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Die Stunde der Drohnen

Der Ukrainekrieg zeigt, wie wichtig Drohnen auf dem Gefechtsfeld geworden sind. Doch Deutschland hat das Thema verschlafen.

Eine Drohne vom Typ "Bayraktar TB2", aufgenommen 2021 in Istanbul.

Foto: picture alliance/AA

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Der globale Markt für Drohnen wächst rasant. Im Jahr 2022 hatte er einen Wert von 26,2 Milliarden US-Dollar. Laut dem amerikanischen Wirtschaftsmagazin „Markets to Markets“ soll er im Jahr 2027 bei 38,3 Milliarden Dollar liegen. Ein Land, das viel Geld in seine Drohnenherstellung fließen lässt, ist die Ukraine. Das ukrainische Verteidigungsministerium will allein im Jahr 2023 rund 550 Millionen Euro in diese unbemannten Fluggeräte investieren. Natürlich braucht es auch Soldaten, die die Drohnen bedienen können: Der ukrainische Generalstab kündigte deshalb Anfang des Jahres an, gleich mehrere auf Drohnenangriffe spezialisierte Kompanien zu gründen.

Innerhalb von wenigen Jahren hat sich in der Ukraine ein wahrer Drohnenboom entwickelt. Rund 100 ukrainische Unternehmen produzieren mittlerweile Drohnen auf professionellem Niveau. Wobei die ukrainischen Drohnen immer mehr können: Oleksij Danilow, Sekretär des Nationalen Sicherheitsrates der Ukraine, verkündete vor wenigen Wochen, dass Dutzende ukrainische Drohnenmodelle bereits eine Reichweite von 3.000 Kilometern bewältigen könnten. Auch in Sachen „Stehzeit in der Luft“ machen die ukrainischen Entwickler massive Fortschritte. Die ukrainische Firma Skyeton zum Beispiel produziert mit circa 120 Mitarbeitern die Kleindrohne „Raybird 3“. Diese kann fünf Kilogramm Nutzlast tragen und hat mit mehr als 24 Stunden Nonstop-Flug den Drohnen-Langstreckenrekord der Ukraine aufgestellt. Die Ukrainer haben aber auch die türkische Bayraktar TB2 in ihren Waffenkammern. Mit Hilfe der Bayraktar gelang es den ukrainischen Streitkräften vergangenes Jahr, Snake Island, eine von Russland besetzte Insel im Schwarzen Meer, zurückzuerobern. Die vollautonome Drohne kommt ohne Bodensteuerung aus, kann Orte ausspähen und programmierte Ziele anfliegen.

Weil der Luftraum der Ukraine zu gut überwacht und durch Flugabwehrsysteme geschützt ist, fällt der Einsatz von Kampfflugzeugen in der Ukraine aus. Deshalb schlägt die Stunde der Drohnen, die sowohl von den angreifenden Russen als auch von den sich verteidigenden Ukrainern massiv eingesetzt werden – zur Lageaufklärung aber auch zur Bekämpfung von Zielen. In Videos ist zum Beispiel zu sehen, wie ukrainische Kleindrohnen Sprengladungen in die Luken russischer Panzer werfen. Auch auf russischem Gebiet werden immer wieder Einschläge auf kriegswichtige Infrastruktur gemeldet, wahrscheinlich von ukrainischen Drohnen ausgeführt. Etwa vor ein paar Wochen in Tuapse in der Region Krasnodar, gut 500 Kilometer von ukrainischem Gebiet entfernt, wo ein Öldepot der Firma Rosneft zerstört wurde. Die ukrainische Regierung stritt die Verantwortung dafür ab. Auch ob die Drohnen, die in den vergangenen Wochen in Moskau eingeschlagen sind, mit Billigung der ukrainischen Regierung losgeschickt wurden, ist noch unklar. Technisch wären die Ukrainer dafür auf jeden Fall in der Lage.

