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Die Reserve

„Wir lernen, wie wir solche Einheiten wieder aufstellen müssen“

Das „Pilotprojekt Landesregiment Bayern“ ist nahezu abgeschlossen. Generalleutnant Markus Laubenthal, Stellvertreter des Generalinspekteurs und Beauftragter für Reservistenangelegenheiten der Bundeswehr, begleitet das Projekt seit dessen Anfangstagen. Bei der Herbstausbildung in Wildflecken besuchte er das Regiment zum wiederholten Mal.

Generalleutnant Markus Laubenthal (M.) zu Besuch beim Landesregiment Bayern.

Foto: Bundeswehr/Haelke

Sowohl das Landesregiment als auch der Standort Wildflecken als der zentrale Ausbildungsstützpunkt der Reserve sind Modelle für weitere Elemente der Territorialen Reserve sowie deren Ausbildungsorganisation. Generalleutnant Laubenthal hatte daher Kommandeure anderer Landeskommandos nach Bayern eingeladen, sich im Rahmen der Herbstausbildung über die im Modellversuch erweiterten Strukturen der Reserve im Heimatschutz zu informieren und fand Zeit für ein Interview mit Felicia Englmann.

Wie hat das Projekt Landesregiment Bayern die Reserve insgesamt nach vorne gebracht?
Das Landesregiment Bayern hat sich jetzt wiederholt bewährt. Ich habe es von der Idee über die Aufstellung und die erste Herbstausbildung 2020 bis heute zur zweiten Herbstausbildung begleitet. Und ich muss respektvoll anerkennen: Das Engagement, die Mühe der vielen Beteiligten, vor allen Dingen aber auch der Reservistinnen und Reservisten, haben sich sehr gelohnt. Wir formen einen neuen Verband und wir lernen an diesem Beispiel sehr praktisch und schnell, wie wir solche Einheiten aufstellen müssen. In den nicht-aktiven Einheiten der Reserve haben wir eine besondere Zielgruppe, nämlich Menschen, die von außen zu uns kommen, in Zivilberufen stehen und in kurzer Zeit in ihrer Aufgabe in der Bundeswehr wirksam werden müssen. Da muss alles auf den Punkt passen. Vor allen Dingen lernen wir, welche Rahmenbedingungen wir gestalten müssen, damit diese Reserve einsatzbereit wird.

Welche Fortschritte wurden erzielt?
Wir haben durch die verschiedenen Ausbildungen klarer definieren können, welche Aufgaben diese Reserve wahrnehmen kann, welche Ausbildung wir in Teileinheiten vermitteln müssen und was man in einer begrenzt zur Verfügung stehenden Übungs- und Ausbildungszeit auch wirklich leisten kann. Man muss sich da ein Stück weit bescheidener geben und darf die Aufgaben nicht zu groß gestalten. Und wir erproben, welches Material wir brauchen, wo und wie wir es bereitstellen müssen und wie wir zukünftig die Beschaffung dafür gestalten. Darüber hinaus wurde deutlich, dass wir nicht nur in den Strukturen, sondern auch in der Ausbildung eine enge Verzahnung mit der aktiven Truppe erreichen müssen.

Der Host Nation Support, die Unterstützung befreundeter Streitkräfte innerhalb Deutschlands, war nicht explizit Teil der Herbstausbildung. Bleibt er weiterhin im Aufgabenspektrum der Territorialen Reserve?
Host Nation Support ist und bleibt fester Bestandteil des Aufgabenpakets der territorialen Strukturen. Indem wir etwa hier vor Ort den Schutz von Räumen und einer logistischen Einrichtung sicherstellen, nehmen wir eben diese Aufgaben wahr. Denn das könnte auch eine logistische Einrichtung von Bündnispartnern in Deutschland sein, die uns zum Beispiel gebeten haben, einen Teil des Schutzes zu übernehmen.

