Welche Reserve braucht die Bundeswehr?
Diesen Impuls nahm der Präsident des Reservistenverbandes, Roderich Kiesewetter, auf: "Unsere Gesellschaft muss sich auf unruhige Zeiten vorbereiten – und das für mehrere Jahre", schlug der Bundestagsabgeordnete damit den Bogen zur Reserve und ihrer Neuausrichtung und zeigte die linke und rechte Grenze auf: Einerseits sei die Sicherheit und Robustheit Deutschlands alleine über das Ehrenamt in der Reserve und den Blaulichtorganisationen nicht abzubilden, auf der anderen Seite stehe die Frage: "Welche Reserve möchte die Bundeswehr?"
Erfolg auf drei Arbeitsfeldern
Hier sieht Kiesewetter den Reservistenverband mit seiner Neuausrichtung auf dem richtigen Weg und machte das anhand der drei Arbeitsfelder Bundeswehr, Gesellschaft und Mitglieder an Beispielen fest. Das Angebot, in Veranstaltungen des Reservistenverbandes körperliche Leistungsfähigkeit nachzuweisen und Individuelle Grundfertigkeiten zu erwerben, wertete er als Erfolg: "Wir bieten den Beorderten einen Mehrwert", stellte er dazu fest. Mit Blick auf die Gesellschaft verwies der Parlamentarier auf die Qualitäten, die Reservisten in die Wirtschaft einbringen: Über ihre fachliche Kompetenz hinaus entwickelten sie in der Reserve Führungsqualität, Entschlusskraft und Durchsetzungsvermögen. Das bedeute einen zusätzlichen Nutzen für die Arbeitgeber. Im dritten Arbeitsfeld versteht er den Reservistenverband als Plattform und Anlehnungspartner für alle in der Reservistenarbeit tätigen Verbände und Vereinigungen.
"Getrennt marschieren – vereint schlagen"
Getreu dem Motto seines Verbandes "Wir sind die Reserve" sieht der Präsident die beorderten Reservisten und die allgemeine Reserve als Einheit: "Uns eint das Band der Kameradschaft und das Band der Berufung." Für den weiteren Weg der Neuausrichtung des Reservistenverbandes kündigte Kiesewetter ein Acht-Punkte-Programm an, das der Verband bei seiner Bundesdelegiertenkonferenz im November vorstellen werde. "Wir werden aktiver werden müssen, wir wollen es aber auch", schloss er.
Handlungsbedarf bei der Nachwuchsgewinnung
Die Lage der Reserve bewertete Oberst Benedict Freiherr von Andrian-Werburg, Leiter des Kompetenzzentrums für Reservistenangelegenheiten der Bundeswehr, als die einer Umbruchssituation. Über 60.000 beorderte Reservisten habe die Bundeswehr im Ergänzungsumfang vorgesehen, tatsächlich seien es derzeit aber nur knapp 29.000. Bei der Personalbedarfsdeckung sieht er Handlungsbedarf, der sich nicht allein darauf beschränken darf, ausscheidende Zeitsoldaten für die Reserve zu gewinnen. Für die ausscheidenden aktiven Soldaten aber gelte: "Kein geeigneter Reservist darf verloren gehen!" Roderich Kiesewetter hatte diese Thematik in seinem Vortrag schon angesprochen und vorgeschlagen, Reserveoffiziere über den Bedarf hinaus auszubilden, um Freiwillige für Beorderungen zu gewinnen.
Brennpunkt Flüchtlingskrise
Neben weiteren Vorträgen, unter anderem über die Novellierung des Unterhaltssicherungsgesetzes (USG) und Grundsätze der Personalführung von Reservisten, stießen die Ausführungen von Brigadegeneral Jürgen Knappe, Kommandeur des Kommandos Territoriale Aufgaben der Bundeswehr, auf besonderes Interesse: In seinen Zuständigkeitsbereich fällt die Unterstützung der Flüchtlingshilfe, in der täglich auch 300 bis 400 Reservisten Dienst leisten. Knappe beschrieb die Arbeit der Soldaten in den Wartezentren Erding und Feldkirchen, in der Erstaufnahmestelle Fallingbostel und beim Transport der Flüchtlinge mit bundeswehreigenen Bussen. Für die Amtshilfe im Inneren zeichnete der General aber auch rote Linien auf: Aus rechtlichen Gründen dürften Soldaten hierbei weder Ordnungsaufgaben wahrnehmen noch Verwaltungsangelegenheiten vollziehen.
Zu einem eigenen Beitrag der Streitkräftebasis über die Jahrestagung geht es hier.
Wilhelm R. Schreieck
Bild oben: Teilnehmer der Jahrestagung
in Kassel (Foto: Wilhelm R. Schreieck).
Bild unten: Der Präsident des Reservistenverbandes, Roderich Kiesewetter (Mitte)
saß auf dem Podium (Foto: Wilhelm R. Schreieck).