Wie Virtual Reality die Sanitätsausbildung revolutionieren kann
Die Technologie der Virtual Reality (VR) findet immer mehr Einzug in den Alltag der Menschen. Für die Ausbildungslandschaft bietet sie völlig neue Möglichkeiten und wird schon seit einiger Zeit bei innovativen Trainings angewandt. Fregattenkapitän d.R. Markus Neuberger berichtet im Interview über die Vorteile des Einsatzes von VR im Sanitätsdienst der Bundeswehr.
Grundsätzlich ist VR eine künstlich vom Computer simulierte Wirklichkeit – ähnlich wie bei einem Videospiel, nur ohne Bildschirmbindung. Die Nutzerinnen und Nutzer werden mithilfe einer entsprechenden technischen Ausrüstung in einen virtuellen Raum versetzt, in der sie sich frei bewegen können. Eine VR-Brille projiziert eine digitale Welt direkt vor die Augen. Mit entsprechenden Joysticks lassen sich Gegenstände im virtuellen Raum bewegen. Das Gefühl des Eintauchens in die digitale Welt beschreibt die Immersion. Es gibt unterschiedliche Einflussfaktoren, die den virtuellen Raum und die dazugehörige Erfahrung prägen – beispielsweise eine 360-Grad-Umgebung, 3D-Tiefeneffekte oder Geräusche, die beim Interagieren mit Gegenständen ertönen. Je realistischer diese simulierte Wirklichkeit wirkt, desto höher ist die Immersion.
Herr Neuberger, was kann Virtual Reality bereits leisten?
Mithilfe von Virtual Reality sind wir seit geraumer Zeit in der Lage, fast alle erdenklichen Situationen virtuell nachzustellen. Das bezieht sich nicht nur auf Umgebungen, sondern auch auf darin enthaltene Ausrüstungs-, und weitere Gegenstände. In VR können einfache Situationen, aber auch hoch komplexe dynamische Lagen nachgestellt werden. In Ihnen können Nutzende alleine oder als Team ortsunabhängig beispielsweise Verfahrensabläufe üben. Zum Training in VR werden leistungsfähige Computer und VR-Brillen benötigt, welche die Nutzenden in eine hoch immersive Situation eintreten lassen.
In welchen Bereichen ist diese Technologie bereits zu finden?
Die VR-Technologie findet bereits in vielen Bereichen Ihren Einsatz. So trainieren unter anderem Medizinerinnen und Mediziner, Soldatinnen und Soldaten sowie weitere Berufsgruppen Situationen, welche im echten Leben nur mit viel Aufwand simuliert oder gar nicht dargestellt werden könnten. Dabei geht es weniger um die Themen Fähigkeiten oder Handhabung, sondern aktuell aufgrund der noch sehr beschränkten Möglichkeiten der Haptik um Entscheidungsfindung und das korrekte Abarbeiten von Leitlinien. Seit geraumer Zeit findet das virtuelle Training am digitalen Maschinenzwilling immer mehr Akzeptanz und Berücksichtigung. Die häufig limitiert vorhandenen Geräte, beispielsweise Fahrzeuge oder Maschinen, müssen nicht kostenintensiv mehrfach beschafft werden, sondern werden als virtuelle Zwillinge voll bedienbar dargestellt.
Welche Vorteile bietet diese Technologie, besonders im Sanitätsalltag?
Die VR-Technologie bietet neben der Möglichkeit des Trainings nah an der Realität alleine und im Team die Option der einfachen Skalierbarkeit. Außerdem können in VR eine Vielzahl von Szenarien realitätsnah dargestellt werden, so auch im Sanitätswesen. Neben der schnellen und der beliebig häufigen Wiederholbarkeit, können solche Systeme mittlerweile fast überall aufgebaut und schnell einsatzbereit gemacht werden.
Welcher konkrete Vorteil ergibt sich dadurch für die Bundeswehr und was wären realistische Einsatzmöglichkeiten?
Das hat für eine Institution wie die Bundeswehr den Vorteil, dass dort, wo beispielsweise im Bereich Ausbildung und Training Fähigkeitslücken vorhanden sind, diese durch den Einsatz von virtueller Realität minimiert oder sogar behoben werden können. Im Rahmen eines VR-Experiments konnte die Luftwaffe zusammen mit BWIinnoX zum Beispiel einen sogenannten Betriebsstoffcontainer virtualisieren und die Ausbildung von Betriebstofffeldwebeln erfolgreich auf eine neue technologische Ebene führen. VR wird aber ganz sicher zeitnah auch seine Anwendung beim Heer und der Marine finden oder dem Sanitätsdienst zur Verfügung stehen. So besteht heute schon auf Basis von auf dem Markt eingeführten, medizinischen VR-Lösungen die Möglichkeit des individualmedizinischen Trainings am virtuellen Patienten, welches nur noch um bundeswehrspezifische Anteile angepasst werden muss.
Vielen Dank für das Gespräch.
Der VR-Experte
Nach der Ausbildung zum Rettungsassistenten war Markus Neuberger für zwölf Jahre als Flugmedizinischer Assistent und Ausbilder im Bereich der Marineflieger, sowie im Verwundetenlufttransport (AirMedEvac) tätig. Danach studierte er an der Charité Universitätsmedizin Berlin Medizinpädagogik. Er nahm anschließend Leitungspositionen an der Akademie für Notfallmedizin der Falck Unternehmensgruppe ein und arbeitete mit am Aufbau weiterer Ausbildungsinstitutionen mit dem Schwerpunkt Rettungsdienst. Seit 2016 forscht Markus Neuberger an der Seite namhafter Partner des Rettungsdienstes in den VR-Projekten „Epicsave“ und „Vitawin“. Aktuell leitet er das Geschäftsfeld Medizin/Healthcare bei der TriCAT GmbH in Ulm. Markus Neuberger ist Fregattenkapitän der Reserve. Seit 2018 ist er Stellvertretender Leiter des Verbindungskommandos Sanität in Hamburg.