Laubenthal (r.) mit Generalleutnant Jürgen Weigt, Stellvertreter des Inspekteurs der Streitkräftebasis, bei der Herbstübung des Landesregiments. (Foto: Englmann)

Gibt es etwas, das Sie aus dem Fähigkeitsportfolio der Reserve gestrichen haben?
Wir haben unsere Ambitionen für die Territoriale Reserve angepasst: Wir haben schon in der Strategie der Reserve festgelegt, nicht höher als die Ebene der Teileinheiten auszubilden, dafür sehr gründlich und mit überschaubaren Aufträgen. Themen, die einfach zu beherrschen, einfach zu erlernen – und damit auch einfach in Übung zu halten sind. Beherrschen die Teileinheiten ihre Aufgaben, kann der Kompaniechef sie einsetzen. Dafür haben wir auch einen Ausstattungssatz elementarer Ausrüstung für alle festgelegt, der sich bewährt. Das Prinzip für die Reserve im Heimatschutz bedeutet: Weniger Komplexität ist ein Mehr an Einsatzbereitschaft. Die Kommandeure bzw. Vertreter der Landeskommandos haben sich beim Informationstag ein Bild gemacht, wie man diese Ausbildung anlegt und nehmen die neuen Erfahrungen des Regiments mit in ihre Standorte. Das ist wichtig, wenn sie die Erkenntnisse jetzt auf ihre eigenen Heimatschutzkompanien übertragen.

Auf was achten Sie, wenn Sie bei Ihren Besuchen Reservistinnen und Reservisten im Gelände beobachten?
Erstens, bin ich immer wieder begeistert von der hohen Motivation, die diese Männer und Frauen mitbringen. Zum zweiten ist das eine so wertvolle Gruppe von Menschen aufgrund ihrer vielfältigen, zum Teil langjährigen Berufskarrieren in der Bundeswehr und ihrer vielen zivilen Kompetenzen. Lebenserfahrene treffen auf jüngere Kameraden. In den Zügen und Kompanien findet man eine hervorragende Mischung aus Erfahrung, innovativem Denken und dynamischem Handeln. Das merkt man in jeder Ausbildungsgruppe, und das ist wirklich beeindruckend. Die Kameradinnen und Kameraden können hier mit ihren Fähigkeiten einen Dienst mitgestalten, der einen Gewinn für die Gesellschaft darstellt. Das wird als etwas sehr Sinnhaftes, die investierte Zeit als wertvoll erlebt. Mehr noch, die feste Verwurzelung der Reservistinnen und Reservisten in ihre zivile Berufswelt und Lebensumgebung bringt die Streitkräfte und den Heimatschutz wieder mehr in die Mitte der Gesellschaft.

Sie haben das Landesregiment bereits zum dritten Mal besucht. Warum liegt Ihnen das Projekt persönlich so am Herzen?
Dieses Pilotprojekt ist richtungsweisend für die zukünftige Ausrichtung des Heimatschutzes, vieles ist für viele von uns Neuland, das ist herausfordernd und deshalb auch so spannend. Ich habe etwas Vergleichbares selbst in den 1980er-Jahren schon einmal machen dürfen – als junger Offizier hatte ich kurzzeitig die Verantwortung für einen Ausbildungsstützpunkt der Reserve. Ich habe also ein Bild im Kopf und bin noch heute überzeugt davon. Seitdem sind mehr als 35 Jahre vergangen und die Rahmenbedingungen haben sich grundlegend geändert. Vieles hat sich gewandelt, wir haben neue gesetzliche Regelungen, andere Ausstattung und eine andere Personalorganisation. Ich muss als Beauftragter für die Reservistenangelegenheiten der Bundeswehr daher eng an der Realität bleiben, um den Gestaltungsrahmen für den Heimatschutz pragmatisch und zügig organisieren zu können. Hier beim Landesregiment Bayern kann ich den Puls fühlen – sehen, welche Fortschritte und auch welche negativen Erfahrungen gemacht werden, um davon schnell lernen und umsetzen zu können. Ich komme natürlich auch sehr gerne, um dem Landeskommando und dem VN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr Respekt und Dank zu zollen, die all das mit großem Engagement vorbereitet haben.

