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Die „Kohärenzmaschine“

Was der neue Planungs- und Führungsstab sein soll und warum er mit seinem Vorgänger wenig tun hat.

Boris Pistorius benötigte ein Werkzeug, das die Arbeit der Ministeriumsleitung schneller konsolidiert.

Foto: picture alliance / EPA

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Seit 1. Juni dieses Jahres gibt es den Planungs- und Führungsstab im Verteidigungsministerium mit zwei Aufgaben. Erstens koordiniert er die Planung der Verteidigungspolitik durch die Leitung des Wehrressorts aus Minister, vier Staatssekretären und dem Generalinspekteur. Die zweite Aufgabe unterscheidet den neuen Stab vom 2012 aufgelösten Planungsstab. Mit einem Lagezentrum soll der Stab auch akute Vorfälle wie Katastrophen beobachten und administrieren können. Das Lagezentrum wird zurzeit zum Führungszentrum erweitert, so eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums. Damit sollen dann Alarmmaßnahmen geführt werden. Eine nationale Alarmmaßnahme waren die Vorbereitungen für eine rasche Verlegung der NATO Response Force zu Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine.

Der von Generalmajor Christian Freuding geführte Stab verfügt über 41 Referenten. „Davon ist die Hälfte der Dienstposten für eine zivile, die andere Hälfte für eine militärische Besetzung vorgesehen“, so eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums auf Anfrage. Der neue Stab betreut das sogenannte zentrale Auftragsmanagement der Leitungsebene. Beispielsweise die letzten Bundeswehrtagung und die Stationierung der Litauen-Brigade. Alle Vorlagen aus den zehn Abteilungen sollen hier konsolidiert werden. Dafür gibt es drei Arbeitsbereiche:

  • Arbeitsbereich 1 für die strategischen Vorausschau, Koordinierung und Steuerung, Personal, Recht, Infrastruktur.
  • Arbeitsbereich 2 für Führung Streitkräfte, Einsätze, Sicherheits-/Verteidigungspolitik
  • Arbeitsbereich 3 für Haushalt, Planung, Ausrüstung, Cyber/IT

Hinzu kommen noch der Sonderstab Ukraine und das Lagezentrum mit dem Bereich Leitungsinformation.

Der Anlass zum Aufbau des Planungs- und Führungsstabs war der Ukraine-Krieg. Durch diesen stieg der Arbeitsdruck im Verteidigungsministerium massiv an. So muss die Bundeswehr muss für das kommende Streitkräftemodell der NATO organisiert werden. Daneben gilt es, viele Rüstungsprojekte rasch umzusetzen. Hinzu kommt die Waffenhilfe für die Ukraine. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gewann den Eindruck, dafür ein Werkzeug zu brauchen, das die Arbeit der Ministeriumsleitung schneller konsolidiert.

Operativer Ansatz nach US-Vorbild

Dieser operative Ansatz unterscheidet den neuen Planungs- und Führungsstab vom alten Planungsstab, der vor allem strategische Aufgaben gestalten sollte. Dessen Idee entstand zum Ende des 2. Weltkriegs in der US-Politik, als die USA zur Weltmacht wurden. Künftig mussten die Vereinigten Staaten weltweit Konflikte, Bündnisse und Gegner managen. Dafür braucht es vorausschauende Planung. Das US-Außenministerium richtete 1947 einen Planungsstab ein, der die Weltlage kontinuierlich beobachtete. Ziel war es, dass die USA die Absichten anderer Staaten richtig einschätzen und Krisen frühzeitig erkennen können. So sollte rechtzeitiges Handeln in der Außen- und Sicherheitspolitik möglich werden.

