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Der Traum von einer EU-Armee

Der Wehrbeauftragte Hans-Peter Bartels spricht sich in einem Buch für europäische Streitkräfte aus, glaubt aber nicht, dass seine Vision schon bald Wirklichkeit wird.

Symbolbild: Belgische Soldaten trainieren gemeinsam mit Kameraden aus Deutschland, Frankreich, den Niederlanden und Großbritannien bei der internationalen Evakuierungs-Übung Storm Tide III.

Foto: Bundeswehr/Jane Schmidt

EU-Armeeloyal

Hans-Peter Bartels ist ein Idealist und ein Visionär. Der langjährige SPD-Verteidigungspolitiker und heutige Wehrbeauftragte des Bundestags hat ein Buch geschrieben, in dem er vehement für den Aufbau einer europäischen Armee plädiert. Sein 125 Seiten umfassendes Plädoyer erscheint in einer Zeit, in der es schwerfällt, an ein „Europa der Verteidigung“, wie Bartels es nennt, zu glauben. Einer Zeit, in der in Polen zum Beispiel eine Partei die absolute Mehrheit erringt, die von Deutschland Reparationszahlungen in Höhe von 800 Milliarden Euro fordert. Oder in der Frankreich an interventionsfähige Truppen denkt, wenn es von einer Europäisierung der Streitkräfte spricht, während Deutschland die vereinten europäischen Soldaten und Waffen nur zur Verteidigung der Landes- und Bündnisgrenzen einsetzen will. Das Europa von heute wirkt nicht so, als ob seine Staaten bereit wären, eine ihrer elementarsten Aufgaben, die Gewährleistung von Sicherheit und Verteidigung, vergemeinschaften zu wollen. Das Europa von heute wirkt eher so, als ob es in die Kleinstaaterei zurückfällt.

Vielleicht kommt das Buch „Deutschland und das Europa der Verteidigung“ deshalb gerade zur richtigen Zeit. Seine Stärke besteht nämlich darin, dass es den Zustand der Welt mit ihren immer unübersichtlicheren, wachsenden Bedrohungen kurz und treffend beschreibt. „In den Konflikten zwischen den Staaten scheinen heute überholt geglaubte Muster aus der Welt des 19. Jahrhunderts wiederbelebt zu werden: Zoll- und Handelskriege, militärische Drohgebärden, nationales Vormachtstreben, Abgrenzung von Einflusssphären, hybride Destabilisierung, Wettrüsten“, schreibt Bartels. Und weiter: Die Hoffnung, dass an die Stelle des Rechts des Stärkeren mehr und mehr eine Ordnung trete, in der sich die Stärke des Rechts beweisen könne, werde zunehmend enttäuscht. Der Multilateralismus, den Deutschland und die Mehrheit der EU-Staaten hochhielten, sei in der Defensive. Zunehmend gelte das Prinzip der Autokraten: „Wer gewinnt, hat recht.“

Nun ist es nicht so, dass man das nicht schon wüsste. Dazu reicht es, die täglichen Nachrichten zu konsumieren: Erdogan lässt seine Truppen in Nordsyrien einmarschieren, Putin rückt kein Stück vom Status quo in der Ostukraine ab, die Mullahs in Teheran bombardieren saudische Raffinerien und die Chinesen stecken Gebiete im Pazifik ab, die sie zu ihrem Quasi-Territorium erklären. Aber es schadet nicht, Bartels Beschreibung der globalen Sicherheitslage noch einmal zu lesen, bevor man zu dem Teil des Buches kommt, in dem der Autor beschreibt, wie die Europäer am besten auf die Entwicklungen reagieren sollten.

Gemeinsame europäische Rüstung

Da wäre zum einen, so Bartels, eine gemeinsame europäische Rüstung, die, soll sie auf vergleichbarem Hightech-Niveau mit den USA bleiben, eine Konsolidierung der wehrtechnischen Industrie in Europa erfordere. „Schon bei rein deutschen Beschaffungsvorhaben müssen zum Beispiel zwei im Wettbewerb stehende Panzer bauende Systemhäuser zusammengezwungen werden, um gemeinsam ein neues Gefechtsfahrzeug zu entwickeln“, schreibt der Autor. Daraus ergäben sich kaum Synergieeffekte, aber erwartungsgemäß nicht selten Friktionen, wenn es um technische, juristische oder ökonomische Probleme gehe.