Generalleutnant Markus Laubenthal. (Foto: Bundeswehr/Haelke)

Den Aufbau des Ausbildungsstützpunkts der Reserve in Wildflecken kündigten Sie vor zwei Jahren an. Wie bewerten Sie den Fortschritt?
Wir stützen uns natürlich ab auf das bewährte VN-Ausbildungszentrum der Bundeswehr in Hammelburg, arbeiten also eng mit aktiver Truppe zusammen. Das ist für die Phase des Aufwuchses von größter Bedeutung, anders wäre diese Ausbildung nicht möglich. Es ist aber auch eine zusätzliche Belastung hier vor Ort. Deshalb werden wir für den Ausbildungsstützpunkt Dienstposten bereitstellen, um eine professionelle Ausbildungsumgebung zu schaffen, Material bereitstellen zu können sowie die gesamte Rahmenorganisation zu gewährleisten, um diese Ausbildung in Wildflecken dauerhaft und verlässlich durchführen zu können.

Sind die drei zentralen Projekte der Reserve im Heimatschutz – Ausbildungsstützpunkt, Landesregiment und Freiwilliger Wehrdienst (FWD) im Heimatschutz – hier in Wildflecken Hand in Hand gegangen?
Für den Ausbildungsstützpunkt und das Landesregiment, das in Zukunft Heimatschutzregiment heißen wird, trifft das zu. Beim FWD Heimatschutz erleben wir jetzt die ersten Kameradinnen und Kameraden, die nach der siebenmonatigen Ausbildung bereits bei den Landeskommandos angekommen sind. Andere folgen und erleben gerade ihre Spezial- oder Grundausbildung. Da werden wir noch ein, zwei Jährchen brauchen, bis wir diese jungen Gesichter in größerer Zahl hier in einer Herbstübung sehen. Ich bin überzeugt, dass das Hand in Hand funktionieren kann. Die Kombination aus wichtiger Aufgabe, regionaler militärischer Heimat und attraktiver Ausbildung kann überzeugen. Der Heimatschutz wird angenommen, der Start ist gelungen. Wir stehen aber noch am Anfang des Projektes FWD Heimatschutz. Deshalb arbeiten wir konzentriert und zügig, nehmen uns aber drei Jahre Zeit, diese neue Form des Dienstes begleitend zu evaluieren, nachzusteuern und so die Einsatzbereitschaft herzustellen.

Was geben Sie den Reservistinnen und Reservisten im Heimatschutz mit auf den Weg?
Erstens: Ich habe großen Respekt für das, was Sie leisten, wie Sie sich bei diesem herbstlichen Rhönwetter den Unbilden der Natur stellen und Ihre Aufgaben mit so großem Engagement annehmen. Ich danke Ihnen allen für die hohe Motivation und Leistungsbereitschaft mit der Sie das tun. Chapeau! Und zweitens, verbinde ich damit die Bitte und den Appell: Empfehlen Sie das Projekt Heimatschutzregiment weiter – vielleicht auch Ihren unbeorderten Kameradinnen und Kameraden, um sie zu ermuntern, mitzumachen. Sagen Sie ihnen, dass es hier – und bald auch in anderen Regionen – neue, wichtige Aufgaben gibt, in die sie sich einbringen können. Ich möchte aber auch nicht vergessen, die Aktivitäten der Luftwaffe und Marine zu erwähnen, die ebenfalls in das Projekt „Schutz der Heimat“ eingebunden sind und mit eigenen Aktivitäten ihre Reserveeinheiten für den Objektschutz aufstellen. Und letztlich erreichen wir das Ziel nur gemeinsam – „Hand in Hand“ – in enger Verbindung von aktiver Truppe und Reserve. Gegenseitiges Verständnis und Wertschätzung sind dabei wichtige Grundlagen für die Bewältigung unserer gemeinsamen Herausforderungen.

Vielen Dank für das Gespräch!

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