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„Das erinnert an Tirpitz“




Symbolbild: Die Korvette der Buyan-M-Klasse „Velikiy Ustyug“ liegt im Juli 2022 im Hafen von St. Petersburg.

Foto: Alexander Eremin via unsplash.com

Marinerussland

Der russische Präsident Wladimir Putin hat vor wenigen Wochen nach nur sieben Jahren eine neue, umfangreiche Marine-Doktrin verabschiedet. Moskau rüstet sich für die große Auseinandersetzung. Sein Augenmerk liegt auf der Arktis. Prof. Dr. Joachim Krause, Leiter des Instituts für Sicherheitspolitik in Kiel, beantwortet im loyal-Interview Fragen zur maritimen Sicherheit.

Herr Professor Krause, welche Rolle spielt die Marine für Putins Russland?
Russland ist in erster Linie eine Landmacht, was sich auch im aktuellen Krieg in der Ukraine zeigt. Die Marine hat hier die Funktion, die Ukraine von der See her abzuschließen. Dies gelingt ihr allerdings immer weniger, denn aufgrund der ukrainischen Stärke traut sich die russische Marine kaum noch in den westlichen Teil des Schwarzen Meeres. Russlands Stärke liegt generell bei U-Booten und der Untersee-Kriegsführung. Hier hat Russland Fähigkeiten aufgebaut, um Infrastruktur auf dem Meeresboden zu zerstören.

Haben wir die Zerstörung der Nordstream-Pipelines den Russen zuzuschreiben?
Es sieht danach aus. Ich wüsste nicht, wer anders als die Russen das hätte machen können. Die Amerikaner haben keine U-Boote in der Ostsee, und weder wir noch Schweden, Finnen oder Polen würden so etwas machen. Vermutlich wollten uns die Russen demonstrieren, wie verwundbar unsere Infrastruktur auf dem Meeresboden ist. Sie haben das an einem Stück Infrastruktur gezeigt, das ihnen selbst gehört. Das war weniger ein feindseliger Akt, sondern mehr eine subtile Form der Warnung.

Was sind die größten Unterschiede zwischen der letzten russischen Marine-Doktrin von 2015 und der aktuellen von 2022?
Die von 2015 war sehr viel kürzer. Sie hatte 22 Seiten, die neue umfasst in der englischen Version 46 Seiten. Vergleichbare amerikanische Papiere kommen mit 15, vielleicht auch einmal 20 Seiten aus. Die neue russische Marine-Doktrin ist sehr politisch und sehr ambitioniert. Die dort ausgebreiteten Pläne überfordern die russische Werftindustrie. Man fragt sich auch, woher dafür das Geld kommen soll, gerade auch angesichts der Kosten für den Ukraine-Krieg und angesichts der westlichen Sanktionen. Das erinnert irgendwie an Tirpitz. Die Doktrin ist im Übrigen sehr stark gegen die USA gerichtet. Russland sieht in den USA einen Gegner, der angeblich alles daransetzt, Russland an der Ausübung seiner Macht zu hindern. Interessant ist die Priorisierung: 2015 lag das Hauptaugenmerk noch auf dem Atlantik, jetzt ist es die Arktis und an zweiter Stelle der Pazifik, erst dann kommt der Atlantik.

Sie sagen, die USA wird als der Gegner schlechthin angesehen. Kann man von einer Kampfansage an den Westen sprechen?
Russische Kampfansagen gehören zum üblichen Inventar russischer Politikerreden. Putin versucht sich als Anwalt des Aufstands der Weltgemeinschaft gegen die USA zu positionieren – was vor dem Hintergrund des Angriffskriegs gegen die Ukraine schwer vermittelbar ist. Putin braucht aber das Feindbild USA, um an der Macht zu bleiben.

Was ist der militärische Hintergrund der noch stärkeren Hinwendung Russlands zur Arktis?
Es geht um die exklusive ökonomische Zone Russlands in der Region. Die Russen fürchten, dass maritime Aktivitäten der Amerikaner sie an der Ausbeutung der Bodenschätze dort hindern. Dabei können sie ja momentan nicht einmal ihre Erdgasressourcen in Sibirien nutzen, weil die Europäer als Käufer weggefallen sind. Da ist sehr viel Pathos im Spiel. Der andere Hintergrund ist die Nordostpassage, die sie kontrollieren wollen. Wobei die doch sehr überschätzt wird.

