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Der zweite Versuch

Die Bundeswehr nimmt einen neuen Anlauf, um eine Drohne für die weit reichende Signalaufklärung zu beschaffen. Nachdem vor fünf Jahren der "Euro Hawk" scheiterte, soll beim "Triton" alles besser werden. Doch erneut drohen erhebliche Risiken.

Die Aufklärungsdrohne "Triton" im Flug

(Foto: U.S. Navy photo courtesy of Northrop Grumman / Alex Evers)

Aufklärungsdrohne "Triton" (MQ-4C im Dienst der U.S. Navy)

(Abbildung: Northrop Grumman Corporation)

Im Mai vor fünf Jahren stand die politische Karriere von Thomas de Maizière kurz vor dem Ende. Der damalige Verteidigungsminister musste die Beschaffung der Aufklärungsdrohne „Euro Hawk“ stoppen, damit, so lautete seine Begründung, die Kosten nicht noch weiter aus dem Ruder laufen. Weit mehr als eine halbe Milliarde Euro hatte die Bundeswehr schon investiert, als de Maizière klar wurde, dass der „Euro Hawk“ keine Zulassung für den deutschen und europäischen Luftraum bekommen würde. Der Minister geriet in Erklärungsnot, die Opposition forderte seinen Rücktritt. Nun, fünf Jahre später, nimmt die Bundeswehr einen erneuten Anlauf, eine Aufklärungsdrohne zu beschaffen. Sie heißt „Triton“ und diesmal soll alles anders werden.

Groß wie ein Passagierflugzeug

„Triton“ befindet sich schon bei der U.S. Navy und bei der NASA im Einsatz. Die Drohne von der Größe eines kleinen Passagierflugzeugs kann in Höhen von etwa 17 Kilometern bis zu 40 Stunden lang bis zu 15.000 Kilometer weit fliegen. Das seien zwar schlechtere Leistungsdaten als beim „Euro Hawk“, aber ansonsten, so erklärt das Verteidigungsministerium, überwögen die Vorteile. So verfüge die „Triton“ anders als ihr Vorgänger über einen Blitzschutz, eine Enteisungsanlage sowie einen Hagel- und Vogelschlagschutz. Darüber hinaus, heißt es in Berlin weiter, bestehe Zuversicht, dass die Drohne diesmal die Voraussetzungen erfüllt, um für den zivilen Verkehr im deutschen und europäischen Luftraum zugelassen werden zu können. Beim „Euro Hawk“ war das vor allem an zwei Punkten gescheitert. Erstens: Er hatte kein Kollisionserkennungssystem. Zweitens: Seine Technik war für die Zulassungsbehörden nicht voll umfänglich einzusehen.

Kein Flug ohne Sondergenehmigung

Ohne eine Zulassung der zivilen Luftfahrtbehörden darf die Drohne nur in für das Militär gesperrten Lufträumen operieren. Dazu müssen immer wieder Sondergenehmigungen der Luftfahrtbehörden besorgt werden. Das ist notwendig, weil der deutsche Luftraum von zivilen Flugzeugen hoch frequentiert ist. Eine Drohne, die nicht automatisch erkennt, ob sie sich auf dem Weg in ihr Einsatzgebiet auf Kollisionskurs befindet und entsprechend selbstständig ausweicht, darf in diesem Luftraum nicht verkehren. Moderne Flugzeuge haben ein solches „Sense and Avoid“-System. Der „Euro Hawk“ hatte es nicht.

Probleme bei der Überführung

Die Folgen zeigten sich schon auf dem Überführungsflug aus den USA nach Deutschland vor sieben Jahren. Damals musste der „Euro Hawk“ die amerikanische Pazifikküste entlang fliegen und dann den Weg über Kanada und Neufundland über den Atlantik nach Deutschland nehmen. Dieser weite Umweg war notwendig, da die US-Behörden für die direkte Strecke über das amerikanische Festland keine Freigabe erteilten. Das lag allerdings nicht nur am fehlenden Kollisionserkennungssystem. Ein weiterer Grund dafür war ein Bericht des Pentagon über die baugleiche Drohne „Global Hawk“, der einige Wochen vorher erschienen war. Danach fielen bei der Drohne immer wieder flug-
entscheidende Komponenten aus. Tatsächlich brach während des Flugs nach Deutschland zweimal die Satellitenverbindung zwischen Bodenstation und Drohne zusammen. Der „Euro Hawk“ befand sich für jeweils etwa zehn Minuten im Blindflug.

Fehlendes Kollisionserkennungssystem

Neben den US-Behörden schauten sich auch die deutschen und europäischen Luftfahrtbehörden den „Euro Hawk“ genau an. Schnell wurde klar, dass sie für die Serienzulassung des Fluggeräts nicht nur ein Kollisionserkennungssystem, sondern auch eine umfassende technische Dokumentation verlangen würden. Vereinfacht gesagt, handelt es sich dabei um Betriebshandbücher, wie sie auch bei Flugzeugen vorgeschrieben sind. Allerdings ist eine Militärdrohne nicht mit einem Passagierjet vergleichbar. Es gibt dort „Black Boxes“, also Bauteile, die sensible Technologie enthalten, die vom Exporteur als geheim eingestuft ist. Das war auch beim „Euro Hawk“ so. Die Amerikaner hatten den Deutschen den Einblick in bestimmte Bauteile verweigert. Das war ein Problem. Denn anders als in den USA gelten in Europa für Musterprüfung und Verkehrszulassung unbemannter Militärflugzeuge die gleichen Standards wie für bemannte Zivilflugzeuge. Wenn die Behörden keinen Einblick in das gesamte System bekommen, gibt es keine Zulassung für den zivilen Luftraum.

