Wehrdienst in den Achtzigern: Bodybuilding und Buttermilch
In der Reihe "Geschichten aus der Wehrdienstzeit" erinnern sich unsere Mitglieder an die Zeit beim Bund. Kurt Kobler leistete seine 15 Monate in den Jahren 1984 und '85 ab. Als der Dienst eintönig wurde, schwappte gerade die Bodybuilding-Welle aus den USA über den großen Teich...
Ich leistete meinen fünfzehnmonatigen Wehrdienst in den Jahren 1984 und ’85 bei der Luftwaffe. Nach der Grundausbildung in Büdel (Niederlande) wurde ich zum Flugabwehrraketenbataillon 4/24 nach Delmenhorst versetzt. Dort wurde ich dann für den Feuerleitbereich der Nike-Hercules-Flugabwehrraketen zugeteilt.
Abschuss- und Leitbereich lagen einige Kilometer auseinander. Das war dem Umstand geschuldet, dass unsere Leiteinrichtungen einen gewissen Abstand zur startenden Rakete benötigten, um diese zu erfassen und dann zu lenken. Unsere kleine separate Stellung lag inmitten von Feldern und war zu normalen Zeiten mit rund 15 Mann besetzt. Dazu kam dann in der Woche noch der Tagesdienst. Die eigentliche Crew absolvierte zwei Mal 48 Stunden sowie ein Mal 72 Stunden lang Schichtdienst. Dann gab es ein längeres Schichtfrei. Gewisse Überlappungen ergaben sich, aber nach Dienstschluss und am Wochenende war die jeweilige Schicht für sich alleine in dem eingezäunten Areal. Nach der der weiteren Ausbildung zum Operator wurde ich dann einer festen Schicht zugeteilt und man verbrachte die Schicht meisten mit immer den gleichen Kameraden.
Haaatschiiii
An die Ausbildung habe ich keine guten Erinnerungen, die aber damit zusammenhingen, dass es für einen Pollenalergiker nicht besonders hilfreich ist, sich zwischen Wiesen und Getreidefeldern aufzuhalten. Aber auch diese Wochen gingen vorbei und als Gefreiter und nach der Prüfung als fertiger Operator kam ich dann in den normalen Dienstbetrieb hinein. Neben Wach- und Wartungsdienst schlich sich in den eintönigen Schichtdienst auch oft eine gewisse Langweile ein. Es gab nur ein TV-Gerät mit drei Programmen, keine Handys oder Spielkonsolen. Karten- und Brettspiele waren oft die Abendbeschäftigung und wir haben viel gelesen. So kam man – was durchaus positiv war – mit den Kameraden schnell ins Gespräch und tauschte sich über Hobbys und Interessen aus.
Dank Arnie in die Muckibude
Mitte der 1980er Jahre schwappte aber auch eine regelrechte Fitnesswelle aus den USA zu uns rüber. Die Damen betrieben oft Aerobic, während die meist jüngeren Herren in die Bodybuilding-Studios, die in diesen Jahren wie Pilze aus dem Boden schossen, rannten, um Gewichte zu stemmen und Muskeln aufzubauen. Auch auf meiner Schicht gab es neben mir einige Freunde des Hantelsports und wir wurden sehr hellhörig, als unser Stabsunteroffizier von einer Möglichkeit erzählte, auch auf Schicht trainieren zu können.
Unsere Stellung war eine der letzten in Deutschland, die noch über Nike-Hercules-Raketen für den Boden-Boden-Beschuss verfügte. Im Abschussbereich standen in einem nochmals gesicherten Areal einige Raketen mit Atomsprengkopf. Die A-Köpfe wurden von US-Soldaten bewacht. Diese Kameraden hatten ihre ständige Unterkunft direkt neben unserer Feuerleitstellung. Zu ihrer kleinen Kaserne gehörte auch ein großes Holzhaus, das von ihnen jedoch kaum genutzt wurde. Darin gab es unter anderem einen Billardtisch und einen kleinen Fitnessraum mit Bänken und Hanteln. „Unsere Amis“, wie wir sie liebevoll nannten, waren dann so nett, uns nach Voranmeldung die Mitnutzung ihres Holzhauses zu erlauben. So wanderte unsere Hantelgruppe fast jeden Abend unter der Führung unseres Stabsunteroffiziers rüber zu den Amerikanern.
Hantelscheiben aus Beton
Das Lustige an deren Gewichten und Hantelstangen war, dass die Hantelscheiben nur mit Beton ausgegossene Plastikschalen waren und die Stangen bestanden nicht aus Vollmaterial, sondern es waren Rohre. Wenn wir also zum Beispiel die Langhantel für das Bankdrücken benutzen, sah es aus, als würde ein gigantisches Gewicht bewegt werden. Riesige Klötze an Scheiben steckten an beiden Seiten und als irgendwann mal nichts mehr auf die Stange drauf ging, hingen wir noch kleiner Scheiben mit Paketband dazu. Für Uneingeweihte musste es so aussehen, als ob dort klappernd wahre Kraftwunder am Werk waren.
Wir waren dann nach einer gewissen Zeitspanne wirklich gut drauf und kamen uns auch sehr super vor. Allerdings kam dann ein mal ein Funker mit, der laut eigenen Angaben noch nie eine Hantel bewegt hatte. Der Kamerad war jedoch von Beruf Dachdecker und ein fast zwei Meter großer totaler Bär vom Typ her. Wir wurde auch alle etwas blass, als er dann die gleichen Gewichte stemmte wie wir Schwarzengger-Jünger. Allerdings konnte er sich am nächsten Tag vor Muskelkater kaum bewegen und wir mussten ihn fast in den Schichtbus heben, was unser angekratztes Ego dann doch etwas beruhigte.
Proteinpulver aus der Rindermast?
Zum Training gehörte natürlich auch eine eiweißreiche Kost. Das normale Bundeswehressen war da wenig hilfreich und Zusatzmittel wie Proteindrinks waren zu dieser Zeit noch sehr teuer. Also haben wir alles, was die kostenlose Schichtverpflegung hergab, zusammengemixt. Buttermilch im Mixer – wie Rocky – mit rohen Eiern vermischt, oder mit Joghurt verquirlt – dann immer runter mit der Brühe, wobei es den Witz gab, dass der Becher nur in einem Zuge getrunken werden kann, weil das Gemisch nur so zu trinken ist. Lecker waren unsere Spezialdrinks nicht, die wir dann später noch mit Eisweißpulver anreicherten, das ein Kamerad aus Kleve mitgebrachte. Es stammte aus der Kälbermast und ich befürchte, dass Rinderwahn eine der Nebenwirkungen sein könnte, die mich aber bis heute – wahrscheinlich – verschont hat.
Was bleibt ist aber die Erinnerung an eine gute Kameradschaft und zum Teil auch verrückte Zeit irgendwo in den Feldern vor Bremen. Wiedergesehen hat sich unsere Hantel-Gang jedoch leider nie.
Geschichten aus der Wehrdienstzeit
Manche Sachen erlebt man nur bei der Bundeswehr. Welche Erinnerungen haben Sie an Ihre Wehrdienstzeit? Welche lustigen oder kuriosen Anekdoten bringen Sie auch heute noch zum Schmunzeln? Wir veröffentlichen die Geschichten aus der Wehrdienstzeit in unregelmäßigen Abständen in der loyal sowie hier auf der Webseite. Erzählen Sie uns Ihre Geschichte – gerne mit Foto: presse@reservistenverband.de.