Im Vorfeld der Jahrestagung für Reservistenarbeit in Berlin (wir berichteten) hat sich der Beirat Reservistenarbeit zu seiner 65. Sitzung getroffen. Im Zentrum der Vorträge standen aktuelle Sachstände der allgemeinen Reservistenarbeit, die fortschreitende Ausgestaltung der Strategie der Reserve und Grundbeorderung auch im Hinblick auf die veränderte sicherheitspolitische Großwetterlage seit dem 24. Februar 2022, die im nächsten Jahr stattfindenden Invictus Games in Düsseldorf und Berichte der Beiratsverbände. Die Sitzung wurde eröffnet durch den Stellvertretenden Vorsitzenden Oberst a.D. Harald Borst. Er begrüßte die Vertreter der im Beirat organisierten Verbände und die Vertreter der Bundeswehr und informierte über die Tätigkeiten des Vorsitzenden, Brigadegeneral a.D. Franz Xaver Pfrengle, im laufenden Jahr.
Zeitenwende kommt, Strategie der Reserve bleibt
Oberst i.G. Peter Haupt, Leiter des Referats Führung Streitkräfte III 4 (Referat für Reservisten und Veteranenangelegenheiten), trug aus dem Bundesverteidigungsministerium zum Thema „Zeitenwende kommt, Strategie der Reserve bleibt“ vor. Er bekräftigte, dass die Strategie der Reserve auch nach dem Überfall auf die Ukraine, Bestand hat. „Es gibt keine Lageänderung in Bezug auf die Strategie der Reserve, aber eine Änderung der Ausgestaltung“, sagte Haupt. Ziele des „Heimatschutz Reserve 2025“ seien vor allem der Schutz und die Sicherung Inland, die Erhöhung der Stellen für Reservisten auf 7.500 bis 2027, insbesondere zur Inübunghaltung der Grundbeorderten sowie die weitere Aufstellung von Heimatschutzkräften. Die Refokussierung auf die Landes- und Bündnisverteidigung und damit einhergehende Stärkung der Reserve wird demzufolge in den nächsten Jahren weiter zunehmen.
Der Leiter des Kompetenzzentrums für Reservistenangelegenheiten, Kapitän zur See Alexander Willutzki, gab Einblicke in praktische Problemstellungen und Fragen der Reservistenarbeit. Im Anschluss daran trugen die Vertreter der Teilstreitkräfte und Organisationsbereiche der Bundeswehr zum Sachstand und zur Ausgestaltung der Reserve im eigenen Bereich vor.
Corona-Stillstand ist überwunden
Anhand der Aussagen und Berichte der Beiratsverbände und -vereinigungen lässt sich schlussfolgern, dass die letzten zwei Jahre aufgrund der Coronapandemie schwierig waren. So kam die Vereinsarbeit fast vollständig zum Erliegen. Gleichzeitig berichteten die einzelnen Vereinigungen, dass der Stillstand nach den zwei letzten Coronajahren nun allmählich überwunden ist. Weiterhin laufe auch die Anbindung an die aktive Truppe und die internationale Zusammenarbeit wieder an. Festzuhalten bleibt, dass die zentrale Aufgabe der nächsten Jahre bei allen Verbänden das Ansprechen von jüngeren Mitgliedern und die stärkere Ausrichtung auf deren Interessen bleibt. Bundesgeschäftsführer Christoph Max vom Hagen fasste die Neuigkeiten aus dem Reservistenverband zusammen, indem er über die erfolgreiche Deutsche Reservistenmeisterschaft, den Parlamentarischen Abend, das Sicherheitspolitische Forum Berlin, die Übernahme der CISOR-Präsidentschaft und über die gestiegenen Neueintritte, durch ein gesteigertes Interesse an der Reserve seit dem Überfall auf die Ukraine berichtete.
Herausforderungen der Grundbeorderung und Reserve der Luftwaffe
Aus dem Bundesamt für das Personalwesen der Bundeswehr referierte Oberst Wilhelm Neißendorfer, Abteilungsleiter VI Personalführung Reserve. „Wir sind die Bedarfsdecker der Streitkräfte“, fasste Neißendorfer das Aufgabenspektrum seiner Abteilung zusammen. Er gab Einblicke in die Herausforderungen nach Einführung der Grundbeorderung im Oktober 2021. Zielvorgabe der Einplanung der ausscheidenden aktiven Soldatinnen und Soldaten für einen Zeitraum von sechs Jahren sei die Schaffung von 60.000 Reservistendienstposten in den Verstärkungsstrukturen. Doch die Grundbeorderung dauere, bis sie Ergebnisse zeigt, sagte Neißendorfer. Die Hauptgründe liegen darin, dass die entsprechenden Strukturen noch nicht ausreichend vorhanden sind, die Personalinformationen teilweise lückenhaft an die Karrierecenter weitergegeben werden und das Funktionieren oft noch von der Motivation der beteiligten Akteure abhängt – auch darum ging es bei der anschließenden Jahrestagung.
Besonderer Gast bei der 65. Beiratssitzung war der Stellvertretende Inspekteur der Luftwaffe, Generalleutnant Dr.-Ing. Ansgar Rieks, der seinen Vortrag über die Reserve der Luftwaffe mit den Worten eröffnete, dass sich „Zeitenwenden erst im Nachhinein als solche herausstellen würden“. Folglich werde erst die Rückschau auf unsere Zeit entscheiden, ob wir uns wirklich in einer solchen befinden. Des Weiteren stellte Rieks eine Reihe von Zeitenwenden vor, die der Krieg in der Ukraine für die Bundeswehr und die deutsche Sicherheitspolitik implizieren, wie beispielsweise die Zeitenwende im Sondervermögen, in den operativen Fähigkeiten, in den Technologien und die Zeitenwende bei den Soldaten und deren Führung. Als besondere Herausforderung erinnerte auch Rieks daran, dass es künftig noch mehr als heute darauf ankomme, junge Soldatinnen und Soldaten, Reservistinnen und Reservisten anzusprechen und zu motivieren. Bezugnehmend auf die Reserve der Luftwaffe machte Rieks deutlich, dass es auch künftig in dieser Teilstreitkraft nicht ohne Reservistinnen und Reservisten gehen werde und der Fokus beim Einsatz auf dem Schutz von Liegenschaften liege. Außerdem stellte Rieks eine Reihe von Pilotprojekten vor, wie beispielsweise der Aufbau einer Industriereserve oder regionalen Luftwaffensicherungszügen.
Am zweiten Tag der Beiratssitzung wurden Themen wie die Mitgliedschaft und Mitarbeit in der World Veterans Federation (WVF) sowie die 2023 in Düsseldorf stattfindenden Invictus Games behandelt. Zudem wurde der Stellvertretende Vorsitzende des Beirates beim Reservistenverband, Oberst a.D. Harald Borst, durch eine Wahl in seinem Amt bestätigt.
Über den Beirat Reservistenarbeit
Der Beirat Reservistenarbeit ist ein Zusammenschluss in der Reservistenarbeit tätigen Verbände, koordiniert deren Tätigkeiten und wird durch den Reservistenverband bei der Erfüllung seiner Aufgaben unterstützt. Auf Antrag kann die Reservistenarbeit der Verbände durch die Bereitstellung von Mitteln aus den Zuwendungen, die der VdRBw aus dem Bundeshaushalt erhält, unterstützt werden.