Briefing statt Befehlsausgabe
Die Luftwaffe kommt beim Sondervermögen gut weg. Von den 100 Milliarden Euro sollen mehr als 40 Milliarden in die zweitgrößte Teilstreitkraft investiert werden. Kein Bereich der Bundeswehr erhält mehr Geld. Problemfälle gibt es dennoch. Besuch bei einer Truppe, in der ein anderer Ton herrscht.
Wenn Fluglotse Hauptmann Manuel M.* zum Fernglas greift und vom Tower am Fliegerhorst Büchel auf die Start- und Landebahn blickt, sieht er momentan blaue Planierraupen. Die Baumaschinen eines regionalen Tiefbauunternehmens ziehen gemächlich ihre Spur. Wo sonst Tornado-Kampfjets abheben und aufsetzen, bewegen sich aktuell die Baufahrzeuge mit GPS-Unterstützung über die 2,5 Kilometer lange Piste. Sie haben in den vergangenen 15 Monaten ganze Arbeit geleistet und Asphalt und Unterbau der Landebahn abgefräst. Aktuell werden Schichten von Sand millimeterhoch genau aufgetragen und verdichtet.
Büchel in der Eifel ist aktuell die größte Baustelle der Bundeswehr – und das ist nicht im übertragenen Sinn gemeint. Eine Milliarde Euro investiert der Bund in diesen Standort zwischen Maaren und Mosel tief im Westen Deutschlands – so viel wie nirgends sonst. Die bereits in den 1960er-Jahren gebaute Startbahn 21/03 wird komplett erneuert. Wenn es so kommt, wie es sich die Planer vorgenommen haben, wird die neue Startbahn den Piloten kein Bauchgrimmen mehr bereiten. Wegen einiger langgestreckter Erdwellen, über die sich die alte 21/03 zog, konnten die Männer in ihren Cockpits beim Start das Ende der Piste nicht sehen. Das soll sich mit dem Neubau ändern.
Die Dienste von Fluglotse Hauptmann M. sind wegen der Baustelle schon seit Längerem eher ruhig. Das in Büchel beheimatete Taktische Luftwaffengeschwader 33 wurde im Sommer vergangenen Jahres mit 25 Maschinen und 450 Mann nach Nörvenich in Nordrhein-Westfalen verlegt, um den Dienstbetrieb aufrechtzuerhalten. Bis zum Abschluss der Bauarbeiten in Büchel 2026 starten die Kampfflugzeuge des Geschwaders vom Ausweichflugplatz westlich von Köln. Die 25 Bücheler Fluglotsen sind in dieser Zeit aber nicht arbeitslos. Denn die Tornado-Werft in Büchel ist weiterhin in Betrieb, und so kommen immer wieder Maschinen zur Instandhaltung reingeflogen. Sie landen dann auf dem Taxiway, der Verbindung zwischen Piste und Vorfeld. Die ist bei Weitem nicht so breit wie die alte Landebahn, aber für Starts und Landungen zugelassen.
Die Luftwaffe verfügt aktuell noch über 83 Tornados im operativen Flugbetrieb. 1995 hatte die Bundeswehr die Höchstzahl an Tornados zur Verfügung: 339 Exemplare. Das ist lange her. Bis 2030 sollen die betagten Fluggeräte außer Dienst gestellt werden. Während es auf der Bücheler Landebahn schon kräftig mit den Bauarbeiten vorangeht, steht das zweite große Bauprojekt auf dem Fliegerhorst noch in den Anfängen: Am Rande des Flugplatzes sollen Stellflächen, Hangars und eine Werft für den neuen Tarnkappen-Mehrzweckkampfjet F-35 entstehen, das kommende Glanzstück der deutschen Kampfflieger. Die F-35 wird hier ihren einzigen Standort in Deutschland haben. Knapp zehn Hektar Wald sind dafür schon gerodet worden.
