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Was tun, ohne viel zu reden – das ist die Härtefallstiftung

„Wir helfen Menschen“, lautet der Slogan der Deutschen Härtefallstiftung. Prägnanter kann man es kaum sagen, denn das ist genau das, was die Stiftung tut: Sie hilft Menschen, genauer: aktiven und ehemaligen Bundeswehrangehörigen und ehemaligen Angehörigen der NVA, ihren Familien und Hinterbliebenen.

Der Vorsitzende der Härtefallstiftung, Oberst a.D. Bernhard Gertz, war von 1993 bis 2008 Vorsitzender des Deutschen Bundeswehrverbandes und hat in dieser Zeit sowohl die Anpassung des Soldatenversorgungsrechts an das veränderte Berufsbild einer Einsatzarmee als auch den Kampf der Radarstrahlengeschädigten um Anerkennung miterlebt und mitgestaltet.

Foto: Nadja Klöpping

betreuungfürsorge

Das geht unbürokratisch und schnell, beschreibt Oberst a.D. Bernhardt Gertz, Vorsitzender der Stiftung, die 2012 von der Bundesrepublik Deutschland zur Untersetzung von Radarstrahlengeschädigten gegründet wurde, deren Stiftungszweck heute aber deutlich weiter gefasst ist: „Damit wir unterstützen, muss nur eine Voraussetzung erfüllt sein: Es muss ein Wehrdienstzusammenhang bestehen. Dabei müssen die Personen selber keine Soldaten sein. Wir unterstützen auch Beamte, Angestellte oder Familienangehörige.“ Auf der Webseite haertefall-stiftung.de füllt man ein Antragsformular aus, das anschießend von den Sozialarbeitern in der Geschäftsstelle geprüft und in eine Vorlage für die Mitglieder des Vergabeausschusses überführt wird. Dieser Fachausschuss erarbeitet eine Beschlussempfehlung, auf deren Grundlage der Vorstand dann entscheidet. Die Empfehlung orientiert sich stets am konkreten Bedarf des Antragstellers: „Es gibt bei der Stiftung keinen Tarif und keine Begrenzung nach oben. Wir geben jedem das, was er tatsächlich braucht. Das können mal 1.000 Euro sein, das können aber auch mal deutlich über 50.000 Euro sein“, so Gertz.

Das ist die Härtefallstiftung in der Theorie. Und praktisch? loyal hatte die Möglichkeit, mit einem ehemaligen Bundeswehrangehörigen zu sprechen, der von der Härtefallstiftung unterstützt wurde. Andreas Röhrig ist ehemaliger Soldat. Der Stabsunteroffizier d.R. war bis 1999 als Soldat auf Zeit und für zwölf Jahre bei der Bundeswehr. Er war 1997 im SFOR-Einsatz in Bosnien und Herzegowina, war beteiligt an der Operation Libelle m albanischen Tirana, bei der unter anderem Deutsche aus Albanien evakuiert wurden. Nach seiner aktiven Dienstzeit kehrte er als Reservist immer wieder zurück in die Truppe, hat weitere vier Auslandseinsätze im Kosovo und in Afghanistan absolviert. „Im Schnitt war ich alle zwei Jahre im Einsatz“, erinnert sich der heute 60-Jährige. „Ich habe in einem Gartencenter gearbeitet und meinem Chef, der selbst Reservist war, kam es entgegen, wenn ich über die Winterpause zur Bundeswehr gegangen bin.“ Das sei eine gute Überbrückung gewesen, aber die Rückkehr in den Alltag sei mit alldem, was er im Einsatz erlebt habe, schon damals jedes Mal schwierig gewesen. Den letzten Einsatz 2009 musste Röhrig dann wegen psychischer Probleme abbrechen.

Als er erzählt, was er in seinen Einsätzen erlebt hat, scheint es aus der Außenperspektive beinahe unmöglich, das alles zu verarbeiten: In Tirana geriet er mit den weiteren Bundeswehrkräften in ein Gefecht, das erste deutscher Bundeswehrsoldaten überhaupt. Der Einsatz belaste ihn bis heute, sagt Röhrig. Und auch aus den folgenden Einsätzen hat er vieles mit nach Hause genommen: Er hat Kameraden beim Absturz eines Hubschraubers verloren, in dem er selbst sitzen sollte, habe tote Kinder gesehen und Massengräber geräumt, erzählt Röhrig. Als er in Afghanistan ist, kommt seine Lebensgefährtin bei einem Unfall ums Leben. Weil sie nicht verheiratet gewesen seien, habe er nicht zur Beerdigung nach Deutschland fliegen dürfen, erzählt Röhrig. Am Ende wird er krank. 2011 wird er erstmals untersucht, doch erst 2016 wird eine PTBS anerkannt, er leidet unter Depressionen. Bis 2020 wird der gelernte Forstwirt im Rahmen des Weiterverwendungsgesetzes weiterbeschäftigt. Doch 2020 ist Schluss. Er wird entlassen, seine Ehe geht in die Brüche. Finanziell ist das für ihn eine Katastrophe: „Ich konnte die Unterhaltszahlungen nicht leisten, hätte beinahe meinen kleinen Hof verloren“, schildert Röhrig.

