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Bessere Aufstellung

Mit der Rückkehr der Landes- und Bündnisverteidigung ist klar: Die Bundeswehr braucht wieder eine Anpassung in Struktur und Führung. Der Generalinspekteur ist am Thema dran. Erste Maßnahmen sind angelaufen, doch die Reform wird zu einem Kraftakt.

Überzeugendes Operieren schafft die Bundeswehr hier nur, wenn sie in Struktur und Führung dafür aufgestellt ist.

Foto: Bundeswehr/Gottschalk

bundeswehrführungstruktur

Wenn Generalinspekteur Eberhard Zorn in den vergangenen Monaten die Truppe besucht hat, brachte er eine Botschaft unter die Soldaten: Struktur samt Führung der Bundeswehr müssen gestrafft werden, dies am besten über weniger Organisationsbereiche. So die Rückmeldung an loyal aus Gesprächen mit Soldaten der verschiedenen Truppengattungen. Zurzeit läuft eine „Überprüfung der Führungsfähigkeit der Streitkräfte“ durch den Generalinspekteur. Erste Resultate sollen in der zweiten Jahreshälfte vorliegen, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums loyal.

Hintergrund des Vorhabens ist die Wiederausrichtung der Bundeswehr auf die Landes- und Bündnisverteidigung mit dem hochintensiven Gefecht gleichwertiger gegnerischer Streitkräfte. Hierfür sind weder Struktur noch deren Führung von Deutschlands Armee ausgelegt, vor allem mit Blick auf das Heer. Seit den 1990er Jahren wurde dieses für Stabilisierungseinsätze umgebaut. Die Politik hatte Bedarf an kleinen Kontingenten leichter Infanterie, nicht aber an Großverbänden mit schweren Waffen. Hinzu kam ein jahrelang stetig sinkender Wehretat. Die Antwort der deutschen Militärplaner: Organisationsbereiche schaffen, die die schrumpfenden Ressourcen bündeln und diese dosiert dorthin verteilen, wo sie am dringendsten gebraucht werden. Zum Beispiel wurden die Sanitätseinheiten in einem zentralen Sanitätsdienst zusammengefasst, die Logistik wurde in der Streitkräftebasis gebündelt. Von dort gehen nach Bedarf Soldaten und Material in die Einsätze. Bis zur Struktur „Neuausrichtung der Bundeswehr“ von 2011 wurde dieser Ansatz immer weiter getrieben. Er reichte der Schrumpfarmee Bundeswehr aus, um ihre Auslandseinsätze zu bestreiten.

Kampfkraft mechanisierter Truppen bleibt entscheidend

Doch nun sollen potenzielle Aggressoren vom Schlage Russlands durch Großverbände in Divisionsstärke abgeschreckt werden. Diese müssen sich zügig mobilisieren lassen und im Kampf lange bestehen können. Auch hybride Kriegstaktiken unserer Zeit wie Desinformationsoperationen über Soziale Medien relativieren nicht diese Notwendigkeit. Hier spricht die polnische Generalität von „Mitteln, um sich eine günstige Architektur des Schlachtfelds zu schaffen“. Schlussendlich bleibt aber die Kampfkraft mechanisierter Truppen entscheidend. Hier aber gilt für die Bundeswehr: Sie verfügt über keine Reserve. Verluste können nur die aktiven Verbände ausgleichen. Gerade weil sie nur schmale Kräfte hat, ist deren effiziente Organisation für die Bundeswehr besonders wichtig. Militärexperten sehen die Notwendigkeit, Großverbände wieder mit Unterstützungseinheiten zu unterfüttern.

