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Die drohnenarme Armee

Drohnen sind einer der wichtigsten Faktoren im Ukraine-Krieg. Damit stellt sich die Frage, wie die Bundeswehr bei Drohnen aufgestellt ist. loyal hat sich einen Überblick verschafft und gibt Antworten auf die drängendsten Fragen.

Bundeswehrsoldaten bereiten vergangenes Jahr eine Aufklärungsdrohne LUNA für den Start im Feldlager Camp Castor in Nord-Mali vor. Die entsprechende Mission MINUSMA ist inzwischen beendet. Die jetzige Drohnenbestückung der Bundeswehr ist noch auf die Zeit der Stabilisierungseinsätze ausgelegt.

Foto: picture alliance / dpa

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Sind Drohnen Rüstungsschwerpunkt der Bundeswehr?

Bisher nicht. In der Kommunikation für die Öffentlichkeit erweckt die Bundeswehr gerne den Eindruck, dass sie Drohnen als Schwerpunkt behandelt. „Drohnen sind längst zum Sinnbild und zur Schlüsseltechnologie für den Krieg der Zukunft geworden“, so Generalinspekteur Carsten Breuer. Tatsächlich gibt es bis heute keinen Beschaffungsfokus auf Drohnen. Im zuletzt 2020 überarbeiteten Strategiepapier der Bundesregierung zur Stärkung der Sicherheits- und Verteidigungsindustrie werden unbemannte Fluggeräte nicht als Schlüsseltechnologie gelistet. Im Sondervermögen gibt es keine Beschaffungsinitiative für sie. Bereits die Ertüchtigung der Artillerie, wo die Masse der Bundeswehr-Drohnen eingesetzt wird, fand im Sondervermögen keinen Platz.

Als Experimentierfeld für „Kamikazedrohnen“ alias Loitering Ammunition sind nicht bestehende Kräfte vorgesehen, sondern die kommenden Mittleren Kräfte. Deren Aufbau – über eine Radhaubitze – hängt wiederum am langsamen Artillerie-Aufwuchs. Bis jetzt strebt das Heer die volle Einsatzbereitschaft der Mittleren Kräfte zur Mitte der 2030er-Jahre an. Nicht gering sind die Forschungsmittel für Drohnen samt Sensorik und Abwehr im Wehretat. 124, 7 Millionen Euro von 565 Millionen für die Wehrtechnikforschung im Jahr 2024 insgesamt. Das zeigt ein Informationsschreiben des Verteidigungsministeriums an das Parlament zum Jahresanfang, das loyal vorliegt. Allerding sinken die Forschungsmittel für Drohnen nach damaliger Finanzplanung bis 2027 unter den jetzigen Umfang. Im aktuellen Haushaltsentwurf der Regierung wurde das Kapitel für Wehrtechnikforschung zudem auf 400 Millionen Euro verkleinert.

Hat die Bundeswehr genug Drohnen?

Die Bundeswehr ist über alle Teilstreitkräfte hinweg mit etwas mehr als 600 Drohnen ausgerüstet – die Masse bei der Artillerie-Aufklärung des Heeres. Details zeigt die folgende Tabelle:

Das zeigen Erhebungen durch Militärfachdienste wie die Military Balance des International Institute for Strategic Studies. loyal fand dies über eine vertrauliche Information des Wehrressorts an das Parlament bestätigt. Das Ministerium will sich aus „Gründen der Geheimhaltung“ nicht zur Anzahl der Bundeswehr-Drohnen äußern. Die derzeitige Ausstattung an Systemen sei noch keine Vollausstattung, so ein Sprecher. Die Ukraine verliert laut Brigadegeneral Yuriy Shchyhol, Leiter der strategischen Kommunikation der Ukraine, täglich 40 bis 45 Aufklärungsdrohnen – mehr als 16.000 im Jahr. Überprüfen lässt sich die Angabe vom Herbst vergangenen Jahres nicht. Das deutsche Drohnenu-Uternehmen Quantum Systems sieht einen Bundeswehr-Bedarf von 18.000 Aufklärungsdrohnen, um ein Jahr „Full Scale War“ gegen einen Gegner wie Russland zu bestehen, basierend auf dem Fronteinsatz seiner Systeme im Ukraine-Krieg.

