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Baustelle Ostflanke

Die Bundeswehr und NATO-Partner verstärken ihre Ostflanken-Präsenz. Doch Trainingsmöglichkeiten und Material bleiben auf Kante genäht, wie sich in Litauen zeigt.

Angetreten in Pabradė: Die bei der Abschluss-Gefechtsübung zu „Quadriga 2024“ eingesetzten Waffensysteme.

Foto: Björn Müller

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Unglaublich sei der Übungsraum, mit einziehbaren Brücken, einem künstlichen Fluss und diversen anderen Schikanen. „Ich würde dort leben wollen“, schwärmt Oberst Rimantas Jarmalavičius von der litauischen Armee vor Journalisten. Er meint das Bundeswehr-Übungsgelände Schnöggersburg in der Colbitz-Letzlinger Heide in Sachsen-Anhalt. Der Offizier hat den Auftrag, Litauens größtes Übungsgelände mitsamt Standort für die deutsche Litauen-Brigade zu gestalten. Dafür hat er sich in Deutschland informiert. Der litauische Übungsplatz entsteht auf 100 Quadratkilometern im Süden des Landes bei dem Dörfchen Rūdninkai, nur zehn Kilometer entfernt von Belarus.

Zu Schnöggersburg gibt es in Rūdninkai allerdings einen grundlegenden Unterschied: Schnöggersburg ist eine Übungsstadt für urbane Operationen. In Rūdninkai steht hingegen der Kampf der verbundenen Waffen im Vordergrund. Das Übungsgelände wird vor allem mit Schießbahnen bestückt, ergänzt durch ein kleines Übungsdorf. Für leichte Infanteriewaffen gibt es schon ein paar Bahnen. Weitere für schwere Maschinengewehre und Panzerabwehr-Lenkwaffen sollen folgen. Für die Artillerie ist ein Trainingsareal mit zwölf Kilometern Tiefe geplant. Größtes Übungsareal wird eine „Kampfzone“ für Panzer mit Schießbahnen für 14 Panzer einer Kompanie. Manko: Es fehlt ein Gebiet für das Üben von Luftnahunterstützung.

Ein Bagger bei der Arbeit für die Panzer-Übungszone samt Schießbahnen im Süden des Übungsraums Rūdninkai. (Foto: Björn Müller)

An Gebäuden gibt es in Rūdninkai bis jetzt nur eine improvisierte Verwaltungseinheit aus Containern. Doch bis Ende 2027 wollen die Litauer den Truppenübungsplatz funktionsfertig haben, so Oberst Jarmalavičius bei der Vorort-Präsentation. Mit dem Zeigestab führt er über eine große Rūdninkai -Karte und zeigt diverse Bauvorhaben: Ein Logistik-Hub samt Entladestelle für Panzer & Co. an der nahen Bahntrasse, Munitionsbunker und vor allem den Standort für zwei Kampftruppenbataillone der Panzerbrigade 45, die die Bundeswehr für Litauen aufbaut. Die Fläche dafür haben die Litauer gerodet und von Baumstümpfen befreit. Ein britisches Spezialunternehmen nahm danach die Kampfmittelbeseitigung vor. Rūdninkai war einst Übungsareal der Sowjet-Luftwaffe. Vor allem im Herzen des Truppenübungsplatzes probten sowjetische Piloten die Vernichtung von NATO-Luftwaffenbasen. Auf der Karte ist das Areal tiefrot markiert, da schwer belastet mit Fliegerbomben. 400 davon wurden bis jetzt in bis zu sechs Metern Tiefe gefunden.

„Alles ist bereit für die Bundeswehr“, so Oberst Jarmalavičius. Nach seinen Angaben hat die deutsche Seite vor kurzem die Vorschläge der Litauer zum Bau genehmigt. Hakt man dazu bei den Pressesprechern der Bundeswehr vor Ort nach, heißt es jedoch, dass Technische Abkommen beider Seiten für die Standort-Anlagen sei noch in Arbeit. Die Litauer finanzieren die gesamte Infrastruktur und drängen. Sie möchten spätestens im August vorbereitete Verträge mit Baufirmen abschließen. Wohngebäude, Sporthalle und Kantine für die deutschen Soldaten wollen sie bis Ende nächsten Jahres hochziehen. Ein Problem, das die Litauer noch lösen müssen: Ein zentraler ziviler Flugkorridor zur Hauptstadt Vilnius kreuzt das militärische Übungsgelände. Der Korridor soll nun etwas nach Norden an den Rand des Areals verlegt werden, wozu Absprachen mit der UN-Luftfahrtorganisation ICAO nötig sind.