Die Bundesrepublik hat 35 Stück dieser Maschine geordert, die als das modernste Kampfflugzeug der Welt gilt (siehe Kasten auf S.15). Mit den Baumaßnahmen auf dem Fliegerhorst Büchel und der konventionellen Bewaffnung der neuen F-35 belaufen sich die Kosten für das Waffensystem auf 8,3 Milliarden Euro. Der Haushaltsausschuss des Bundestags hat es Ende vergangenen Jahres aus dem Bundeswehr-Sondervermögen freigegeben.
Nicht das einzige Beschaffungsprojekt
Doch das ist nicht das einzige Beschaffungsprojekt für die Luftwaffe in diesen Dimensionen. Im Juli gab der Haushaltsausschuss knapp sieben Milliarden Euro für 60 schwere Transporthubschrauber vom Typ Boeing CH-47 „Chinook“ als Nachfolger für die 50 Jahre alte Sikorsky CH-53 frei. Die eklatante Fähigkeitslücke bei der bodengebundenen Luftverteidigung soll mit rund fünf Milliarden Euro geschlossen werden. Angeschafft wird das weitreichende israelische System Arrow 3 und für den Mittelbereich das deutsche Flugabwehrsystem Iris-T SL. Zudem soll die mobile Nahbereichs-Flugabwehr unter Führung der Luftwaffe wieder aufgebaut werden. Als Einstieg ist eine Beschaffung von Skyranger-Flugabwehrpanzern noch in diesem Jahr vorgesehen.
Die Bundeswehr hatte einst eine effiziente Luftverteidigung; die wurde nach dem Ende des Kalten Kriegs leichtsinnigerweise aufgegeben. So wie überhaupt die Luftwaffe nach der Wiedervereinigung um zwei Drittel reduziert wurde. Nun ist sie im Aufwind – und steht bei den Neuanschaffungen im Vergleich zu Heer und Marine gut da. Fast 41 Milliarden Euro aus dem 100-Milliarden-Euro-Sondervermögen entfallen allein auf die Luftwaffe. Das Heer bekommt 16,6 Milliarden Euro, die Marine rund 19 Milliarden Euro.
Dass die Luftwaffe wieder Luft unter den Flügeln hat und im harten Verteilungskampf der Teilstreitkräfte so gut abschneidet, hat etwas mit einem Mann zu tun: Luftwaffeninspekteur Ingo Gerhartz. Der Generalleutnant ist seit 2018 auf diesem Posten. Mit 52 Jahren übernahm er die Führung der Luftwaffe in einer schweren Krise. Die Einsatzbereitschaft selbst der modernsten Systeme wie dem Kampfjet Eurofighter und dem Transportflugzeug A400M war skandalös niedrig. Dem Inspekteur gelang es, sie um bis zu 80 Prozent zu steigern. Er stoppte eine Kündigungswelle frustrierter Piloten und schuf die Grundlagen für die nun anstehenden Neubeschaffungen. Nach dem Überfall Russlands auf die Ukraine war es Gerhartz als erstem der Inspekteure gelungen, die Verantwortlichen im Kanzleramt und im Haushaltsausschuss davon zu überzeugen, dass seine Luftwaffe die Milliarden aus dem Sondervermögen am dringendsten braucht.
Mit 57 Jahren noch selbst in der Luft
1965 wurde Gerhartz in Cochem an der Mosel geboren, nur ein paar Kilometer entfernt vom Fliegerhorst Büchel. Im Dorf Büchel wuchs er auf. Der Lärm der Nachbrenner der Düsenjäger war der Sound seiner Kindheit – es war der „Sound of Freedom“, wie altgediente Luftwaffensoldaten schwärmen. Der Luftwaffeninspekteur fliegt noch mit 57 Jahren selbst den Eurofighter – kürzlich eine von sechs Maschinen sogar in Australien, um dort militärische Solidarität zu demonstrieren. Kein anderer Luftwaffenchef in der NATO setzt sich in einen Kampfjet an den Steuerknüppel, schaltet das Triebwerk ein und hebt mit 150.000 PS ab.