Fakt ist: Der Hauptgegner der Bundeswehr, die russischen Streitkräfte, haben seit 2008 einen Rüstungsschwerpunkt auf den Elektronischen Kampf gelegt, der wesentlich ist, um Drohnen zu bekämpfen. Russlands Armee kann inzwischen eine tief gestaffelten elektronische Kampffront aufbauen, mit den Systemen Shipovnik Aero (Wirkradius 10 Kilometer) und Pole-21 (Wirkradius 150 Kilometer), um den GPS-Empfang von Drohnen zu unterdrücken oder über Spoofing deren Zielkoordinaten zu verfälschen. Das Gros der Bundeswehr-Drohnenflotte stammt noch aus der Phase der Anti-Terror-Kriege. Auf eine intensive elektronische Kriegsführung ist diese technisch nicht ausgelegt. Mit Blick auf die Lehren aus dem Ukraine-Krieg und die Ausbaupläne für das Heer, „erhebt die Bundeswehr aktuell konkrete Bedarfszahlen für Drohnen“, so ein Sprecher des Wehrressorts.

Sind die jetzigen Drohnen-Kräfte der Bundeswehr kriegstüchtig aufgestellt?

Nein. Dazu ein Blick auf die Aufklärungstruppe des Heeres, des Hauptnutzers von Drohnen in der Bundeswehr: Das Problem sind nicht zu wenig unbemannte Fluggeräte, sondern eklatante Lücken im „System Drohne“. Vor allem gibt es eine viel zu geringe Anzahl an Bodenkontrollstationen zur Steuerung und Werkzeugausstattungen zur Instandhaltung bei LUNA und KZO, wie Gespräche von loyal in der Aufklärungstruppe gezeigt haben. Im Herbst jeden Jahres verteilen die drei Heeresdivisionen auf einer Abstimmungskonferenz untereinander das verfügbare Drohnenmaterial für Ausbildung, Training und Einsätze für das Folgejahr. Seit vergangenem Jahr kommen immerhin erste Bodenkontrollstationen für LUNA NG als KZO-Nachfolger in die Truppe. Diese helfen jetzt dabei, den Mangel an Stationen bei der LUNA zu lindern.

Eine Zielortungsdrohne KZO startet 2022 auf dem Truppenübungsplatz Baumholder bei der Artillerieübung „Celtic Thunder“. Die Aufklärung für Artilleriefeuer ist eine zentrale Aufgabe von Drohnen in der Bundeswehr. (Foto: Bundeswehr / Mario Bähr)

Eine weitere Baustelle zur Kriegstüchtigkeit: Für die Anfang der 2000er-Jahren eingeführten LUNA und KZO fehlt bis heute eine „Bereichsrichtlinie“. Das ist Wehrbürokratiedeutsch für Einsatzgrundsätze. Das heißt, es gibt weder ein einheitliches Bild zur Verteilung der Systeme in einem Einsatzraum noch zum Aufbau von deren Sicherungskräften. Für die Aufklärung aus sicheren Basen ohne Feinddruck in den Stabilisierungseinsätzen ging das noch. Für die Landes- und Bündnisverteidigung ist es nicht mehr tragbar. Jetzt müssen die Verbände nach klaren Regeln gedrillt werden können.

Hat Deutschland genug Produktionskapazitäten für Drohnen?

Reserven zu produzieren und einzulagern, bewährt bei klassischem Kriegsgerät wie Panzern, ist bei Drohnen keine Option. „Es ist nicht sinnvoll, Drohnen in hohen Stückzahlen zu beschaffen und einzulagern, da diese in kurzer Zeit technisch überholt und veraltet wären“, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums. Deutschland bräuchte belastbare Industriekapazitäten, um rasch mehr Drohnen herzustellen und instand zu halten. Doch die gibt es nicht. Der wichtigste Drohnen-Hersteller der Streitkräfte war bis 2021 der mittelständische Manufakturbetrieb EMT (LUNA, ALADIN). Dort dauerte die Wartung einer Bodenkontrollstation – ohne die keine Drohne fliegen kann – teils ein halbes Jahr, so die Info an loyal aus Gesprächen in der Truppe.

