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Die begehrte Weltall-Region

Der Weltraum wird zunehmend vom Wettstreit der Großmächte erfasst. Vor allem eine Region steht dabei im Mittelpunkt, da sie besonderen strategischen Wert besitzt. Cislunar nennen sie Fachkreise.

Der Cislunare Raum ist der All-Bereich um die Erde, der sich bis knapp hinter die Umlaufbahn des Mondes erstreckt.

Grafik: National Science & Technology Council (NSTC)

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Die cislunare Region beginnt in der Höhe des geostationären Orbits und erstreckt sich bis zur Mondoberfläche. Bezeichnend ist, dass sämtliche Aktivitäten in dieser weitgehend unerschlossenen Domäne von den Großmächten wie China und den USA als Sicherheitsprobleme wahrgenommen werden und deshalb eine dortige Militarisierung vorantreiben.

So bietet der cislunare Raum vorteilhafte Bedingungen für Satelliten. Dieser Raum ist mit dem Mond geopolitisch verbunden über sogenannte Lagrange-Punkte. Dies sind begehrte Punkte im Weltraum, da sich dort die Gravitationskräfte des Mondes und der Erde gegenseitig aufheben. Befände sich ein Satellit in den Umlaufbahnen solcher Punkte, Halo-Orbit genannt, würde dieser dort ohne großen Antrieb seine Position halten und die Umlaufbahn nahezu parkend umkreisen. Angesichts dieser Vorteile und der zunehmenden Aktivitäten ist es naheliegend, dass das US-Militär in diesen Halo-Orbits Weltraumüberwachungssysteme anbringen möchte. Relevant erscheint dies spätestens seit der Landung der chinesischen Chang’e-4-Raumsonde auf der Rückseite des Mondes und der Anbringung des Relais-Satelliten Queqiao im Halo-Orbit des Lagrange-Punktes L2. Letzterer ermöglicht die Kommunikation zwischen Raumsonde und der chinesischen Bodenstation auf der Erde.

Der Mond als Abschluss des cislunaren Raumes wird als Ressourcenquelle interessant. Wertvolle Metalle und andere Ressourcen sollen sich auf der Mondoberfläche befinden, mit Bedeutung für zivile und militärische Anwendungen. Neben Uran, Thorium, Deuterium und Lithium sollen auf dem Mond auch Ablagerungen von Helium-3 existieren. Dieses Isotop kommt auf der Erde kaum vor und ist daher von möglichem Interesse unter anderem als potenzieller Brennstoff für die Kernfusion. Die Krater am Südpol des Mondes sollen zudem Wassereis beinhalten, was als Treibstoffquelle und zur Erzeugung von Sauerstoff relevant ist. Die Mondexploration und ein dauerhafter Aufenthalt erscheinen damit sinnvoller als noch bis vor einigen Jahren.

Klassisches Weltraumrecht stößt an seine Grenzen

NASA-Administrator Bill Nelson äußerte sich kürzlich besorgt darüber, dass China als erstes auf dem Mond landen, diesen beanspruchen und andere Staaten an der Mondexploration hindern könnte. China wiederum fürchtet ein neues Vertragswerk der USA, mit dem diese Regeln zur Nutzung des cislunaren Raums gestalten und durchsetzen wollen – die Artemis-Abkommen von 2020. Diesem sind bis jetzt 27 Staaten beigetreten. Aus Sicht Pekings ist der Versuch Washingtons, eine Weltall-NATO aufzubauen.

Während der cislunare Raum weiter an Bedeutung gewinnt, stößt das klassische Weltraumrecht an seine Grenzen. Dieses erhebt den Anspruch, jegliche Aneignung und militärische Aktivität des Weltalls durch Staaten zu unterbinden. Doch beispielsweise der Mondvertrag von 1979 blieb praktisch bedeutungslos. Wichtige Staaten unterzeichneten diesen nie, und die USA lehnten den Vertrag zuletzt explizit als Völkergewohnheitsrecht ab. Der Mondvertrag stehe nicht im Einklang mit ihren kommerziellen Interessen. Festgefahrene UN-Verhandlungen blockieren zudem bislang eine Anpassung des Weltraumrechts an aktuelle Umstände.

Die Chang’e-4-Raumsonde, mit der China 2019 die erste Landung auf der Rückseite des Mondes gelang. (Foto: CSNA/Siyu Zhang/Kevin M. Gill/via wikipedia)

Die Artemis-Abkommen sind somit eine Chance, überhaupt Regeln für ein Agieren im Weltall zu schaffen, in das sich immer mehr staatliche und nichtstaatliche Akteure einreihen. Allerdings ist das Vertragsdesign hoch umstritten. Denn die USA, nicht etwa internationale Gremien wie die UN, legen die Regeln fest, an die sich internationale Vertragspartner künftig halten müssen, wenn sie dem Artemis-Programm beitreten. Obwohl das Artemis-Vertragswerk alle Staaten adressiert, grenzt zudem ein nationales Gesetz mit der Bezeichnung „Wolf Amendment“ China kategorisch aus. Dieses untersagt nämlich eine NASA-Kooperation mit dem geopolitischen Wettbewerber. Der multilaterale Wert der Accords ist somit fraglich.

„Sicherheitszonen“ auf dem Mond?

Essenziell ist auch die Kritik am Inhalt. In dessen Mittelpunkt steht die Ressourcengewinnung im cislunaren Raum. Laut den Artemis-Abkommen soll der Abbau von Rohstoffen in Himmelskörpern möglich sein, was keiner Aneignung entspräche. Eine gewagte Sichtweise. Laut dem Weltraumvertrag von 1967, dem auch die USA beigetreten sind, ist die Aneignung von Himmelskörpern verboten. Zudem soll es Artemis-Staaten möglich sein, für Aktivitäten auf dem Mond „Sicherheitszonen“ zu errichten.