General a. D. Rainer Glatz, bis 2013 Befehlshaber des Einsatzführungskommandos, im Gespräch mit loyal: „Divisionen, Brigaden und Kampfverbände müssen wieder eigene organische Nachschub-, Transport- und Instandsetzungseinheiten beziehungsweise -Teileinheiten erhalten, die ihnen strukturelle Unabhängigkeit sichern. Für Sanitäts- und IT/Fernmelde-Kräfte wäre dies zu prüfen.“ Mit dem ehemaligen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels hat Glatz eine Denkschrift dazu verfasst, wie die Bundeswehr umstrukturiert werden müsste, damit sie glaubhaft Landes- und Bündnisverteidigung leisten kann. Eine der Hauptthesen: Die Verantwortung für das Material in Nutzung muss wieder zurück zu den Anwendern – also den Teilstreitkräften. Bartels: „Zentralisiert über die Streitkräftebasis bekommt man die Logistik für eine Brigade gestemmt, aber nicht für acht. Dasselbe gilt für die Instandsetzung durch das Nadelöhr Bundesamt für Ausrüstung und Informationstechnik und Nutzung.“

Zwei Stränge

Das separierte Bündeln und Verteilen der Bundeswehr-Ressourcen ist nicht nur von der Struktur her überholt, sondern auch für deren Führung. Für diese gibt es in der Bundeswehr zwei Stränge. Den territorialen für alles, was in Deutschlands stattfindet, angesiedelt beim Kommando Territoriale Aufgaben der Streitkräftebasis (SKB). Der territoriale Aufgabenbereich war lange Zeit militärisch belanglos und wurde vernachlässigt. Für die Bundeswehr fielen hier Nebenaufgaben wie die Katastrophenhilfe an.

Der zweite Strang läuft für Auslandseinsätze über das Einsatzführungskommando. Dieser wiederum ist nicht für den Großkampf gegen gleichwertige Armeen ausgelegt. Statt unter akutem Zeit- und Handlungsdruck große Verbände samt Material zu stellen, geht es dort darum, maßgeschneiderte Kontingente zu kreieren – je nachdem, was die Politik vorab ausgehandelt hat. In diesem gemächlichen Prozess gibt das Einsatzführungskommando seine Vorgaben aus dem Verteidigungsministerium an Heer und Co., die sich dann mit anderen Organisationsbereichen abstimmen, um beispielsweise Instandsetzung und Logistik für ihren Beitrag anzupassen. Dann werden die zusammengestellten Einheiten für die Dauer des Einsatzes dem Einsatzführungskommando unterstellt und gehen am Ende wieder zurück an die Truppensteller.

Die rasche Bewegung großer Kampfverbände ist entscheidend für die Landes- und Bündnisverteidigung – beispielsweise mit Hilfe von Pontonbrücken. (Foto: Bundeswehr/Neumann)

Das ist ein zu träges Verfahren mit zu vielen Schnitt- und damit Bruchstellen für die Landes- und Bündnisverteidigung. Im Worst Case müssten hier Gefechtsausfälle ganzer Kompanien umgehend ersetzt und massiv Verstärkungen herangeführt werden. Zudem würde Deutschland im Fall eines Konflikts an der Ostflanke des Bündnisses wieder Operations- und womöglich sogar Kampfgebiet. Die NATO-Kommandos, die dann die Operationen leiten, müssten sich mit zwei deutschen Führungssträngen abstimmen.

„Es fehlt eine klare Struktur“

Die militärische Ineffizienz der Bundeswehr geht aber noch weiter. „Es fehlt eine klare Struktur nach den militärischen Führungsgrundgebieten der NATO. Die gibt es weder in den Kommandos der militärischen Organisationbereiche noch im Ministerium“, so Major i. G. Dominic Vogel im Gespräch mit loyal. Vogel ist Militärexperte bei der Stiftung Wissenschaft und Politik in Berlin. Hier hat er die Bundeswehr-Führungsstruktur untersucht. Für ihn ist es ein genereller Schwachpunkt, dass sich diese an der Arbeitsweise der Ministerialbürokratie orientiert und nicht an der gängigen militärischen Stabsorganisation in der NATO. Diese gliedert sich in neun Aufgabenfelder wie „Nr. 3 Führung und Einsatz“.