Dem US-Vorbild folgend, führte der CDU-Politiker Gerhard Schröder als Außenminister 1963 eine Planungsstab im Auswärtigen Amt ein, der bis heute besteht. Später wurde er Verteidigungsminister und beschloss 1968 auch dort einen Planungsstab zu bilden. Unter seinem Nachfolger Helmut Schmidt (SPD) wurde der Planungsstab dann ausgestaltet. Schmidt sah strategische Themen wie nukleare Planung in den Unterabteilungen des Ministeriums als „von der Leitung des Hauses viel zu weit weg“, wie er in einem Interview zum Amtsantritt 1969 äußerte. Der spätere Kanzler wollte einen kleinen, elitären Arbeitsstab aus rund zehn Referenten, die für ihn wichtige Themen geschickt aufbereiten. Dazu wurde der Stab zu je einem Drittel mit Soldaten, zivilen Bundeswehr-Angehörigen und zivilen Experten von außerhalb besetzt. Im neuen Planungs- und Führungsstab sind externe Experten dagegen nicht vorgesehen, so eine Sprecherin des Verteidigungsministeriums gegenüber loyal.

Hinter Boris Pistorius (l.) steht Generalmajor Christian Freuding, Leiter des neuen Planungs- und Führungsstabs. (Foto: picture alliance/dpa)

Schmidts erste Aufgabe an den Planungsstab war eine Bestandaufnahme der Bundeswehr samt neuem Weißbuch. Eine gewaltige Sherpa-Aufgabe, die schon die Tendenz der kommenden Jahrzehnte vorzeichnete. Als feines Instrument zur Strategiegestaltung angelegt, wurde der Planungsstab zu einer Konsolidierungsmaschine. Der Stab spiegelte zuletzt in neun Arbeitsbereichen alle Aufgaben der Abteilungen und Stäbe des Wehrressorts und hatte über 30 Referenten.

Thomas de Maizière (CDU), der 2011 das Amt als Verteidigungsminister antrat, sah den Planungsstab als ineffizientes Konstrukt. Er war der Ansicht, dass ein Leitungs- und Planungselement einer Ministerialbürokratie stets klein sein sollte. Ansonsten würde zu wenig und weniger sorgfältig in den eigentlichen Fachabteilungen gearbeitet, so de Maizières Sicht in seinem Buch „Regieren – Innenansichten der Politik“ von 2019. Er schaffte den Planungsstab deshalb ab, und koordinierte Leitungsebene und Abteilungen des BMVg über den kleinen Leitungsstab des Ministers.

„In Krisenzeiten hilft dem Minister niemand“

Bemerkenswert ist zudem, dass de Maizière in üppigen Leitungs- u. Planungsstrukturen eine Gefahr für das politische Überleben eines Ministers sah. Ein solcher Großstab könnte für zu viel Abstand zur Arbeitsebene sorgen – „Wie ein Fettauge auf der Suppe schwimmen, ohne Berührung zum Rest“. Das sei der Loyalität zum Minister abträglich. Hinzu käme, dass die Mitarbeiter eines solchen Stabes viel Macht hätten, als direktes Gestaltungsinstrument des Ministers. Allerdings sind sie nicht in die Hierarchie des Ministeriums eingeordnet, was ein Spannungsfeld erzeugt. Käme es zu Machtmissbrauch durch diese engen Mitarbeiter, sei der Minister schnell beschädigt – „Und in Krisenzeiten hilft dem Minister dann niemand mehr.“ Allerdings bewahrte sein Kalkül de Maizière nicht davor, in seiner Amtszeit vom „Euro Hawk Debakel“ überrascht zu werden. Die gescheiterte Beschaffung der US-Aufklärungsdrohne vergeudete mehr als 500 Millionen Euro, und wurde von der Wehrbürokratie sehenden Auges ins Abseits gesteuert.

Im jetzigen Wehrresort gibt man sich vom Mehrwert des neuen Planungs- und Führungsstabes voll überzeugt. Auf die die Frage, was jener bis dato erreicht hat, äußert eine Sprecherin: „Der Auftrag, die Struktur der Stabsarbeit im BMVg zu verbessern, als Informationshub für alle Mitglieder der Leitung zu fungieren sowie als ‚Kohärenzmaschine‘ zu wirken, konnte mit den unterschiedlichen Perspektiven im Haus zusammengebracht und zusammengeführt werden.“

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