Bereits ein gescheiterter Export durch das deutsche Waffenembargo gegen Saudi-Arabien 2018 reichte aus, um das Unternehmen in die Insolvenz zu treiben. EMT wurde 2022 von Rheinmetall übernommen (bis dahin nur KZO). Der für seine aggressive Marktpolitik bekannte Wehrkonzern aus Düsseldorf strebt offensichtlich eine dominante Stellung im Bereich der Bundeswehrdrohnen an. In den Streitkräften wird dies mit der Hoffnung verbunden, eine resilientere Produktion für Militär-Drohnen zu bekommen. Ohne genaue Angaben machen zu wollen, gibt der Konzern gegenüber loyal an, seine Entwicklungs- und Produktionskapazitäten für Drohnen „massiv“ auszubauen. Ein Rheinmetall-Sprecher: „Neben der Infrastruktur stellt sich Rheinmetall auch personell auf das Wachstum und die gestiegene Nachfrage in diesem Marktsegment ein.“

Was ist die größte Lücke in der Drohnen-Ausstattung der Streitkräfte?

Das wichtigste militärische Projekt der Bundeswehr ist der Aufbau von drei Heeresdivisionen für die Ostflanke im Rahmen des NATO-New Force Model. Für die Gefechtstiefe einer Division (150 Kilometer) hat die Bundeswehr noch keine Drohnen-Aufklärung. Die bisherige Ausstattung durch LUNA und KZO fokussiert sich auf die Brigade als Hauptgefechtsverband. Die Divisionsaufklärung dürfte frühestens über den Nachfolger der LUNA ab 2029 kommen. Welches System das sein wird, ist noch unklar, so das Verteidigungsministerium. Es soll in den nächsten drei bis fünf Jahren realisiert werden.

Laut Informationen von loyal aus der Truppe ist geplant, die Heeresaufklärer der Division Schnelle Kräfte mit der kompakten Drohne VECTOR auszurüsten, die bereits als FALKE für das KSK beschafft wird. Künftig soll auch die Korpsebene (300 Kilometer) mit einer eigenen Aufklärung ausgestattet werden. Hierzu gab es vom Heer das Drohnen-Projekt „Intruder“. Doch eine technische Studie kam zu dem Schluss, dass bereits wenige Prototypen einen einstelligen Milliardenbetrag verschlingen würden, weshalb das Vorhaben vorerst beendet wurde.

Was sind Merkmale der Drohnen-Rüstung der Bundeswehr?

Eine streitkräftegemeinsame Drohnen-Strategie hat die Bundeswehr nicht. Die Teilstreitkräfte entwickeln jeweils eigene Konzepte und formulieren darauf basierende militärische Forderungen. Neben den klassischen Drohnen-Nutzern Heer und Luftwaffe strebt die Marine in ihrem neuen Zielbild 2035 erstmals eine größere Drohnen-Bestückung an.

Ein Sprecher der neuen Teilstreitkraft Cyber- und Informationsraum (CIR) zu loyal: „Künftig ist eine Nutzung von Drohnen für unterschiedliche Aufgaben, hauptsächlich jedoch für die Aufklärung, in der Teilstreitkraft CIR geplant.“ Der Fokus des CIR liege jedoch im Aufbau einer digitalen Infrastruktur zur Drohnen-Nutzung, wie leistungsstarker Software und Rechenkapazitäten. Vorrangig in der Bundeswehr ist jedoch nicht die Befähigung mit Drohnen, sondern deren Abwehr. Hier gibt es seit 2020 ein Grundkonzept des Verteidigungsministeriums „Abwehr von Bedrohungen von unbemannten Class I Luftfahrzeugen“.