Hierzu ist eine Art „Mindestreform“ in den militärischen Organisationsbereichen angelaufen. Zu Beginn vergangenen Jahres gab der Generalinspekteur die Weisung aus, alle Kommandos auf die NATO-Stabsstruktur 1 bis 9 umzubauen. Der Hauptvorteil: Es gäbe innerhalb der Bundeswehr und zur NATO eindeutige Zuordnungen, was die Führung erleichtern dürfte. Durch die Corona-Pandemie ist das Vorhaben versackt und gewinnt erst langsam wieder an Fahrt. Zu ihren Planungen wollten sich die militärischen Organisationsbereiche gegenüber loyal nicht äußern. Bekannt ist, dass taktische Operationskommandos entstehen, um ihre Einheiten im Fall der Landes- und Bündnisverteidigung auf deutschem Territorium selbst führen zu können.

Keine Erfahrung mit der operativen Führung

Die Luftwaffe hat sich hierfür Ende 2020 ein Air and Space Operations-Center geschaffen. Die Streitkräftebasis baut ihr Kommando Territoriale Aufgaben zur taktischen Operationszentrale für das Inland aus. Hier dürfte es noch Querelen mit dem Heer geben. Dort besteht das Interesse, die eigenen Einheiten in Deutschland selbst zu führen und an der Grenze an die NATO-Kommandos zu übergeben. Fakt ist jedoch: Die Bundeswehr hat keine Erfahrung mit der eigenständigen operativen Führung ihrer Kräfte. Dafür sind bis heute Kommandos des Bündnisses vorgesehen. Das Einsatzführungskommando zum Beispiel müsste eher als Betreuungskommando bezeichnet werden. Es kümmert sich um die Versorgung der Kontingente und die Einhaltung der Mandatsvorgaben. Die eigentliche Führung in den Operationen übernehmen stets multinationale Kommandostäbe.

Das Verteidigungsministerium wiederum nennt auf Nachfrage von loyal sein neues „Führungszentrum“ als Teil des Generalvorhabens, die Bundeswehr-Führungsstrukturen zu reformieren. Dieses wurde Anfang 2020 im BMVg gebildet. Es dient der Ressortleitung aus Ministerin, Staatssekretären und Generalinspekteur bei Krisen als Koordinierungsstelle für die Arbeit der zehn Ministeriumsabteilungen. Dieses Werkzeug entspricht jedoch wieder dem Ansatz, administrative Prozesse zu erleichtern, indem eine Abstimmungsplattform eingerichtet wird; eine straffere militärische Führung ist hier nicht das Ziel. Ein militärischer Führungsstab für den Generalinspekteur ist dagegen nicht geplant. „Ein solcher ist nicht erforderlich. Der Generalinspekteur kann sich auf die Organisationsstrukturen des Geschäftsbereichs des Verteidigungsministeriums abstützen“, so ein Sprecher des Wehrressorts.

Zwei Konzeptionen

Zu einer größeren Reform von Struktur und Führung der Bundeswehr hat Generalinspekteur Eberhard Zorn zwei Konzeptionen erarbeiten lassen: eine von militärischen Nachwuchskräften der Führungsakademie, die andere von einer „Arbeitsgemeinschaft Generale/Admirale“, in der die stellvertretenden Inspekteure den Ton angeben. Deren Ansatz beschränkt sich nach loyal-Informationen im Wesentlichen auf den Erhalt des jetzigen Aufbaus, optimiert nach NATO-Stabsstruktur – also in Richtung der bereits angelaufenen Mindestreform.

Der Ansatz der jungen Stabsoffiziere der Führungsakademie ist konsequenter. Nach deren Vorstellungen entstünde ein „Streitkräfte-Führungskommando“, das den territorialen Führungsstrang mit jenem für Auslandseinsätze vereinigt. Es würde alle Bundeswehr-Truppenbewegungen im In- wie Ausland steuern und wäre alleiniger Ansprechpartner für die vorgelagerten operativen NATO-Kommandostrukturen.