Gerhartz führt nicht nur gern von vorn, er ist auch Diplomat in Uniform, was er unlängst bei einem Besuch in Indien gezeigt hat. Das Land besitzt die drittgrößte Luftwaffe der Welt, und Gerhartz traf sich mit deren Chef, Air Marshal Chaudhari, und warb für die Idee einer gemeinsamen Übung im nächsten Jahr. Zuletzt verschaffte er sich im Juni Respekt mit dem Manöver Air Defender 23, der größten Verlegeübung von Luftstreitkräften seit Bestehen der NATO. Deutschland hatte hier die Führungsrolle. Was Gerhartz und seine Leute da in die Luft brachten, war eine logistische und technische Meisterleistung, die Deutschlands Luftwaffe vonseiten der NATO viel Lob einbrachte. Diese Großübung dürfte auch im Kreml zur Kenntnis genommen worden sein.
Gerhartz ist mit markanter Glatze und durchtrainiertem Body ein Role Model für den Offiziersnachwuchs der Luftwaffe. Die Wochenzeitung „Die Zeit“ fragte in einer ganzseitigen Story: „Ist das Bruce Willis?“ Der Kinofilm „Top Gun“ würde zu ihm passen, aber als Wiedergänger des jünglinghaften Tom Cruise ist Gerhartz zu kantig. In der Politik gilt er als bestens vernetzt. Hart in seinen Forderungen und konziliant im Auftreten – so beschreiben ihn die, die ihn kennen.
Wenn es sein muss, kann Gerhartz schnell entscheiden. Zu seinen Problemfällen gehört die Flugbereitschaft, deren notorische Unzuverlässigkeit Spitzenpolitiker zur Verzweiflung bringt. Immer wieder blieben sie mit den betagten Maschinen irgendwo in der Welt liegen. Zuletzt passierte es Außenministerin Annalena Baerbock im August auf einem Flug nach Australien. Die Landeklappen des Airbus A340 funktionierten nicht, die Delegation strandete in Abu Dhabi. Das war für Gerhartz eine Panne zu viel. In Abstimmung mit dem Verteidigungsministerium ordnete er kurzerhand die Außerdienststellung der beiden A340 an. Wie die Flugbereitschaft die Anforderungen der Ministerriege nun erfüllen soll, ist unklar. Vermutlich wird dem Inspekteur auch dafür irgendeine kreative Lösung einfallen.
Unbeeindruckt von der überbordenden Bürokratie
Zu seinem Erfolgsrezept gehört auch, sich nicht von der überbordenden Bürokratie beeindrucken zu lassen. Über Bedenken hinweg löste er aus der starren Hierarchie mehrere Oberste heraus, die sich um nichts anderes als die Einführung der geplanten neuen Waffensysteme kümmern sollen. F-35-Beauftragter ist Oberst Thomas Kullrich. loyal traf den 48-Jährigen in Büchel. Mit der F-35, diesem bei etlichen Verbündeten im Einsatz oder in Anschaffung befindlichen Kampfflugzeug, „steigen wir in eine Familie ein“, sagt Kullrich. Dass die F-35 in den kommenden Jahren zum Standardkampfjet der NATO wird, sei für alle Beteiligten von Vorteil. Zusammenspiel, Instandhaltung und Abstimmungen würden deutlich vereinfacht. 2026, so Kullrich, sollen die ersten F-35 für die Luftwaffe in Dienst gestellt werden. Allerdings verbleiben sie für die Ausbildung zunächst in den USA, auf der Ebbing Air National Guard Base in Fort Smith, Arkansas. Die ersten Exemplare kommen laut den Planungen 2027 in Büchel an. Bis 2030 soll die F-35-Flotte voll aufgewachsen sein, der Tornado wird dann Geschichte sein.