„America first“

Sind diese Probleme beim „Triton“ nun gelöst? Es sieht so aus. Diesmal würden die Nachweisdokumente von den Amerikanern zur Verfügung gestellt, heißt es aus dem Verteidigungsministerium. Ein entscheidender Grund dafür dürfte im Motto der Präsidentschaft von Donald Trump liegen. „America first“ bedeutet nicht nur, Produkte für den heimischen Markt auch in Amerika zu fertigen. Sondern es heißt auch, in den USA hergestellte Güter stärker im Ausland zu verkaufen. Mitte April unterschrieb Trump eine Regelung, wonach Rüstungsexporte künftig erleichtert werden sollen.

Kampf um Marktanteile

Damit kehrt er von der restriktiveren Exportpolitik seines Vorgängers ab, die bei Drohnen und anderen Militärtechnologien galt. Für Trump ist sie die Ursache dafür, dass die USA in den vergangenen Jahren Marktanteile bei Rüstungsgütern an China und andere Staaten verloren haben. Die Chinesen produzieren diese Technologie kostengünstiger als die Amerikaner und liefern sie so gut wie jedem, der sie haben will. So hat etwa das seit 2003 massiv von den USA finanzierte irakische Militär nicht etwa Kampfdrohnen aus den USA, sondern aus China beschafft.

Trump will die verlorenen Marktanteile zurückholen und Militärgerät künftig einfacher an Freunde und Partner im Ausland verkaufen. Nachdem vor kurzem das US-Außenministerium das deutsch-amerikanische „Triton“-Geschäft genehmigte, hält es die Drohnen-Expertin Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations in London nur noch für eine Frage der Zeit, bis die Verträge geschlossen werden können. „Ich sehe keine ernsthaften Hindernisse mehr“, sagt Franke. Das Fluggerät wird allerdings auch dringend gebraucht. Denn im Bauch der Drohne wird ein System platziert sein, dass Deutschland wieder eine moderne weiträumige Signalaufklärung aus der Luft ermöglicht.

Der Datenstaubsauger

Dieses System heißt ISIS (Integrated Signal Intelligence System) und ist das Herzstück der Aufklärungsdrohne. Einem Datenstaubsauger gleich fängt ISIS unter anderem Radarstrahlen, Funkverkehre, Handy-Gespräche und Kurznachrichten ab und leitet sie zur Auswertung an eine Bodenstation weiter. Die dabei generierten Informationen ermöglichen die Aufklärung gegnerischer Führungs-, Leit-, Ortungs- und Waffensysteme. Doch das ist noch nicht alles: Schon im Kalten Krieg waren Luftaufklärungsergebnisse für Bundeswehr und Bundesnachrichtendienst eine hochwertige Ware im internationalen Tauschhandel mit Nachrichten und Daten. Aus diesem Geschäft aber hat sich Deutschland schon vor acht Jahren verabschiedet.

Denn im Jahr 2010 hat die Bundeswehr ihre Flugzeuge außer Dienst gestellt, die sie bis dahin für die Signalaufklärung aus der Luft nutzte. Es handelte sich dabei um in den 1960er Jahren entwickelte Maschinen vom Typ „Breguet Atlantic“. Der „Euro Hawk“ sollte dieses Flugzeug als Trägerplattform für das ISIS-Aufklärungssystem ersetzen. Die „Breguet Atlantic“ zeigten, dass Aufklärungsflugzeuge nicht nur für das Militär wichtig sein können. Vor 15 Jahren hatten islamistische Terroristen mehrere Dutzend europäischer Touristen in der Sahara entführt. Die Bundeswehr schickte drei „Breguet Atlantic“, denen es nach mehreren Wochen gelang, die Entführer in einem Versteck in der Sahara auszumachen. Die Flugzeuge hatten Telefongespräche der Geiselnehmer abgefangen und so deren Aufenthalt geortet. Anschließend konnte ein algerisches Sonderkommando die Geiseln befreien.

Kollisionserkennungssystem? Vielleicht.

Wenn alles gut läuft, werden die drei „Triton“-Drohnen in sieben Jahren geliefert sein. Über die Kosten kann das Verteidigungsministerium bisher keine verbindliche Aussage treffen. Dies werde erst nach Vorliegen des Angebots aus den USA möglich sein, heißt es. Die Rede ist allerdings von etwa 2,5 Milliarden Euro einschließlich Bodenstation. Und noch etwas weiß das Ministerium bisher nicht sicher: Auf die Frage, ob die Drohnen über ein Kollisionserkennungssystem verfügen, teilte es mit, der Entscheidung für „Triton“ sei eine „positive Abschätzung der Zulassbarkeit vorausgegangen“. Anders gesagt: Wir gehen davon aus, wissen es aber noch nicht verbindlich.

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