Die „Gruppe Wagner“ – Putins Söldner im Ukrainekrieg
Die russische „Gruppe Wagner“ ist „Putins Schattenarmee“, eine paramilitärische Organisation, Teil eines Firmengeflechts rund um den Oligarchen Jewgeni Prigoschin, der als enger Vertrauter des russischen Präsidenten gilt. Wagner-Söldner waren 2014 an der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim beteiligt und sind seit spätestens Herbst 2021 – in Vorbereitung des aktuellen Angriffskrieges – in der Ukraine aktiv, zu Beginn des Krieges in Kiew, im Augenblick im Osten der Ukraine. Sie stehen in zum Teil verlustreichen Kämpfen.
Die „Gruppe Wagner“ (russisch Группа Вагнера Gruppa Wagnera), Teile von ihr auch „Task Force Rusich“ genannt, ist eine paramilitärische Einheit, die jahrelang als russische Private Military Company beschrieben wurde. Die „Gruppe Wagner“ geht auf Dmitri Utkin zurück, nach dessen Kampfnamen „Wagner“ (in Anspielung auf Richard Wagner, den Lieblingskomponisten von Adolf Hitler) sie benannt ist. Dmitri Utkin ist ehemaliger Soldat (letzter Dienstgrad Oberstleutnant) der Glawnoje Raswedywatelnoje Uprawlenije (GRU), des militärischen Geheimdienstes Russlands. Utkin trägt SS-Runen in Form eines Uniformkragens auf dem Schlüsselbein sowie ein tätowiertes Hakenkreuz auf der Brust.
Der milliardenschwere russische Geschäftsmann Jewgeni Prigoschin gilt seit Jahren als inoffizieller Leiter der „Gruppe Wagner“ und engstens vernetzt mit Putin. Anfang Juni scheiterte er mit einer Klage gegen die Europäische Union, weil er seit April auf der EU-Sanktionsliste steht. Nach Auffassung der EU ist Prigoschin der entscheidende Geldgeber der „Gruppe Wagner“ und leitet sie inoffiziell.
Die Basis der „Gruppe Wagner“ befindet sich im russischen Militärbereich „Molkino“, wo auch eine Einheit des russischen Militärgeheimdienstes GRU stationiert ist. Daneben sind dort Einheiten quasi aller Teile des russischen Heeres disloziert.
Die „Gruppe Wagner“ ist seit Jahren bekannt dafür, Kriegsverbrechen zu verüben. Videoaufnahmen von Folterungen und grausamen Ermordungen finden sich im Internet. 2019 sagten zwei Ex-Wagner-Söldner der BBC, dass „Gefangene mitunter hingerichtet“ würden, „damit man keine zusätzlichen Mäuler stopfen“ müsse. Nach übereinstimmenden medialen Angaben wurden die Wagner-Söldner bis zum Beginn des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine vornehmlich aus Russen rekrutiert, die keine militärische Laufbahn mehr vor sich haben. Diese sollen etwa 3.000 bis 4.000 Euro im Monat als Sold erhalten.
Die „Gruppe Wagner“ muss seit ihrem Einsatz bei der völkerrechtswidrigen Annexion der Krim 2014 als hybrider Akteur und als Mittel russischer Militärpolitik beschrieben werden. In der Ukraine seit 2014, in Syrien, Libyen, Mali und anderen afrikanischen Staaten werden russische Söldner der „Wagner Gruppe“ als klandestine, verdeckte Akteure russischer Militärpolitik eingesetzt.
Die „Gruppe Wagner“ im Krieg gegen die Ukraine
Auf Instagram entdeckten US-Journalisten schon Mitte Januar 2022 Aufnahmen, die von Wagner-Söldnern in Umlauf gebracht worden waren. Diese hatten bereits im Oktober 2021 Bilder veröffentlicht, die sie bei Erkundungen in der Nähe der zweitgrößten Stadt der Ukraine, in Charkiw, zeigen. Die britische „Times“ berichtete vier Tage nach dem Beginn des russischen Angriffskrieges von mindestens 400 Wagner-Söldnern, die sich seit Ende Januar 2022 in Kiew aufgehalten hatten, um Sabotageaktionen vorzubereiten und hochrangige Politiker, unter anderem den ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj sowie den Bürgermeister von Kiew, Vitali Klitschko, zu fassen. Das „Time Magazine“ berichtete Ende April 2022 von mindestens drei vereitelten Anschlagsversuchen von Wagner-Söldnern auf den ukrainischen Präsidenten Selenskyi.
Nach Angaben eines aktuellen BND-Papiers von Ende Mai 2022 sind Teile der „Gruppe Wagner“ als rechtsextremistisch-neonazistisch einzustufen. Am Massaker in Butscha im März sollen laut Augenzeugenberichten und abgehörten Funksprüchen neben regulären Einheiten der russischen Streitkräfte Armee auch Kräfte der „Gruppe Wagner“ beteiligt gewesen sein.
Zum russischen Durchbruch Ende Mai 2022 bei Popasna gibt es internationale Quellen, die ausführen, dass dort eine Mischung aus Luftlandetruppen, Marineinfanteristen der Ostsee- und der Pazifikflotte, Infanteristen aus dem Fernen Osten und Kräften der „Gruppe Wagner“ kämpften.