Bundeswehrsoldaten vom Aufklärungslehrbataillon 3 „Lüneburg“ starten eine Aufklärungsdrohne vom Typ ALADIN. (Foto: picture alliance / dpa)

Dessen Existenz ist in der Truppe jedoch nahezu unbekannt, wie loyal in Gesprächen mit Soldaten festgestellt hat. Die Drohnenbekämpfung soll über die Erneuerung der mobilen Flugabwehr kommen. Dafür wurde ein umfassendes Entwicklungsvorhaben für die deutsche Wehrindustrie in Gang gesetzt – mit dem Flugabwehrkanonenpanzer Skyranger und einem kommenden Flugabwehrraketenpanzer samt neuer Boden-Luft-Raketen. Die Wehrplaner wollen, dass die eigene Industrie über moderne Drohnenabwehr-Technologien verfügt. Das wird jedoch mindestens bis Ende der Dekade dauern. Mit raschen Lösungen für akute taktische Schwächen tut sich die Bundeswehr dagegen schwer. Die Bekämpfung von Kleinstdrohnen galt schon vor der Ukraine-Invasion als drängendes Problem.

Der Versuch, die VJTF-Einsatzverbände 2019 mit einer Granatmaschinenwaffe dafür zu wappnen, scheiterte schon an deren Einrüstung in den Boxer. Ende letzten Jahres – nach fast zwei Jahren Ukraine-Krieg – setzte die Militärführung eine Taskforce Drohne ein, mit dem Schwerpunkt Abwehr von Kleinstdrohnen. Diese sammelte Ideen aus der Truppe ein, wie zum Beispiel eine erleichterte Beschaffung von kommerziellen Drohnen oder ein Einkauf von Tarnponchos gegen Drohnen, allerdings erstmal nur für Einsatzkräfte an der Ostflanke. Inzwischen scheint die Bundeswehrführung den Eindruck gewonnen zu haben, dass die Drohnen-Befähigung umfassender angegangen werden muss. Die Taskforce sollte planmäßig zu Ende September aufgelöst werden. Zum Redaktionsschluss liefen im Wehrressort Abstimmungen, „wie die Aufgaben der Taskforce in die festen Strukturen des BMVg überführt und verstetigt werden können“, so ein Ministeriumssprecher.

Rüstet sich die Bundeswehr mit „Kamikazedrohnen“?

Beschaffungen von Loitering Ammunition (Anm. d. Red.: im gängigen Sprachgebrauch „Kamikazedrohnen“) könnten bei verfügbaren Haushaltmitteln ab 2026 erfolgen, so das Verteidigungsministerium auf Anfrage. Das Beschaffungsamt lässt mitmilfe der Firma AMDC zurzeit Loitering Ammunition untersuchen. Bekannt sind Tests mit drei israelischen Kamikazedrohnen. Firefly von Rafael Advanced Defence Systems, Harop 2 von Israel Aerospace und Hero 30 von UVision. Das letzte Unternehmen ist eine Partnerschaft mit Rheinmetall eingegangen, um seine Chance bei der Bundeswehr zu erhöhen. Die Bewaffnung mit Loitering Ammunition wird in der Bundeswehr jedoch nicht als vorrangig betrachtet. Als wichtiger gilt, die Schlagkraft der Artillerie zu erhöhen, indem deren Drohnen-Aufklärung gestärkt wird.

Das Amt für Heeresentwicklung sieht Loitering Ammunition erst „mittel- bis langfristig“ im Wirkverbund Heer. Umgekehrt gilt, dass die Abwehr von Loitering Ammunition in der Bundeswehr erst aufgebaut werden muss. So teilte das Verteidigungsministerium dem Parlament mit, die Bundeswehr könne russische Standard-Kamikazedrohnen vom Typ Lancet zwar aufklären, aber derzeit nicht bekämpfen.

Welche Rolle spielen die FPV-Drohnen aus dem Ukraine-Krieg für die Bundeswehr?

In der Ukraine werden kleine First-Person-View-Drohnen, die meist aus kommerziellen Bauteilen der chinesischen Drohnenindustrie bestehen, als taktische Luftwaffe für Bodentruppen eingesetzt. Deutschland beschafft die FPV-Drohnen zu Tausenden für die ukrainische Armee mit Partnern der „Drone Coalition“. Ein Nutzen für die Bundeswehr wird von vielen Militärs jedoch bezweifelt. Die bedeutende Rolle von Kleinstdrohnen und speziell der FPV-Variante im Ukraine-Krieg wird als Momentum eingeschätzt, dass bald durch eine gestärkte Abwehr, wie moderne Flakpanzer, vorbei sein wird. Ein Sprecher des Verteidigungsministeriums: „Derzeit unternimmt die Bundeswehr keine Planungen zum Testen oder Einsetzen von FPV-Kampfdrohnen.“