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Doch Militärapparate umzubauen, ist ein Kraftakt. Die letzte Bundeswehrreform von 2011 erwies sich bereits 2014 mit der Krim-Annexion durch Russland als überholt. Ein operatives Kommando für alle Szenarien soll bei der Führung Resilienz schaffen. Denn es ist fraglich, ob künftig stets Koalitionen der Willigen über die NATO zustande kommen. Die Entwicklung der Militärallianz wird seit Jahren unwägbarer, da ihre Mitglieder zunehmend gegenläufige Sicherheitsinteressen entwickeln. Hinzu kommt die abnehmende Bereitschaft der USA, bei militärischen Interventionen im Interesse der Europäer die Führung zu übernehmen.

Jüngere Offiziere sehen Anpassungsbedarf

Bemerkenswert ist, das vor allem jüngere Bundeswehr-Offiziere nicht nur massiven Anpassungsbedarf bei den deutschen Führungsfähigkeiten sehen. Auch die NATO-Kommandos selbst seien ungeeignet für Großkampfführung. So habe das dafür zentrale Joint Forces Command Brunssum in den Niederlanden und die NATO-Korps zu wenig Personal und damit Planungskapazitäten, um vernünftig Großverbände zu führen, lautet die Einschätzung der jungen Offiziersgeneration in Gesprächen, die loyal in der Truppe geführt hat.

Gegen den Ansatz der Führungsakademie macht vor allem die Streitkräftebasis Front, sagen Vertreter gut informierter Kreise gegenüber loyal. Im Entwurf aus der Führungsakademie würde die SKB zusammen mit der Sanität zu einem Kommando Unterstützung vereinigt. Dabei ist die Streitkräftebasis bestrebt, vom Ausbau der Führungsstrukturen für die Landes- und Bündnisverteidigung zu profitieren. Über die Rolle ihres Inspekteurs als nationaler territorialer Befehlshaber will sie die operative Führungssäule im Inland dominieren. Mit ihrem multinationalen Kommando in Ulm, das gestärkt wurde, um die NATO-Logistik in Deutschland zu führen, meint sie sich auf einem guten Weg dazu. Doch dieses operative Kommando wäre in der Konzeption der Führungsakademie hinfällig, ebenso das Einsatzführungskommando. Schon davor kam die SKB, einst als „Sockel“ der Bundeswehr vorgesehen, in die Defensive. Sie verlor zahlreiche Dienstposten durch den Aufbau der Kommandos Cyber- und Informationsraum. Sollte die SKB künftig auch noch Logistik-Ressourcen an das Heer verlieren, wäre ihr Erhalt als eigener Organisationbereich selbst bei einer konservativen Reform fraglich.

Panzerhaubitzen 2000 der Bundeswehr bei der Übung „Iron Sword“ von NATO-Streitkräften zur Bündnisverteidigung in Litauen 2016. (Foto: Bundeswehr/Jane Schmidt)

Aus der Bundeswehr heißt es, der Generalinspekteur strebt an, eine größere Reform der Bundeswehrstruktur im Koalitionsvertrag der kommenden Bundesregierung unterzubringen. Loyal hat bei den Bundestagsfraktionen nachgefragt, welche Vorstellungen sie von einer besseren Bundeswehrorganisation haben.

So positionieren sich die Bundestagsfraktionen

Auf Seiten der Linken wird eine Strukturreform abgelehnt, die darauf abzielt, die Bundeswehr weiter für Auslandsoperationen zu optimieren, wozu auch NATO-Einsätze an der Grenze zu Russland zählten. Der verteidigungspolitische Sprecher der Linken im Bundestag, Tobias Pflüger zu loyal: „Auslandseinsätze der Bundeswehr sind grundsätzlich fehlgeleitete Militärpolitik. Deutsche Soldaten haben im Ausland nichts zu suchen.“ Besser, so Pflüger, sei eine Reform, die zuerst eine kleinere Bundeswehr schafft, fokussiert auf Deutschlands Landesverteidigung.

