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Zwischen EU und Russland: Auf wessen Seite steht Serbien?

Die Europäische Union (EU) hat nach dem russischen Überfall auf die Ukraine 2022 den Balkan wieder in den Blick genommen. Die Region gilt aufgrund der ethnisch-religiösen Spannungen und der Jugoslawienkriege der 1990er Jahre als besonders fragil. Während Slowenien und Kroatien bereits EU-Mitglieder sind, haben Serbien und vier weitere Balkanstaaten den Beitrittskandidatenstatus inne. Serbien nimmt wegen seiner engen Beziehungen zu Russland – vor allem mit Blick auf den Krieg in der Ukraine – eine besondere Stellung ein. In welche Richtung wird sich das Land entwickeln?

(Foto: Kreml via Wikimedia Commons, URL: www.kremlin.ru)

balkaneurusslandserbien

Im Jahr 2012 erhielt Serbien offiziell den Status eines EU-Beitrittskandidaten. Zwei Jahre später wurden die Verhandlungen aufgenommen. Aleksandar Vučić, serbischer Machthaber seit 2014, macht sich für den Beitritt stark. Parallel unterstützt er den Nationalismus serbischer Minderheiten in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo. Das Europäische Parlament erklärte 2021 die Normalisierung der Beziehungen zum Kosovo zur Bedingung für einen Beitritt. Das stellt für Serbien ein Problem dar, da es die Unabhängigkeit des albanisch geprägten Landes bis heute nicht anerkennt – wie auch Russland. Insbesondere seit dem russischen Angriffskrieg blickt die europäische Gemeinschaft kritisch auf das Verhältnis zum „großen Bruder“ in Moskau.

Serbiens besonderes Verhältnis zu Russland

Obwohl die serbische Regierung die Aufnahme in die EU anstrebt, zeichnen sich die Regierungen sowie weite Teile der Bevölkerung durch eine ausgeprägte „Russlandliebe“ aus. Gemein ist beiden Ländern die Zugehörigkeit zum slawischen Sprachenkreis und die religiös-kulturelle Prägung durch das orthodoxe Christentum. Beide Aspekte spielten in der Geschichte Serbiens eine bedeutsame Rolle – und bilden die Grundlage für das heutige bilaterale Verhältnis.

Im Vorfeld des Ersten Weltkriegs propagierte das Russische Zarenreich die Ideologie des Panslawismus und trat als Schutzmacht aller slawischsprachigen Völker auf. Vor allem der von verschiedenen Großmächten umkämpfte Balkan stand nun im Fokus. Folglich unterstützte Russland Serbien im Unabhängigkeitskrieg gegen das Osmanische Reich und später im Konflikt mit Österreich-Ungarn. Letzteres trug zur Eskalation der Julikrise 1914 und zum Ausbruch des Ersten Weltkriegs bei.

Neben der sprachlichen Verwandtschaft vertiefte die gemeinsame Zugehörigkeit zur orthodoxen Kirche die Bindung beider Länder. Dies liegt auch in der religiösen Vielfalt des Balkans begründet. So sind Serbien, Bulgarien und Nordmazedonien christlich-orthodox geprägt. In Slowenien und Kroatien hingegen sind die katholische Kirche sowie in Bosnien-Herzegowina und Albanien der Islam vorherrschend. Bezeichnenderweise unterstützte Russland in den Jugoslawienkriegen der 1990er Jahre nicht die ebenfalls slawischsprachigen Kroaten oder Bosniaken, sondern die politischen Forderungen der Serben. Auch im anschließenden Kosovo-Krieg gegen die albanische Bevölkerung stand Russland auf der Seite Serbiens.

EU fordert Bekenntnis zur europäischen Sicherheitspolitik

Seit Russlands Angriff auf die Ukraine richtet die europäische Gemeinschaft ihr Augenmerk wieder verstärkt auf den Balkan. Beim Westbalkan-Gipfel im Dezember 2022 bekräftigten die Staats- und Regierungschefs der EU-Mitglieder die Beitrittsperspektive für Serbien, Montenegro, Bosnien-Herzegowina, Nordmazedonien und Albanien. Die EU stellte finanzielle Förderungen in Aussicht, forderte aber politische Reformen von den Beitrittskandidaten. Des Weiteren wurde die Bestätigung und Umsetzung der europäischen Außen- und Sicherheitspolitik als unabdingbar bezeichnet. Dies schließt auch die Beteiligung an den EU-Sanktionen gegen das Putin-Regime und dessen Unterstützer mit ein.

Die Forderung der EU nach der Übernahme der Sanktionspakete richtete sich vor allem an Serbien, das eine ambivalente Haltung zum russischen Angriffskrieg einnimmt. Einerseits stimmte das Land – im Gegensatz zu China oder Indien – für die Resolution der Vereinten Nationen, die die russische Invasion missbilligte. Jedoch sprach sich Präsident Vučić, wie auch damals bei der russischen Annexion der Krim 2014, gegen Sanktionen aus. Folglich steht das Land nicht auf Russlands Liste „unfreundlicher Staaten“. Dass die serbische Bevölkerung in dieser Frage gespalten ist, machte sich auf den Straßen bemerkbar: Neben pro-russischen, von Rechtsextremisten organisierten Demonstrationen kam es seit dem Überfall auf die Ukraine auch verstärkt zu pro-ukrainischen Kundgebungen.

Die Beitrittsverhandlungen Serbiens mit der EU laufen seit 2014, sind aber die letzten Jahre ins Stocken geraten. Neben der umstrittenen geopolitischen Ausrichtung des Landes werden mangelnde Reformen und die zunehmende Beschneidung der Pressefreiheit kritisiert. Des Weiteren bleibt seitens der europäischen Gemeinschaft die Destabilisierung des Balkans durch die serbische Regierung nicht unerkannt.

