Die neue Sicherheitsstrategie Großbritanniens setzt auf einen Paradigmenwechsel. Statt klassischen militärischen Fähigkeiten steht Technologieführerschaft im Vordergrund. Die Heeresstärke wird abgesenkt. Ist dieses Vorgehen ein Vorbild für die Bundeswehr?
JA
Der geplante Personalaufwuchs auf 203.000 Soldaten und gleichzeitig mehr Investitionen in Ausrüstung und neue Technologien sind nicht finanzierbar. Bereits heute erreicht der Investitionsanteil des Wehretats aufgrund hoher Personal- und Betriebskosten nicht die 20 Prozent NATO-Zielmarke. Der Krieg um Bergkarabach hat die Bedeutung des Einsatzes von neuen Technologien vor Augen geführt. Diese Entwicklung steht erst am Anfang. GB, USA, China und Russland investieren massiv in neue Fähigkeiten – von Cyber, KI bis Space. Deutschland darf sich dieser Entwicklung nicht entziehen und muss mehr und zukunftsgerichteter investieren. Nur so bleibt die Bundeswehr im Bündnis interoperabel und relevant. Die Politik muss entscheiden: Personalaufwuchs oder Investitionen in neue Technologien.
Matthias Wachter
Abteilungsleiter beim Bundesverband der Deutschen Industrie, Oberstleutnant d. R
NEIN
In der Mitte Europas braucht die NATO ein größeres, einsatzbereites deutsches Heer. Es muss schnell verlegefähig sein und sich in der Bewegung selbst schützen können, auch gegen Luftbedrohung. Der deutsche Heeresbeitrag gehört zum Kern der kollektiven Verteidigung Europas, der nicht substituierbar ist durch die Fähigkeiten von Partnern. Hier liegt für die Bundeswehr der Schwerpunkt. Deshalb ist die Vollausstattung und Modernisierung so wichtig – wie auch eine neue Gliederung unserer Landstreitkräfte. Großbritanniens militärischer Schwerpunkt dagegen liegt nicht bei seinem Expeditionsheer und nur zum Teil in Europa. Hightech-Armeen aber müssen beide NATO-Nationen ausrüsten, zweite Wahl wäre nicht akzeptabel, egal ob im asymmetrischen Einsatz „out of area“ oder in der Bündnisverteidigung.
Dr. Hans-Peter Bartels
Früherer Wehrbeauftragter des Deutschen Bundestages