Für den verteidigungspolitischer Sprecher der AfD, Rüdiger Lucassen, gilt dagegen: „Die Struktur der Bundeswehr muss sich allein am Auftrag Landes- und Bündnisverteidigung ausrichten.“ Dafür sei der Aufbau kampfstarker Großverbände oberstes Gebot, so Lucassen auf loyal-Anfrage. Zudem gehörten Querschnitts-Aufgaben wie Sanität und Logistik wieder in die Teilstreitkräfte; SKB und Sanität seien als Organisationsbereiche aufzulösen. Bis zur Feststellung eines Artikel-5-Falls müsse überbrückend rein national geführt werden können. Das Einsatzführungskommando könne Großkampflagen nicht bewältigen. Ein Kommando für alle Szenarien im Sinne der Führungsakademie sei zu schaffen. Die strategische Steuerung müsse ein Generalstab unter dem Generalinspekteur innehaben.

Einführung von NATO-Stabsstrukturen „unerlässlich“

Auch die FDP sieht eine Aufwertung der Militärplaner im Wehrressort als wichtig für eine bessere Landes- und Bündnisverteidigung. Marie-Agnes Strack-Zimmermann, Sprecherin für Verteidigung der FDP-Bundestagsfraktion, gegenüber loyal: „Der Generalinspekteur und die Inspekteure der Teilstreitkräfte brauchen ein direktes Vorspracherecht auf Ministerebene. Zudem ist ein eigener Führungsstab für den Generalinspekteur nötig. Es wäre zu prüfen, ob der militärische Führungsrat dazu umgebaut wird.“ Die durchgehende Einführung von NATO-Stabsstrukturen sieht Strack-Zimmermann als „unerlässlich Maßnahme“ an, um die Führungsstruktur zu straffen. Darüber hinaus müssten militärische Organisationsbereiche zusammengeführt werden. Es sei zu prüfen, so Strack-Zimmermann, den Zentralen Sanitätsdienst in die SKB einzugliedern. Ein operatives Streitkräfteführungskommando für alle Szenarien hält die FDP für einen guten Ansatz. „Das hat sich auch bei unseren Verbündeten wie den USA, Großbritannien und Frankreich absolut bewährt.“

Der Sprecher für Verteidigungsfragen der Grünen, Tobias Lindner, ist da skeptisch. „Es sollte nicht der Eindruck entstehen, dass Deutschland die NATO-Führungsstruktur als unzulänglich betrachtet. Das Letzte, was wir jetzt brauchen ist eine Vertrauenserosion im Bündnis.“ Allerdings sieht auch Lindner ein Defizit an militärischer Führung. „Für verschärfte Krisensituationen braucht es eine konsolidierte militärische Meinung und Steuerung im Ministerium. Der Generalinspekteur muss hier führungsfähig sein, was er zurzeit ohne eigenen Stab nicht ist“, so Lindner im Gespräch mit loyal. Weitere wichtige Aspekte einer Bundeswehr-Reform aus seiner Sicht: Die Nutzungsverantwortung für das Material wie Instandsetzung müsse wieder bei den Teilstreitkräften angesiedelt werden. Die zentrale Betreuung überfordere das Beschaffungsamt. Das sollte sich auf diese Kernaufgabe konzentrieren. Auch die inzwischen neun Organisationsbereiche sieht Lindner kritisch. „Den Organisationsbereich Cyber- und Informationsraum zu etablieren, aus der SKB heraus, war eine rein politische Entscheidung. Von Seiten des Militärs hatte das niemand gefordert.“