Beschleunigung des Kriegsgeschehens

Auch die russischen Angreifer setzen im Ukrainekrieg auf Drohnen. Am Anfang waren das hauptsächlich Drohnen des Typs „Orlan“, „Orion“ und die gefürchtete „Lancet“ aus russischer Produktion. Vor allem die „Lancet“ zerstörte präzise die gepanzerten Fahrzeuge, Unterstände und die Artillerie der Ukrainer. Die russische Armee nutzt aber auch die Shahed 136 aus iranischer Produktion, eine weitfliegende Drohne, mit der die Russen in den vergangenen Monaten die (Energie-)Infrastruktur und Wohngebiete in der Ukraine attackierten.

Doch die Ukrainer stellten sich schnell auf diese Bedrohung ein. Mit 30 Gepard-Flakpanzern, von denen viele aus Deutschland geliefert wurden, schützen sie mittlerweile wichtige Orte vor dem Anflug von kleineren bis mittelgroßen Drohnen. Größere und weitreichendere Drohnen sowie Raketen kann zum Beispiel das Flugabwehrsystem Iris-T abfangen. Außerdem haben die Ukrainer in größeren Orten mittlerweile Schützen abgestellt, die den Himmel überwachen und mit Schrotflinten auf die anfliegenden Drohnen schießen.

Dabei sei der revolutionäre Punkt bei den Drohnen gar nicht deren Einsatz als Waffe, so Drohnenexpertin Ulrike Franke vom European Council on Foreign Relations (ECFR). Vielmehr liefere der massenhafte Einsatz von Drohnen über dem Kriegsgebiet schnelle Aufklärungsergebnisse: Wo stehen Artilleriesysteme? Wo bauen die gegnerischen Truppen eine neue Stellung? Wo verlegen sie gerade Nachschub an die Front? Drohnen liefern 24 Stunden am Tag, sieben Tage die Woche Aufklärungsergebnisse zu diesen Fragen. Und das in Echtzeit und zu einem recht geringen Anschaffungspreis. Vor zwanzig Jahren mussten noch Aufklärungs-Tornados aufsteigen, um ein Bild der Lage zu machen, die Fotos folgten später. Die Nutzung von Drohnen bedeutet laut Franke deshalb eine massive Beschleunigung des Kriegsgeschehens, vor allem weil Artilleriesysteme nun auf Basis dieser Aufklärungsergebnisse binnen Minuten zuschlagen können.

Deutschland weit abgeschlagen

Doch wo steht Deutschland bei der Beschaffung von neuen Drohnen? Weit abgeschlagen. Während andere Länder ihre Drohnen-Arsenale in den vergangenen Jahren massiv aufstockten und/oder massiv in die Produktion von Drohnen investierten, wie zum Beispiel Israel, die Türkei, China oder die USA, hinkt Deutschland hinterher. Hier debattierte man stattdessen jahrelang, ob fünf von Israel geleaste Heron-TP-Drohnen Waffen tragen dürften oder nicht. Der Militärexperte Carlo Masala von der Bundeswehruniversität in München forderte die Bundesregierung deshalb kürzlich auf, massiv in Drohnen zu investieren und Drohnen verschiedener Größe auf dem Markt zu kaufen – anstatt hauptsächlich auf die Neuentwicklung von großen Prestigeprojekten zu setzen wie die Bundesregierung das bisher tut.

Auch bei der Drohnenabwehr ist die Bundeswehr schlecht aufgestellt – vor allem im Nah- und Nächstbereich. Die Gepard-Flakpanzer, die von ukrainischen Militärs und Politikern wegen ihrer Erfolgsbilanz sehr gelobt werden, wurden 2012 bei der Auflösung der Heeresflugabwehrtruppe ausgemustert. Das Mantis-System, das die Bundeswehr zum Schutz von Feldlagern in ihren Auslandseinsätzen einsetzte, eignet sich nur für den stationären Einsatz, bewegliche Objekte kann es nicht schützen. Bis 2027 soll die entstandene Lücke zwar geschlossen werden. Es werde an Lösungen gearbeitet, heißt es aus dem BAAINBw, dem Beschaffungsamt der Bundeswehr. Womit die Lücke genau gefüllt werden soll, ist allerdings noch unklar.

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