Für Gerhartz’ Vorgänger als Luftwaffeninspekteur, Karl Müllner, der den Posten von 2012 bis 2018 und damit so lange bekleidete wie niemand vor ihm, zeigt sich jetzt, dass es ein entscheidender Vorteil war, früh mit den Planungen für neue Waffensysteme begonnen zu haben. „Der heute gute Zustand der Eurofighter-Flotte ist auf das zurückzuführen, was 2014 entschieden wurde“, sagte Müllner im Gespräch mit loyal. 2014, das war das Jahr der Annexion der Krim durch Russland – und das Jahr, in dem die Luftwaffe schon in der Politik Alarm schlug, als Heer und Marine noch still unter dem politischen Desinteresse und dem Verfall ihrer Waffensysteme litten.
„Inspekteure sind Vordenker in ihrer Domäne“
Angesprochen auf die Rolle des jeweiligen Inspekteurs im Verteilungskampf der drei Teilstreitkräfte meint Müllner, dass es durchaus auf die Persönlichkeit an der Spitze ankomme. „Die Inspekteure sind Vordenker in ihrer Domäne. In Zeiten wie heute, in denen die Notwendigkeit erkannt wird und in denen das Geld da ist, erhöht sich die Durchschlagskraft eines Inspekteurs, wenn er sein Anliegen gut verkaufen kann.“ Müllner fügt hinzu: „Ein Inspekteur Luftwaffe muss schon sagen, was er für seine Aufgabenerfüllung braucht. Er darf nicht Rücksicht nehmen, ob er jemandem anders etwas wegnimmt.“ Müllner räumt aber ein: „Wenn man zu forsch oder zu fordernd auftritt – vielleicht auch noch über die Öffentlichkeit -, dann erzeugt das Unmut. Weil dann entweder die anderen nachziehen müssen. Oder die eigenen Leute werfen einem vor, sich im Verteilungskampf nicht durchgesetzt zu haben.“
Gerhartz scheint dieses Geschäft perfekt zu beherrschen. Dass die Luftwaffe Persönlichkeiten wie ihn hervorbringt, die zugleich locker, nahbar, hoch kompetent, politisch geschickt und auch noch militärische Denker sind, hängt mit der Geschichte der Luftwaffe und der besonderen Kultur zusammen, die sie prägt. Einem Witz zufolge sitzen ja bei der Bundeswehr alle in einem Boot: Das Heer rudert, die Marine steuert und die Luftwaffe fährt Wasserski. Wie in solchen Bonmots üblich, enthält es einen Kern Wahrheit. Den „harten Kerlen vom Heer“ standen von Beginn an – nämlich im Ersten Weltkrieg – die „lockeren Jungs von der Fliegerei“ gegenüber. Während die Infanteristen direkt an der Westfront in dreckigen Schützengräben ausharrten, tagaus, tagein den Tod vor Augen, waren die Piloten in requirierten Landhäusern mehr oder weniger weit hinter der Front komfortabel untergebracht und schliefen in bequemen Betten. So verlustreich die Einsätze in ihren fliegenden Kisten waren, so kurz waren sie auch. Nach der Rückkehr auf den Feldflugplatz konnten sich die Fliegerasse bis zum nächsten Einsatz ausreichend erholen.
