16 Prozent gaben an, über die Auslandseinsätze gut informiert zu sein. Zwar zeigt sich, dass die Informationslage der Bürgerinnen und Bürger zwar weiter gesunken ist, die öffentliche Zustimmung zu vielen Auslandseinsätzen im Vergleich zum Vorjahr jedoch gestiegen ist.
Den größten Zuspruch erfahren der EUTM-Einsatz in Mali zur medizinischen Versorgung und Ausbildung malischer Sicherheitskräfte und Sanitäter (51 Prozent), die Operation Sea Guardian zur Seeraumüberwachung im Mittelmeer (49 Prozent), der Atalanta-Einsatz vor der Küste Somalias zur Überwachung der Seegebiete und Eindämmung der Piraterie (44 Prozent), der KFOR-Einsatz im Kosovo zur Stabilisierung der Balkanregion (44 Prozent) und die multinationalen Kampfgruppen im Rahmen der NATO Enhanced Forward Presence in Litauen zur gemeinsamen Ausbildung und Übung (40 Prozent).
Kooperation mit den USA – stärkeres Selbstbewusstsein gefordert
Die Ergebnisse der Befragung deuten nicht auf eine hohe Zustimmung für eine Kooperation mit den USA hin. 75 Prozent der Befragten sind der Auffassung, dass die Bundesrepublik Deutschland seine Interessen gegenüber den USA selbstbewusster vertreten sollte. Nur 29 Prozent sprechen sich dafür aus, dass Deutschland in außenpolitischen Fragen in Übereinstimmung mit den USA handeln sollte.
EU und NATO – starker Zuspruch zur multilateralen Einbindung
Die Ergebnisse der Bevölkerungsbefragung von 2020 sind in Bezug auf die multilaterale Ausrichtung der deutschen Sicherheitspolitik wieder sehr eindeutig. So wird insbesondere der NATO eine große Bedeutung für die Sicherheit beigemessen. 71 Prozent stehen hinter einer NATO-Mitgliedschaft Deutschlands und 60 Prozent sprechen sich dafür aus, sich innerhalb des Bündnisses zu engagieren. Auch die EU-Verteidigungszusammenarbeit wird von einer Mehrheit der Bevölkerung unterstützt. 65 Prozent sind der Auffassung, dass sich die Bundesrepublik sicherheits- und verteidigungspolitisch gemeinsam mit den anderen EU-Staaten engagieren sollte. Weiterhin sprechen sich 66 Prozent für eine gemeinsame Sicherheits- und Verteidigungspolitik der EU aus. Eine relative Mehrheit von 47 Prozent der Befragten befürwortet darüber hinaus den Aufbau einer gemeinsamen europäischen Armee.
Verteidigungsausgaben und bewaffnete Drohnen
Zur Höhe des Verteidigungsetats haben die Befragten auch 2020 wieder eine klare Meinung: 42 Prozent sind für eine Erhöhung des Etats, 40 Prozent stimmen dafür, die Ausgaben gleich zu halten. Nur 12 Prozent wollen eine Verringerung des Verteidigungsbudgets. Hinsichtlich des Aufwuchses der Streitkräfte zeigen sich ähnliche Zahlen: Für eine Erhöhung sprechen sich 42 Prozent aus, 42 Prozent befürworten einen gleichbleibenden Personalumfang der Bundeswehr und 10 Prozent wollen eine Reduzierung. Eine Mehrheit der Befragten spricht sich demnach für einen personellen Aufwuchs der Streitkräfte aus oder für eine Beibehaltung des aktuellen Personalniveaus.
Gestiegen ist die Zustimmung zu bewaffneten Drohnen. Eine relative Mehrheit von 41 Prozent der Befragten vertritt die Auffassung, dass bewaffnete Drohnen zur Ausrüstung der Bundeswehr gehören sollten. Das sind 10 Prozentpunkte mehr als bei der letzten Abfrage im Jahr 2014. Dagegen lehnt ein Viertel der Befragten weiterhin die Ausrüstung mit bewaffneten Drohnen ab.
Bedrohungsperzeption und Sicherheitsgefühl
Eine große Mehrheit der Befragten (72 Prozent) fühlt sich persönlich sicher und auch die Sicherheitslage in Deutschland insgesamt wird mehrheitlich positiv bewertet (65 Prozent). Im starken Kontrast dazu bewerten nur 23 Prozent die weltweite Sicherheitslage als sicher, eine relative Mehrheit (43 Prozent) nimmt sie sogar als unsicher war. Der Corona-Pandemie zum Trotz haben sich die Bewertungen der persönlichen, nationalen und weltweiten Sicherheitslage im Vergleich zum Vorjahr nicht wesentlich verändert. Die Befragten fühlen sich primär durch eine Mischung aus ökologischen, ökonomischen und innenpolitischen Risikofaktoren in ihrer persönlichen Sicherheit bedroht.
Einstellung zu außen- und sicherheitspolitischem Engagement
Eine deutliche Mehrheit der Befragten spricht sich für eine aktive deutsche Außenpolitik aus (58 Prozent). Bei der Wahl der außen- und sicherheitspolitischen Mittel, werden klar die diplomatischen favorisiert. Dennoch werden von einer Mehrheit Ausbildungs- (64 Prozent) und Stabilisierungseinsätze (61 Prozent) der Bundeswehr als legitime Mittel akzeptiert. Damit erfahren Ausbildungs- und Stabilisierungseinsätze der Bundeswehr als Mittel der deutschen Außen- und Sicherheitspolitik inzwischen mehr öffentliche Zustimmung als Wirtschaftssanktionen (57 Prozent).
Quelle: Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr [hrsg.], Sicherheits- und verteidigungspolitisches Meinungsbild in der Bundesrepublik Deutschland. Ergebnisse und Analysen der Bevölkerungsbefragung 2020, Forschungsbericht 128, Potsdam 2020/2021.