Eine universalgültige Definition dazu existiert bislang nicht. Weltraumrechtsexperten sehen hier ein Spannungsverhältnis mit dem besagten Verbot der nationalen Aneignung des Mondes durch Beanspruchung der Hoheitsgewalt.

Als Gegenstück zu den Artemis-Accords brachte China gemeinsam mit Russland kurze Zeit später ein eigenes Konzept mit dem Titel International Lunar Research Station (ILRS) hervor. Auch hier geht es um eine multinationale Mondbasis am Südpol des Mondes und eine Raumstation in der Mondumlaufbahn – beides unter Führung Chinas. Bislang unterstützen unter anderem Pakistan und die Vereinigten Arabischen Emirate vertraglich die geplante Mission. Venezuela trat vor Kurzem bei; und Malaysia zeigt Interesse.

Die erste Besatzung der chinesischen Weltraumstation: Tang Hongbo, Nie Haisheng und Liu Boming (v.l.n.r.) bei der Shenzhoue-12-Mission von 2021. (Foto: picture alliance/Xinhua News Agency)

Die Idee des ILRS erlitt in jüngster Zeit diverse Rückschläge. Durch die Ukraine-Invasion leidet Russlands Raumfahrt unter dem Kooperationsabbruch mit der ESA und westlichen Partnern sowie Sanktionen. Bezeichnend ist hier der Verlust der russischen Raumsonde Luna-25, die kürzlich auf dem Mond abstürzte. Auch die Partnerschaft zwischen den Vereinigten Arabischen Emiraten und China beim Mond-Rover „Rashid 2“ missglückte, da amerikanische Komponenten verbaut waren und deshalb die strikten Exportbeschränkungen der USA griffen.

Beitritt Indiens hatte politische Signalwirkung

Eine große politische Signalwirkung hatte dagegen der Beitritt Indiens zum Artemis-Abkommen im Sommer dieses Jahres. Der etablierte Raumfahrtakteur pflegte in der Vergangenheit gute Beziehungen zu Russland, ist aber zugleich ein geopolitischer Konkurrent Chinas. Lange Zeit stellte dies ein strategisches Dilemma für Indien dar, doch der weltraum- und geopolitische Nutzen schienen mit einer US-Annäherung größer zu sein, als dem ILRS beizutreten. Zuletzt landete Indien die Mondsonde Chandrayaan-3 erfolgreich in der Region des Mond-Südpols, unmittelbar nach dem Absturz der russischen Luna-25.

Vor dem Hintergrund dieser Entwicklungen sind die geopolitischen Implikationen der Artemis-Accords und der International Lunar Research Station unverkennbar. Das zeigt sich in zweierlei Hinsicht: Beide Missionen bergen das Potenzial, die internationale Raumfahrtgemeinschaft in zwei politische Lager zu spalten, deren Machtzentren jeweils die USA und China bilden. Während sich das bereits abzeichnet, versuchen die USA ihren Führungsanspruch auch militärisch zu festigen. So unterzeichnete die zivile NASA mit der US Space Force 2020 eine gemeinsame Absichtserklärung. Diese betont das Bedürfnis, die strategischen Interessen Amerikas außerhalb des geostationären Orbits zu erweitern und die NASA im cislunaren Raum durch das Militär operationell zu unterstützen. Seitdem befindet sich unter anderem das 76 Millionen US-Dollar teure Satellitenprogramm „Oracle“ in Entwicklung, welches 2025 starten soll. Von dem Programm erhofft sich das US-Militär vor allem eine bessere Kontrolle im cislunaren Raum, indem es dort später Fähigkeiten zur Weltraumlageerfassung aufbaut.

Die Entwicklungen im cislunaren Raum sind ungewiss und beinhalten Chancen wie Risiken, die zunächst nüchtern betrachtet werden sollten. Befürchtungen über die Gefahren einer Militarisierung des Erde-Mond-Systems infolge dieses Wettlaufs sind durchaus berechtigt. Andererseits unterlagen neu erschlossene Gebiete mit wirtschaftlichen und politischen Vorteilen immer schon sicherheits- und machtpolitischen Interessen. Daher sind solche Entwicklungen normal. Die Artemis-Abkommen könnten sich allerdings als eine pragmatische Alternative zum gescheiterten Mondvertrag herausstellen. Ob die Accords aber mögliche Nutzungskonflikte und sicherheitspolitische Rivalitäten im cislunaren Raum abschwächen oder gar abwenden werden, bleibt offen. Interessant bleibt auch die parallele Entwicklung der ILRS-Mission.


Hintergrund: Cislunarer Raum

Der Cislunare Raum ist der All-Bereich um die Erde, der sich bis knapp hinter die Umlaufbahn des Mondes erstreckt und alle fünf Lagrange-Punkte (L) umfasst. Alle fünf Punkte sind in Bezug auf die Erde und den Mond positionsstabil und befinden sich an Orten, an denen praktisch keine Schwerkraft herrscht. Das macht sie für die Raumfahrt besonders wertvoll. Denn es sind keine Hitzeschilde oder Landebeine erforderlich, damit Fahrzeuge eine dort platzierte Station ansteuern können. Sogar große Objekte, die dort in Halo-Umlaufbahnen platziert werden, können mit minimalem Treibstoffverbrauch zur Stationierung gehalten werden.

Grafik: National Science & Technology Council (NSTC)

Der Autor

Sonay Sarac (M.A.) ist Referent für Weltraumsicherheit bei der Deutschen Raumfahrtagentur und angehender Reserveoffizier. Er studierte Politikwissenschaften sowie Friedens- und Konfliktforschung an der TU Darmstadt und der Goethe-Universität in Frankfurt.

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