Der kommende Flugabwehrkanonenpanzer der Bundeswehr„Skyranger“ bei einer Vorführung des Herstellers Rheinmetall. Der „Skyranger“ soll vor allem Massen kleinerer Drohnen bekämpfen können. (Foto: Rheinmetall AG)

Auf der anderen Seite gibt es in der Truppe den Drang, handelsübliche Kleinstdrohnen, die Kampfmittel der Stunde, als taktische Werkzeuge zu erproben. Dazu kommt nun eine Ausschreibung des Beschaffungsamts für 1000 „handelsübliche UAS“ von zwei Herstellern, die Hälfte davon für das Heer. Geplant ist, dass diese Drohnen ab 2025 bei den Produzenten von den Verbänden abgerufen werden können, ohne Einschaltung des Beschaffungsamts. Eine weitere Erleichterung für Soldaten, die zum einwöchigen Pilotenlehrgang für Kleinstdrohnen (BW-Klasse I) nach Munster wollen: „Der Nachweis einer medizinischen Eignung ist nun nicht mehr erforderlich“, so ein Sprecher des Luftfahrtamtes der Bundeswehr zu loyal. Die Debatte über den militärischen Wert von Kleinstdrohnen zieht sich durch alle westlichen Streitkräfte. Frankreichs Heereschef General Pierre Schill sieht den Kampfvorteil kleiner Drohnen durch bessere Abwehrtechnologien bereits schwinden. Für Oberstleutnant Armand Cottin, Kommandeur der 17. Artillerie-Gruppe in Frankreichs Landstreitkräften, sind speziell FPV-Kampfdrohnen dagegen ein „Muss für unser Feldheer“.

Welche Bedeutung haben NATO und EU bei Drohnen für die Bundeswehr?

Beide sind wichtig, damit die Bundeswehr an fortschrittliche Drohnentechnik gelangt. Erst über NATO und EU kommen Deutschlands Streitkräften an Drohnen der „Königsklassen“ MALE (Mittlere Höhe, hohe Reichweite) und HALE (Hohe Höhe und Reichweite). Mit der Beschaffung einer HALE-Drohne zur Aufklärung scheiterte die Bundeswehr zweimal – Euro Hawk und Pegasus. Erst über eine Gemeinschaftsbeschaffung mit 14 weiteren NATO-Armeen gelang der Aufbau einer HALE-Flotte mit fünf US-amerikanischen RQ-4D „Phoenix“ zumindest bei der Militärallianz. Über das PESCO-Vorhaben „Eurodrohne“ finanziert Deutschland mit weiteren EU-Europäern seine erste MALE-Drohne, die 2030 kommen soll. Die EDA hat für die Unionsstreitkräfte auch einen Aktionsplan zu autonomen Systemen entwickelt, der im Januar angenommen wurde. Eine öffentliche Version des Plans werde bald erwartet, so ein EDA-Sprecher zu loyal.

Eine Aufklärungsdrohne RQ-4D „Phoenix“ der NATO auf der Luftwaffenbasis Sigonella auf Sizilien. (Foto: HFw Christian Timmig – HQ AIRCOM, Ramstein)

Die NATO führte 2021 eine neue Übungsserie eigens zur Abwehr von Drohnen ein – die „Technical Interoperability Exercise“ TIE. Diese bringt einmal im Jahr Unternehmen und Forschungsinstitute mit den Militärs zusammen. De facto soll TIE der Allianz helfen, den Wildwuchs an Anti-Drohnen-Technologien bei ihren Mitgliedern im Auge zu behalten und abzugleichen, sodass ein Zusammenwirken möglich ist. Seit dem Ukraine-Krieg sind die meisten NATO-Staaten umtriebig dabei, ihre nationalen Industrien bei Drohnen zu befähigen, was zur Zerfaserung bei Material und Konzepten führt.

Wie gehen Partnerstreitkräfte bei Drohnen vor?