Oberst Rimantas Jarmalavičius – Kommandeur des Training Centers Rūdninkai – erläutert vor Journalisten die Ausbaupläne des Übungsraums. (Foto: Björn Müller)

Trotz Baus des großen Truppenübungsplatzes bleiben die Trainingsmöglichkeiten für NATO-Truppen in Litauen hinter dem Bedarf zurück. In Rūdninkai können maximal zwei Bataillone in Gefechtsübungen Angreifer versus Verteidiger gegeneinander gedrillt werden. „Rūdninkai wird weitgehend vom deutschen Bedarf absorbiert“, so Oberst Jarmalavičius gegenüber loyal. Dabei haben die Litauer begonnen, bis Ende der Dekade eine eigene Division aufzubauen. Jarmalavičius: „Es wird herausfordernd für Litauens Armee, ihren steigenden Trainingsbedarf im Einklang mit dem der Alliierten auf unseren Übungsplätzen unterzubringen.“

Litauens zentraler Truppenübungsplatz Pabradė ist schon seit Jahren überlaufen. Hier müssen die drei Brigaden von Litauens Armee üben. Hinzu kommen die Trainingsbedürfnisse des vor Ort stationierten US-Bataillons, sowie der EFP-Kampfgruppe in Litauen unter Bundeswehr-Führung.

In Pabradė fand soeben die Abschluss-Gefechtsübung zum Großmanöver „Quadriga 2024“ der Bundeswehr statt. Hierbei übte die 10. Panzerdivision mit ihrer Deutsch-Französischen Brigade und der integrierten 13. Leichten Brigade der Niederlande die Verlegung an die Ostflanke. Das Ziel von 30 Tagen wurde bestens erfüllt, so die Militärs vor Ort. Dieser Zeitrahmen ist die neue NATO-Anforderung für die erste Welle an Verstärkungstruppen für die Ostflanke im Falle eines russischen Angriffs. Ins Zentrum der Übung rückte die Bundeswehr die VJTF-Pumas aus dem Panzergrenadierbataillon 112 aus Regen. Die Schützenpanzer dieses Bataillons zeigten sich vor einem Jahr labil bei Technik und Instandsetzung. Als „Pannen-Pumas“ mussten sie von ihrem vorgesehenen Einsatz für den VJTF-Kampfverband der NATO entbunden werden. Nun funktionieren sie verlässlich. In den drei Wochen vor der Abschlussübung gab es nur einen Ausfall, erfuhr loyal aus Gesprächen mit der Truppe vor Ort.

Litauische Studenten, die sich zum Leutnant der Reserve ausbilden lassen, warten in Rūdninkai auf den Beginn eines Nachtschießens. (Foto: Björn Müller)

Die Quadriga-Abschlussübung zeigte Bundeswehr und Partner-Armeen als Armeen im Umbau. Im Kernbereich von Landstreitkräften, den Gefechtsfahrzeugen verfügen die Armeen künftig über zeitgemäßes Material, wie den Puma der Bundeswehr und Litauens Armee den Radschützenpanzer Vilkas. Doch Drohnen-Systeme spielten nur eine Gast-Rolle bei der Abschlussübung. Eine moderne Flugabwehr fehlte ganz. Dass die Modernisierung der NATO-Armeen zu schleppend verläuft, war allerdings nicht die Sorge der Militärs vor Ort, sondern fehlende Masse für einen Abnutzungskrieg. Egal mit welchem Offizier einer Truppengattung man in Pabradė sprach, die Botschaft war stets: „Wir brauchen mehr Material.“ Das sei die zentrale Lessons learned aus dem Ukraine-Krieg.

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