„Wir müssen davon ausgehen, dass Russland und China gemeinsam Vorkehrungen treffen, um ihre Fähigkeiten  zur Unterwasser-Überwachung im arktischen Raum auszubauen.“

Inwiefern?
Weil es entlang der gesamten russischen Nordküste nur wenige Häfen gibt. Für Reedereien ist die Nordostpassage nicht sehr attraktiv, weil sie noch unsicher ist. Das arktische Meer ist eine unruhige See und über Tausende von Kilometern fehlen Häfen. Ein Konzept der Russen für die zivile Schifffahrt in der Nordostpassage kann ich nicht erkennen. Viel eher muss man ein militärisches Interesse vermuten. Die nuklearstrategische Zweitschlagsfähigkeit Russlands beruht auf U-Booten im Weißen Meer. Russland will jegliches Risiko für seine dortigen U-Boote im Weißen Meer und dem Nordmeer ausschließen. Die Nordostpassage würde ja dort direkt vorbeilaufen – dies erklärt den starken Fokus auf die Kontrolle der Arktis.

Die Doktrin nimmt ja durchaus den halben Globus in den Blick. Sie hatten neben der Arktis vor allem auch den Pazifik erwähnt. Wenn Russland auch globale Seemacht sein will, dann braucht es Stützpunkte außerhalb des eigenen Landes. Wo sehen Sie die für die russische Marine? Wer würde den Russen Gastrechte gewähren?
Ich sehe vor allem den Iran als möglichen Kandidaten, vielleicht auch den Sudan oder Dschibuti. Die Frage ist doch aber, ob die Russen überhaupt die maritimen Kapazitäten haben, um derartige Stützpunkte nutzen zu können. Russlands besitzt elf Zerstörer und vier Kreuzer, das ist nicht viel. Ich gehe davon aus, dass Putin sich erstmal auf das östliche Mittelmeer konzentrieren wird und auf den Persischen Golf. Mehr sehe ich im Augenblick nicht.

Es könnte einem der Gedanke kommen, dass Putin mit seinem Wortgeklingel von globaler maritimer Ausdehnung dem Westen Sand in die Augen streuen möchte, denn nach wie vor sind seine U-Boot-Waffe und die hybriden maritimen Fähigkeiten nicht zu unterschätzen.
Das darf man in der Tat nicht unterschätzen. Russland geht hierbei in Kooperation mit den Chinesen vor. Enge Energiepartnerschaften und die Nutzung von Häfen im fernen arktischen Osten gibt es jetzt schon. Sollten Russland und China bei den Seestreitkräften noch stärker kooperieren, würden sich für beide Länder ganz neue strategische Perspektiven ergeben und das amerikanische Festland aus östlicher, insbesondere auch aus arktischer Richtung in die Nähe rücken. Es gibt Hinweise, dass Chinesen und Russen schon jetzt bei der Unterwasser-Akustik eng kooperieren, jedenfalls enger als sie es zugeben. Wir müssen davon ausgehen, dass Russland und China gemeinsam Vorkehrungen treffen, um ihrer beider Fähigkeiten zur Unterwasser-Überwachung im arktischen Raum auszubauen. Womöglich ist Russland inzwischen realistischer geworden, als der Westen es wahrnimmt: Nicht mehr der Atlantik, in den vorzudringen für die russische Marine außerordentlich schwer ist, steht im Fokus. Sondern es ist eben die Arktis, die ganz neue – und für Amerika und uns bedrohliche – Perspektiven bietet.

Vielen Dank für dieses Gespräch.

Mehr zum Thema: Deutsche Marine – Zeitenwende ade?


Kurzbiografie

Prof. Dr. Joachim Krause, leitet das Institut für Sicherheitspolitik in Kiel. Er ist gefragter Experte für Fragen der maritimen Sicherheit. Krause lehrte 15 Jahre lang Politikwissenschaft an der Universität Kiel, arbeitete in führenden Positionen für die Stiftung Wissenschaft und Politik und die Deutsche Gesellschaft für Auswärtige Politik. Außerdem beriet er die Bundesregierung und die Vereinten Nationen bei Abrüstungsthemen.

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