Die westliche Lead-Armee, die US-Streitkräfte, haben bei ihrer Drohnenrüstung weniger Russland und einen möglichen Kriegsschauplatz Europa im Blick, sondern den Hauptgegner China und den Indopazifik. Im vergangenen Jahr startete das Pentagon die Beschaffungsinitiative „Replicator“. Mit dieser sollen bis 2025 Tausende unbemannte Systeme wie Drohnen in die Gefechtsverbände für Asien gelangen. Bisher gab es 500 Millionen US-Dollar dafür. Für 2025 ist nochmal so viel geplant. Replicator soll helfen, den Massevorteil Chinas bei Kriegsschiffen, Raketen und Truppen auszugleichen, so das US-Verteidigungsministerium. Auch soll die US-Drohnenindustrie so einen Impuls zur Massenproduktion erhalten. In Frankreich stellte der Rechnungshof der eigenen Drohnenbeschaffung noch 2020 ein vernichtendes Urteil aus: Zu spät sei deren Wert im Militär erkannt worden, zu wenig Mittel werden aufgewendet, externe Zukäufe seien schlecht ausgehandelt. Seit 2022 versucht das Armeeministerium die staatliche Wehrindustrie bei Gefechtsfelddrohnen nach vorne zu treiben. Mit „Colibri“ und „Larinae“ wurden gleich zwei Wettbewerbe für Loitering Ammunition gestartet mit der Auflage für erste Demonstratoren in einem Jahr.

Eine Drohne landet in den Armen einer US-Soldatin bei der Übung „Allied Spirit 24“ auf dem Truppenübungsplatz Hohenfels. Die US-Streitkräfte unternehmen massive Anstrengungen, um ihre Drohnenbewaffnung voranzubringen. (Foto: Micah Wilson / U.S. Army)

Selbst die neutrale Schweiz möchte ihre heimische Drohnenindustrie mit dem Schwerpunkt Kampfdrohnen fördern. Ein Sprecher des Beschaffungsamtes Armasuisse zu loyal: „Der Fokus soll dabei auf der Erzielung einer Wirkung am Boden liegen – zum Beispiel durch Loitering Ammunition.“ Deutschlands Hauptpartner an der Ostflanke Litauen setzt auf eine umfassende Drohnenausstattung in seinem Konzept der Totalverteidigung gegen Russland. Das Bedienen kleiner Drohnen ist seit Kurzem Teil des „Basic Soldier Course“ in den ersten sechs Monaten eines Wehrdienstes. In der Hauptstadt Vilnius gibt es seit Kurzem ein Kompetenzzentrum für Drohnen, in dem Zivilisten als Drohnenoperateure für die Landesverteidigung geschult werden.

Wird die Drohnenbeschaffung der Bundeswehr nun beschleunigt?

Höchstens langfristig. Das Vorhaben HUSAR für neue Heeresaufklärungsdrohnen hat seine Ursprünge im Jahr 2016. Als erstes Ergebnis kommt eine Dekade später eine modernisierte „Next Generation“-Version der eingeführten LUNA als KZO-Ersatz. Schnelle Zyklen in der deutschen Drohnenrüstung zu etablieren, ist bis dato nicht gelungen. Neue Drohnen-Wehrunternehmen betrachten gerade das als entscheidend. So gibt Quantum Systems an, dass sein Hauptmodell VECTOR in zwei Jahren Ukraine-Krieg um 50 Prozent bei Soft- und Hardware abgewandelt wurde, um im Fronteinsatz zu bestehen. Doch der Leitsatz des Beschaffungsamts ist, dass es „ausgereifte Technik“ braucht, wie dessen Vertreter auf Rüstungsmessen immer wieder betonen. Reife braucht Zeit.

Das heißt, das deutsche Beschaffungswesen ist darauf ausgelegt, bereits eingeführtes Gerät mit großem Aufwand aufzuwerten. Seit 2017 wurden im Cyber Innovation Hub der Streitkräfte 16 Drohnenprojekte begonnen, wie Joint Fire Support und Minensuche via Drohne. Stand Jahresanfang wurde keines der Vorhaben „zur Einführung in die Bundeswehr empfohlen oder in die Beschaffung überführt“, so das Verteidigungsministerium gegenüber dem Bundestag. Was bringt dann der Cyber Innovation Hub bei Drohnen? Laut einer Sprecherin des Hubs nutzt das Beschaffungsamt Drohnen aus dessen Projekten weiter für Forschungszwecke. Auch liefern die Drohnenprojekte Erkenntnisse, wie zur Störung von Erkennungssoftware, „die an die Bundeswehr zur Nutzung überführt werden“.