Ausreichend Mittel für weitere Hilfen sind da

So tragisch diese Geschichte ist, und so sehr sie auch die Schwächen im System Bundeswehr aufdeckt: Röhrigs Geschichte macht auch Hoffnung. Denn sie zeigt, wie in der Not ein ganzes Netzwerk aus Helfern ineinandergreift. Er erhält Unterstützung vom Bund Deutscher Einsatzveteranen, kann darüber an einem Pferdetraining mit dem berühmten Monty Roberts teilnehmen. Eine Therapiehündin begleitet ihn fortan durch den Alltag, sie weckt ihn auf, wenn die Albträume wiederkommen. Über seinen Fallmanager lernt er den Verein Soldatenkinder in Not kennen, die ihm mit finanziell bei der dringend notwendigen Renovierung der Zimmer seiner Kinder unter die Arme greifen. Auch bei den Johannitern findet er Unterstützung. 2020 stellt er den ersten Antrag bei der Härtefallstiftung. „Die haben mir sogar beim Ausfüllen des Antrages geholfen. Das hätte ich sonst gar nicht mehr geschafft zu dem Zeitpunkt. Das allein ist schon eine Hilfe: Zu spüren, dass man nicht ganz alleine ist“.

Zweimal, 2020 und 2022, erhält er auf Antrag finanzielle Hilfen, weil die knappe Rente und das Pflegegeld einfach nicht ausreichen. Um mit der Bundeswehr über eine Erhöhung der 30-prozentigen Wehrdienstbeschädigung zu streiten, fehlt ihm das Geld für den Anwalt. Und wohl auch ein wenig die Kraft. „Es wird darauf hinauslaufen, dass es so bleibt wie es ist“, sagt Röhrig. Doch auch hier habe die Härtefallstiftung inzwischen Unterstützung angeboten. Nach fast zwei Stunden endet das Gespräch mit Andreas Röhrig. Eines ist ihm noch wichtig, zu sagen: „Es gibt bestimmt viele, die sich scheuen, Hilfe zu suchen. Denen möchte ich sagen: Traut euch. Die Härtefallstiftung ist die hilfreichste Organisation, die ich kenne. Denn die tun was, ohne viel zu reden.“

Es hat sich viel getan auf diesem Gebiet

Dass sie künftig noch mehr für in Not geratene Menschen tun können, das hofft auch Bernhard Gertz: „Ich wünsche mir vor allem, dass es der Stiftung gelingt, alle Menschen zu erreichen, die ihrer Hilfe bedürfen. Denn nur wer weiß, dass es uns gibt, kann eine Leistung beantragen.“ Ausreichend Mittel für weitere Hilfe stehen zur Verfügung. Derzeit hat die Stiftung ein jährliches Budget in Höhe von 2,4 Millionen Euro. Und auch über die Einzelfallunterstützung hinaus ist die Härtefallstiftung aktiv: In den vergangenen zwei Jahrzehnten habe sich im Bereich Betreuung und Fürsorge, bei der Versorgung von Geschädigten und der Bundeswehr als Ganzes viel bewegt. Die Bundeswehr habe eben auch einen gewaltigen Lernprozess durchlaufen müssen, sagt Gertz. „Grundsätzlich sind wir auf einem guten Weg, auch Dank des unnachgiebigen Engagements der Interessenorganisation, des Netzwerks der Hilfe und vieler Mitstreiter. Aber es bleibt noch einiges zu tun, insbesondere wenn ich auf die Familienangehörigen von Bundeswehrangehörigen, etwa bei der Berücksichtigung in der Therapie von Einsatzgeschädigten blicke. Hier müssen wir viel ganzheitlicher Denken“, fordert der Vorsitzende.

Damit die Familien und das soziale Umfeld nicht vergessen werden, hat die Härtefallstiftung 2021 das Projekt „Mutmacher – stark für Bundeswehrfamilien“ ins Leben gerufen. Gemeinsam mit Professor Dr. Peter Zimmermann vom Psychotraumazentrum der Bundeswehr werden dort therapiebegleitende Betreuungsmaßnahmen entwickelt, die es in dieser Form noch nicht gibt oder die bisher nicht durch den Dienstgeber Bundeswehr bereitgestellt werden können.

Für mehr Informationen oder zur Antragstellung besuchen Sie die Härtefallstiftung im Internet.


Meilensteine für die Versorgung von Einsatzgeschädigten:

Das Einsatzversorgungsgesetz (2004)
Einsatzversorgungs-Verbesserungsgesetz (2011)
Einsatzweiterverwendungsgesetz (2012)
Einsatzunfallverordnung (2012)
Stichtagsdatierung im Bundeswehr-Attraktivitätssteigerungsgesetz (2015)

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