Der Historiker Dr. Harald Potempa, am Zentrum für Militärgeschichte und Sozialwissenschaften der Bundeswehr in Potsdam Experte für die Geschichte der Luftwaffe, sagt: „Hinzu kommt, dass die Luftwaffe in erster Linie eine technische Truppe ist. Hier hat der Vorgesetzte nicht mehr den Überblick über alle Details seines Waffensystems. Bei der Luftwaffe muss sich der Dienstgradhöhere darauf verlassen können, dass seine Spezialisten ihren Job gemacht haben. Schon im Ersten Weltkrieg bekommt in der Feldfliegertruppe – anders als beim Heer – auf der Ebene der Mannschaften der erlernte Beruf des einzelnen Soldaten eine herausragende Bedeutung.“
Ohne Team hebt kein Pilot ab
Heute repräsentiert der Claim „Team Luftwaffe“ das Zusammengehörigkeitsgefühl dieser Teilstreitkraft. Der stellvertretende Luftwaffeninspekteur Generalleutnant Lutz Kohlhaus, der auf 43 Dienstjahre zurückblickt, erinnert sich in diesem Zusammenhang an seine Anfänge als Feuerleitoffizier im damaligen Flugabwehrraketensystem Nike Hercules: „Links neben mir saß ein Unteroffizier, rechts ein Gefreiter. Insgesamt war ein Team von 30 bis 35 Soldaten notwendig, um unser Waffensystem zum Einsatz zu bringen. In fliegenden Verbänden ist das ähnlich. Kein Pilot hebt ab, wenn nicht zuvor ein ganzes Team gute Arbeit geleistet hat“, so Kohlhaus im loyal-Gespräch.
Dieser Teamgedanke führte zusammen mit einem ausgeprägten Spezialistentum zu einem besonderen Umgang miteinander und schuf ein ganz eigenes Selbstbewusstsein. Flieger waren die ersten Soldaten, die Krawatte trugen. Sie traten zuweilen gegenüber ihren Kameraden vom Heer hochnäsig auf. Man könnte die kulturellen Unterschiede in dem Satz zusammenfassen: „Briefing statt Befehlsausgabe“ – hier verständiges Mitteilen, dort striktes Prinzip Befehl und Gehorsam. Nach dem Zweiten Weltkrieg tat die mit der Gründung der Bundeswehr 1955 einsetzende Amerikanisierung der Luftwaffe ein Übriges. Jeder Pilot und jeder Flugzeugmechaniker durchlief seine Ausbildung in den USA – und zwar in den prägenden jungen Jahren des Lebens. Das blieb nicht ohne Folgen.
Einer der Vorgänger des aktuellen Luftwaffeninspekteurs Gerhartz war Generalleutnant Günther Rall, von 1971 bis 1974 Luftwaffenchef der Bundeswehr und im Zweiten Weltkrieg mit 275 Abschüssen nach Erich Hartmann und Gerhard Barkhorn dritterfolgreichster deutscher Jagdflieger aller Zeiten. 1971 posierte Rall für ein Foto locker im Cockpit eines Starfighters, den Ellenbogen auf dem Kabinenrand ruhend, als säße er in einem amerikanischen Straßenkreuzer. Er lächelte cool in die Kamera. Zeitgenossen sagten ihm einen federnden Western-Style-Gang nach. Rall war ein typisches Produkt der Wirkmächtigkeit amerikanischer Kultur in der Bundeswehr.
Zum Selbstbewusstsein der jungen Bundeswehr-Luftwaffe trug auch bei, dass ihre Erstausstattung an fliegendem Gerät in den Jahren 1955 und folgenden vom Feinsten war, während die kriegserfahrenen Heeresoffiziere über die gebrauchten amerikanischen Panzer die Nase rümpften. Selbst in den letzten Kriegsjahren hatten sie besseres Gerät gesehen als das, was ihnen da Ende der 1950er-Jahre auf den Hof gestellt wurde.