Wie steht es um innovative Drohnenrüstung für die Bundeswehr?

Diese ist ein massiver Schwachpunkt. Bis jetzt fehlen Lösungen, damit neue Drohnentechnologie zur Erprobung zügig in die Streitkräfte kommt. Die Wehrtechnische Dienststelle 61 in Manching hat seit 2021 einen Drone Innovation Hub. Der kann Unternehmen zwar Halle und Felder zum Testen bieten, aber der Hub hat keine Werkzeuge, um vielversprechende Vorhaben finanziell zu flankieren. Die zahlreichen Studien, Modelle und Demonstratoren, die es braucht, um überhaupt an die Tür des Beschaffungsprozesses zu gelangen, kosten Start-ups sehr viel Geld, wobei ihnen meist die Luft ausgeht. Ein Ökosystem für militärische Drohnen-Start-ups hat Deutschland nicht. Zuständig dafür wäre das Wirtschaftsministerium. Eine Sprecherin des Ressorts zu loyal: „Die Finanzierungsprogramme für die Start-up-Branche sind auf den zivilen Bereich fokussiert. Die Fördermaßnahmen des Wirtschaftsministeriums im Luftfahrtbereich sind weiterhin mit Zivilklauseln versehen.“

An der Front bei Charkiw im Sommer dieses Jahres: Ein Drohnenpilot der 42. Artilleriebrigade der ukrainischen Armee bereitet eine FPV-Kampfdrohne mit Gefechtskopf zum Einsatz gegen russische Stellungen vor. (Foto: picture alliance / Anadolu)

Die jüngste Studie zur Lage der Sicherheits- und Verteidigungswirtschaft Deutschlands des Wirtschaftsministeriums fordert für Start-ups nicht nur Fördermittel, sondern Aufträge, um sie in die hiesige Wehrindustrie einzubinden. In Wehrkreisen gelten die USA als Best Practice. Beispiel US-Army: Deren Combat Capabilities Development Command kann Start-ups über die Förderprogramme SBIR und STTR mit Geld versorgen. Beide Programme hat der US-Kongress aufgelegt, um Unternehmen mit weniger als 500 Mitarbeitern zu fördern. Die Förderung ist zielführend in drei Phasen aufgebaut. Maximal 275.000 Dollar gibt es für den Konzeptnachweis im Laufe eines Jahres. Dann bis zu 1,8 Millionen über zwei Jahre für die Technologieentwicklung. Am Ende steht die Kommerzialisierung. Das Start-up kann das Produkt an den freien Markt bringen oder an den Markt für US-Behörden.

Werden Drohnen eine eigene Truppengattung der Bundeswehr?

Hier steht das Beispiel der ukrainischen Armee im Raum, die ihre Drohnenkräfte zu einer eigenen Truppengattung und nun sogar Teilstreitkraft aufstellt. „Aktuell werden keine Überlegungen zum Aufbau einer Truppengattung Drohnen vorangetrieben“, so ein Sprecher des Verteidigungsministeriums gegenüber loyal. Auch im Rest der NATO und EU-Armeen gibt es zurzeit keine Ambition, die Drohnenkräfte zu einer eigenen Truppengattung oder gar Teilstreitkraft aufzuwerten. Die große Linie ist, dass westliche Armeen mehr Drohnen in ihre bestehenden Truppengattungen integrieren wollen. Impulse zur eigenständigen Drohnenkräften kommen bis dato aus der Politik, wie der Antrag der CDU/CSU zu einer „Drohnenarmee“ Bundeswehr oder ein Vorstoß aus dem Verteidigungsausschuss des US-Repräsentantenhauses für ein „Drone Corps“ der Army. Doch deren Generalität lehnt den Vorstoß der Bündelung als unflexibel ab. Die US-Army will zunächst Testverbände für innovative Drohnentechnik in ihren jeweiligen Truppengattungen wie den Fallschirmjägern.

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