 

Serbien (orange), Kosovo (hellorange) und die europäische Gemeinschaft (grün). (Karte: S. Solberg J. via Wikimedia Commons)

Zündeln in Bosnien-Herzegowina

Ein Hindernis auf dem Weg zur EU-Mitgliedschaft Serbiens stellt die destruktive Politik Belgrads in Bezug auf Bosnien-Herzegowina dar. Bei Bosnien-Herzegowina handelt es sich um einen föderalistischen Vielvölkerstaat. Muslimische Bosniaken stellen die Hälfte der Bevölkerung, orthodoxe Serben 30 Prozent und katholische Kroaten 15 Prozent. Das kollektive Staatsoberhaupt besteht aus je einem Vertreter der drei Ethnien.

Aufgrund der fragilen Situation seit den Jugoslawienkriegen wird der Frieden im Land vom Hohen Repräsentanten in Bosnien-Herzegowina überwacht. Derzeitiger Amtsinhaber ist Christian Schmidt, ehemaliger deutscher Landwirtschaftsminister. Die von den Vereinten Nationen geschaffene Position weist eine hohe Machtfülle auf und kann die demokratischen Institutionen des Landes überstimmen. Aufgrund der schwierigen Regierungsbildung mussten die Hohen Repräsentanten wiederholt eingreifen.

Insbesondere in den letzten Jahren haben die politischen Krisen in Bosnien-Herzegowina zugenommen. Dies ist vor allem auf die politischen Anführer der serbischen Minderheit zurückzuführen, die vermehrt mit Abspaltung drohen. So sagte sich die autonome Republik Srpska 2021 vom Justizsystem und der Armee Bosnien-Herzegowinas los. In ihrem Streben werden sie von der serbischen Regierung – und damit von Russland – unterstützt. Die europäische Gemeinschaft kritisiert die Destabilisierungspolitik von Vučić massiv. Mit ihrem Vorgehen blockiert die serbische Regierung den eigenen Beitritt zur EU sowie den von Bosnien-Herzegowina.

Erneute Eskalation im Kosovo

Auch in der Kosovo-Frage ist Serbien der destabilisierende Akteur. Der Kosovo ist ein von nahezu ausschließlich Albanern bewohntes Gebiet, das sich 2008 von Serbien lossagte. Rund 5 Prozent der Bevölkerung sind Serben, die vor allem im Norden leben. Hier kommt es immer wieder zu Protesten und Ausschreitungen. Wie die serbische Regierung erkennen sie die Unabhängigkeit des Kosovos nicht an und betrachten die Region weiterhin als Teil Serbiens. 2020 unterzeichneten die Regierungen von Serbien und Kosovo ein Wirtschaftsabkommen, wovon sich EU-Vertreter eine Normalisierung und Annäherung erhofften.

Doch nach einer Lokalwahl Mitte 2023 in einer fast nur von Serben bewohnten Gemeinde im Norden eskalierte die Situation erneut. Da die serbischen Einwohner die Wahl boykottierten, wurde ein Albanischstämmiger zum Bürgermeister gewählt. Es folgten die größten und gewalttätigsten Proteste seit Jahren. Hierbei wurden auch Soldaten der NATO-Truppe für den Kosovo (KFOR) verletzt, die versuchten das Rathaus zu schützen.

Nach den Protesten nahmen Spezialeinheiten aus Serbien drei kosovarische Polizisten fest. Die serbische Polizei begründete die Aktion mit einem angeblichen Grenzübertritt und bezeichnete die Verhafteten als „terroristische Bande“. Die Regierung des Kosovos hingegen warf Serbien die Entführung von Polizisten und eine absichtliche Destabilisierung des Landes vor. Auch Fachleute gehen davon, dass die Aktion sowie die Demonstrationen – wie auch in der Vergangenheit – von Serbien aus und damit von Vučić gesteuert werden. Unterstützung erhielt Serbien und die serbische Minderheit im Kosovo umgehend von Russland.

Aleksandar Vučić 2022 mit dem slovenischen Premier Robert Golob und Charles Michel, dem Präsidenten des Europäischen Rates. (Foto: European Union/Vlada Republike Slovenije via Wikimedia Commons)

Wohin steuert Serbien?

Seit dem Zerfall Jugoslawiens in den 1990er Jahren hat Serbien an Einfluss im Balkan verloren. Dem möchte der serbische Machthaber Vučić entgegenwirken, der er eine Doppelstrategie verfolgt: Einerseits betreibt er eine Annäherung an die EU, andererseits unterstützt er den serbischen Nationalismus im Ausland und bleibt treu an der Seite Russlands. Diese Taktik ist de facto gescheitert.

Mit der Ablehnung der EU-Sanktionen gegen das Putin-Regime sowie der Destabilisierungspolitik in Bosnien-Herzegowina und im Kosovo entfernt sich Serbien immer mehr von einem Beitritt zur europäischen Gemeinschaft. Die Eskalation im Kosovo Mitte 2023 hat zudem vor Augen geführt, dass sich Serbien der Rückendeckung durch Russland auch in Zukunft sicher sein kann. Womit auch ersichtlich wird, welchen nicht zu unterschätzenden Einfluss Moskau auf dem Balkan noch innehat. Eine EU-Mitgliedschaft Serbiens erscheint unrealistischer denn je – ebenso ein dauerhafter Frieden in der Region.

 

Literaturtipps:

 


Dieser Text stammt aus dem Sicherheitspolitischen Newsletter des Sachgebietes Sicherheitspolitische Arbeit. Diesen können Sie hier abonnieren.
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