Doch wie geht es mit Luftwaffe weiter? Generalleutnant Kohlhaus, der zuletzt drei Jahre in einer NATO-Verwendung tiefe Einblicke in die integrierte Luftverteidigung des Bündnisses bekommen hat, sagt: „Der größte Schock, den die NATO-Nationen erlebt haben, war die unterschiedslose Bombardierung von Wohnquartieren, Kirchen, Krankenhäusern und Kindergärten in der Ukraine im Zuge des russischen Angriffskriegs. Niemand hatte damit gerechnet, dass wir in der heutigen Zeit eine solch barbarische Kriegsführung erleben würden.“ Das hatte Konsequenzen: „Es wurde allen klar, dass wir bei der Luftverteidigung aufholen müssen.“
Luftverteidigung eines der wichtigsten Projekte
Für Kohlhaus ist die Luftverteidigung eines der wichtigsten Projekte der Luftwaffe. Der gelernte FlaRak-Offizier sieht Deutschland mit dem kommenden Arrow-3-System gemeinsam mit dem neuen Waffensystem Iris-T SL und einer modernisierten Patriot-Plattform künftig erstmals national in der Lage, alle Höhenbereiche in der integrierten Luftverteidigung der NATO abzudecken. Das Kampfflugzeug F-35 wird nach Kohlhaus’ Einschätzung nicht nur die nukleare Teilhabe sicherstellen, sondern durch seine Fähigkeiten in der Luftverteidigung und im Luftangriff auch abschrecken. Neue Tranchen des Eurofighters werden die elektronische Kampfführung verbessern. Und die Transportfähigkeiten werden durch die A400M und Chinook-Hubschrauber wieder auf eine solide Basis gestellt.
Doch ob all diese Investitionen nachhaltig sind, ist unsicher. Der Verteidigungshaushalt wächst 2024 nur um 1,7 Milliarden Euro auf dann 52 Milliarden Euro. Davon sind 22,4 Milliarden Euro Personalkosten. Um das Zwei-Prozent-Ziel der NATO zu erreichen, wäre ein Etat von 75 Milliarden Euro notwendig – Tendenz steigend. Das ist angesichts der finanziellen Lage in Deutschland und den Prioritätensetzungen der Ampel-Regierung in Berlin illusorisch. Die guten Zeiten für die Luftwaffe dürften also schon bald wieder vorüber sein.
Lockheed Martin F-35
Die F-35 „Lightning II“ ist ein Mehrzweckkampfflugzeug der fünften Generation. Sie gilt als modernstes Kampfflugzeug der Welt. Hergestellt wird es vom Rüstungs- und Technologiekonzern Lockheed Martin mit Sitz im US-Bundesstaat Maryland. Das auffälligste Merkmal der F-35 ist die ausgeprägte Tarnkappeneigenschaft, die die Möglichkeiten der gegnerischen Aufklärung fast auf null senken soll. Die Trankappenfähigkeit geht allerdings auf Kosten der Wendigkeit.
Die F-35 benötigt im Gegensatz zum Tornado keinen Waffensystemoffizier mehr. Der Einsitzer verfügt – wie seinerzeit der Starfighter – auch nur noch über ein Triebwerk der Marke Pratt & Whitney. Da die F-35 als Mehrzweckkampfflugzeug ausgelegt ist, stehen für die Bewaffnung eine große Auswahl an Raketen und Bomben zur Verfügung: gelenkte Bomben, Luft-Boden-Raketen und Luft-Luft-Raketen. Für die Bundeswehr wird sie als Nachfolger des Tornados Träger der nuklearen Teilhabe sein; sie kann also im Kriegsfall amerikanische B-61-Atombomben in gegnerische Ziele bringen.
Die Maschine fliegt bis gut 15 Kilometer hoch, hat einen Einsatzradius von rund 1.000 Kilometern und kann acht Tonnen Waffenlast tragen. Die Höchstgeschwindigkeit beträgt 1,6 Mach.Die Bundeswehr hat 35 Exemplare der F-35 in der konventionellen Version A bestellt. Es gibt noch zwei weitere Versionen. Eine Senkrechtstartversion (B) für kurze Landebahnen und kompakte Flugzeugträger. Die C-Version ist speziell für die Flugzeugträger der US-Navy ausgelegt und verfügt mit größeren Tanks über eine höhere Reichweite. Bereits jetzt fliegen zehn Nationen die F-35. Allein die USA betreiben knapp 2.500 Exemplare. Neben Deutschland haben weitere sieben Staaten das Flugzeug bestellt, vier erwägen den Kauf.
(* Name auf Wunsch der Bundeswehr abgekürzt.)