Spezialisierte Kommandos und Stäbe

Aus Sicht des verteidigungspolitischen Sprechers der Unionsfraktion, Henning Otte, haben sich das Einsatzführungs- und die NATO-Kommandos bewährt. „Denkbar ist allerdings ein streitkräftegemeinsames Führungskommando der Bundeswehr mit dem Ziel, die Bereitstellung einsatzbereiter Kontingente verantwortlich zu führen,“ so Otte gegenüber loyal. Mit Blick auf die Organisationsbereiche sieht er einen internationalen Trend zum Ausbau. „Die Bandbreite militärischer Operationen nimmt kontinuierlich zu. Beispiele sind die Cyber-Kriegsführung oder die militärische Nutzung des Weltraums. Dies macht spezialisierte Kommandos und Stäbe erforderlich.“ Für Otte ist eine Verringerung der Organisationsbereiche kein Selbstzweck. „Wir müssen abwägen, welche Doppelungen wir zu schaffen bereit sind, um Schnittstellen zu verringern. Würden wir zum Beispiel die Logistik nicht in einem eigenen Organisationsbereich führen, müssten wir viele Elemente mehrfach ausbringen. Der erhoffte Gewinn an Flexibilität und Führungsfähigkeit im Einsatz kostet viel Geld, das dann für wichtige Ausrüstung oder den täglichen Betrieb fehlen würde.“ Bei den Sozialdemokraten gibt es noch keine Vorstellungen zu einer verbesserten Bundeswehr-Struktur. Die verteidigungspolitische Sprecherin der SPD-Bundestagsfraktion, Siemtje Möller, will erst Vorschläge des Generalinspekteurs abwarten.

Die Operationszentrale des Einsatzführungskommandos in der Henning-von-Treschkow-Kaserne in Potsdam. Von hier aus werden
die Auslandskontingente der Bundeswehr betreut. (Foto: Bundeswehr/Baerwald)

Klar ist: Trotz der massiven Schwächen der Bundeswehr in der Landes- und Bündnisverteidigung ist es fraglich, ob eine Reform von Struktur und Führung kommt, die ernsthafte Belastungsproben bestehen könnte. Zwar ist der offiziell postulierte Kurs der Bundesregierung, dass Deutschland als besonders engagierte „Anlehnungsmacht“ für die NATO-Partner an der Ostflanke auftritt. Doch Eskalationen mit Russland bis zu hochintensiven Gefechten gelten bei Politik und Bundeswehr-Führung als unwahrscheinliches Szenario. Die deutsche Militärpolitik zielt zuvorderst auf eine Beruhigung der Ostflanken-Staaten, nicht auf eine Abschreckung Russlands. So bedient die Bundeswehr überall in der Region Übungen; allerdings nur mit kleinen Kontingenten. Die Überzeugung für Reformen, die klar militärische Leistungsfähigkeit anstreben, ist überschaubar. Das schafft die Tendenz, sich mit gesichtswahrenden Korrekturen an der Bundeswehr-Organisation zufriedenzugeben.

Kassensturz nach Corona

Generalinspekteur Eberhard Zorn äußerte zudem vor kurzem in der Zeitung Die Welt: „Es wird sicher einen Kassensturz nach Corona geben. Ich denke, wir müssen danach unsere militärischen Zielvorstellungen noch einmal überprüfen.“ Sollte die angelaufene Ertüchtigung der Bundeswehr versanden, bleibt das bisherige Organisationsprinzip der Bündelung dürrer Ressourcen mit dosierter Abgabe das einzig realistische, egal ob militärisch wertig oder nicht. Hinzu kommt: Trotz Renaissance der Landes- und Bündnisverteidigung, bleibt es für die Politik wichtig, sich über die Bundeswehr bei internationalen Krisen einbringen zu können. Hier verzichtet Deutschland gerne auf kinetische Mittel und leistet dafür lieber „sichtbare Beiträge“ mit Unterstützungselementen wie Sanität und Logistik. Werden diese wieder für eine effizientere Landes- und Bündnisverteidigung in die Großverbände eingewebt, werden sie schwieriger für das internationale Parkett verfügbar.

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