Stimmt, mag man da erwidern. Aber was folgt daraus? Um bei dem Beispiel zu bleiben: Sollen Krauss-Maffei Wegmann (KMW) und Rheinmetall, um die es hier geht, fusionieren, damit sie nicht mehr um Aufträge konkurrieren? Vielleicht sogar zur Fusion gezwungen werden? Das wäre ein staatlicher Eingriff in die Privatwirtschaft. Will er das? Bartels gibt darauf keine Antwort. „Besser (als eine industrielle Kleinstaaterei) wäre eine Industriestruktur deutscher leistungsfähiger nationaler Champions, die nach und nach bereit sind, mit anderen transnational zu europäischen Champions zu verschmelzen“, schreibt er und fordert die Bundesregierung auf, einen neuen Anlauf zu einer stärkeren europäischen Rüstungsintegration zu wagen. Die Regierung könne beispielsweise zu einem europäischen Rüstungsgipfel laden und so der laufenden militärischen Integrationspolitik in Europa eine indus-triepolitische Komponente hinzufügen.

Womit wir, zum anderen, dabei wären, wie sich Bartels den Weg hin zu europäischen Streitkräften vorstellt. Er rät zunächst zu Geduld. „Gegenwärtig würden Verhandlungen über die Gründung einer Europäischen Armee eher Abstoßungsreaktionen, Zwietracht und Verhärtungen hervorrufen“, schreibt er. Richtig auch seine Begründung: Die Osteuropäer (zumindest einige wie Polen und Ungarn) könnten mauern, Frankreich sei aller Rhetorik zum Trotz selbst noch nicht so weit. Blieben nur Deutschland und einige seiner westlichen Nachbarstaaten übrig.

„Inseln funktionierender Kooperation“

Bartels sieht darin einen guten Anfang. Die deutsch-niederländische Zusammenarbeit bei der Marine-Infanterie (Seebataillon) oder bei der Panzertruppe (Panzerbataillon 414) beschreibt er hoffnungsvoll als „Inseln funktionierender Kooperation“. Hier gäben die Länder ihre rein nationalen Fähigkeiten, Organisationsformen und Ambitionen nach und nach zugunsten multinationaler Strukturen auf. Diese Inseln würden, wenn es gut gehe, größer und mehr, manche wüchsen zusammen. „So bilden sie nach und nach Festland.“ Das sei allerdings eine Sache von Generationen. Mehrzahl.

Bartels gründet seine Vision von einer Europäischen Armee auf die Zeit nach den Orbans, Kaczynskis und Co. Er setzt auf die Vernunft und Ideale derer, die heute noch jung oder noch nicht geboren sind, darauf, dass sie dafür sorgen, dass die Idee des geeinten Europas die heutige Zeit des spaltenden Populismus und wachsenden Nationalismus überlebt. Umfragen in allen EU-Staaten zeigen, dass es vor allem die junge Bevölkerung ist, die an das europäische Projekt glaubt. Doch das muss nicht so bleiben. Denn: „Es wird ungemütlich, innen wie außen“, schreibt Bartels. Die globale Gesamttendenz gehe in Richtung Eskalation: der Sprache, der Mittel, der Abgrenzungssymbolik. Die Geschichte, auf die Bartels in seinem Buch immer wieder abhebt, hat gezeigt,  dass sich Ansichten von Menschen schnell ändern können.

Das europäische Projekt, der Fortbestand der EU, die Verteidigung Europas, das alles erfordert harte politische Arbeit, Enthusiasmus, Überzeugungskraft. Mit seinem Buch hat Bartels einen wichtigen Beitrag dazu geleistet.

Hans-Peter Bartels: „Deutschland und das Europa der Verteidigung“, Dietz-Verlag Bonn, 2019, 136 Seiten, 16,90 Euro

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