Wenige Tage nach Beginn des Krieges in der Ukraine wurde im März 2022 bekannt, dass die „Gruppe Wagner“ nun auch in Syrien Kämpfer rekrutiere: Sie suchte Kämpfer für den verlustreichen Orts- und Häuserkampf und bot dafür Löhne bis zu 3.000 Dollar pro Monat.
Internationale Quellen berichteten Ende April von großen Verlusten der „Gruppe Wagner“ in der Ukraine; von ca. 3.000 getöteten Söldnern war die Rede. Ein ehemaliges Mitglied der „Gruppe Wagner“ erklärte dem investigativen Recherchenetzwerk Bellingcat, dass einige Wagner-Söldner aus „Spaß am Töten“ kämpfen. Der Anteil dieser Mitglieder liege bei zehn bis 15 Prozent: „Sie sind mordgierig, sie sind nicht nur Adrenalinjunkies“. Bellingcat-Geschäftsführer Christo Grozev berichtete davon dem Auswärtigen Ausschuss des britischen Unterhauses.
Sean McFate, Professor an der National Defense University der USA, führt aus, die Brutalität der „Gruppe Wagner“ sei „ein Teil ihres Verkaufsarguments“. McFate weiter: „Wenn man sich Butscha und andere anschaut, sieht man das gleiche Muster wie in Syrien, wo sie Menschen verhören, foltern und enthaupten.“ Er hält die Wagner-Leute für eine von Präsident Wladimir Putin bevorzugte Waffe. Der Grund: Sie ermögliche eine plausible Leugnung zwischen den Exzessen vor Ort, dem Versagen vor Ort und der Politik.“ Die westlichen Staaten hätten die Bedrohung durch die „Gruppe Wagner“ bislang nicht ernst genug genommen und die Bewegungen deren Mitglieder nicht verfolgt, kritisiert McFate.
Teil der russischen Strategie
Die Aktionen der „Gruppe Wagner“ als hybrider und verdeckt agierender Akteur russischer Militärpolitik in der Ostukraine entwickelten sich nach 2014 zu einer regelrechten russischen Strategie, die weltweit angewendet wurde. Es sind Akteure, die keine direkten Spuren zu russischen Streitkräften legen und die das Risiko von getöteten russischen Soldaten vermindern. Die „Gruppe Wagner“ soll phasenweise 10.000 Kämpfer gehabt haben. Wagner-Kämpfer unterstützten Syriens Diktator Bashar Al Assad als Bodentruppen, während Russland offiziell nur Luftunterstützung bot. Im libyschen Bürgerkrieg griffen Wagner-Söldner aufseiten des mit Russland eng vernetzten abtrünnigen General Khalifa Haftar ein. In der Zentralafrikanischen Republik, in Moçambique und seit 2021 auch in Mali tritt die „Gruppe Wagner“ als „Ausbildungseinheit“ für die lokalen Streitkräfte auf. Ende März 2021 meldeten UN-Experten „schwere Menschenrechtsverletzungen“, die von russischen Wagner-Söldnern in der Zentralafrikanischen Republik begangen worden seien. Zu den Menschenrechtsverletzungen zählten nach UN-Angaben Massenerschießungen, Folter, Verschwindenlassen, willkürliche Angriffe auf zivile Einrichtungen und Angriffe auf humanitäre Helfer.
Die Dementis der russischen Regierung in Bezug auf die „Gruppe Wagner“ als irregulärer Akteur russischer Sicherheitspolitik wurden im Frühjahr 2020 konterkariert, als ein Wagner-Söldner bei einem Rückzugsgefecht in Libyen sein Tablet verlor. Auf diesem verzeichnet waren Klar- und Codenamen russischer Söldner, Einkaufslisten für Waffen, die nur die russischen Streitkräfte liefern können und Aufzeichnungen, wo Wagner-Söldner zivile Wohngebiete vermint hatten. „Wagner“ verfügt über Artillerie und Panzer.
Im Dezember 2021 verhängte die Europäische Union aufgrund von Berichten über schwere Kriegsverbrechen Sanktionen gegen die „Gruppe Wagner“. Wer hinter Wagner steckt, daran besteht für Josep Borrell, den EU-Außenbeauftragten, kein Zweifel: „Die Aktivitäten der Wagner-Gruppe sind Indiz für die hybride Kriegsführung Russlands.“
Die „Gruppe Wagner“ wird weiterhin im Ukrainekrieg kämpfen und dort Kriegsverbrechen verüben. Es ist davon auszugehen, dass das System Putin auch in der nahen und mittleren Zukunft Hybridakteure wie die „Gruppe Wagner“ und neue, noch unbekannte Organisationen, weltweit einsetzen beziehungsweise finanziell, technisch und mit Geheimdienstinformationen versehen, unterstützen wird.
Der Autor
Prof. Dr. Stefan Goertz ist Oberstleutnant d.R. Der Politikwissenschaftler lehrt an der Hochschule des Bundes, am Fachbereich Bundespolizei, in Lübeck. Dieser Beitrag gibt seine persönliche Meinung wieder.