In der Drohnenfabrik
In der Ukraine hat der bayerische Drohnenhersteller Quantum-Systems ein Werk hochgezogen. Nun soll die Produktion ausgebaut werden. loyal hat die Drohnenfabrik besucht.
Zu dieser Fabrik gelangt man nur, wenn man sich an einem Treffpunkt abholen lässt. Das Smartphone muss zwecks Ortungsgefahr zurückbleiben. Die Drohnenproduktion des deutschen Herstellers Quantum-Systems in der Ukraine ist ein Hochwertziel für Russland; die Sicherheitsmaßnahmen sind dementsprechend streng. In den Hallen vor Ort herrscht geschäftiges Treiben. Platinen werden gelötet, Bauteile gefertigt, Drohnen getestet.
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Der Geschäftsführer des Werks, Oleksandr Berezhny, tritt an einen Arbeitstisch und reicht zwei Flügel. „Hier nehmt mal. Euch wird etwas auffallen.“ Beide Flügel liegen gleich schwer in der Hand, doch einer ist erkennbar robuster. Das ist die neue Version. Anstatt der bisherigen Wabenstruktur besteht er vollständig aus Kompositmaterial. Um in der Drohnenrüstung zu bestehend, sind laufende und rasche Verbesserungen essenziell. Berezhny im Gespräch mit loyal: „Der maximale Zyklus für die Erneuerung eines Drohnensystems oder den Ersatz durch ein neues Konzept beträgt sechs Monate. So haben die Ukrainer beispielsweise kürzlich FPV-Drohnen entwickelt, um die russische Kamikaze-Drohne Lancet abzufangen. Jetzt kopieren die Russen diesen Ansatz.“
Das Werk ist bis jetzt ganz auf das Hauptprodukt von Quantum-Systems ausgerichtet: Die Aufklärungsdrohne Vector. Diese wurde für die Gefechtstiefe eines Bataillons von 35 Kilometern entwickelt. Kurz nach Beginn der russischen Invasion kamen die ersten Vector-Drohnen über die Ertüchtigungsinitiative in die ukrainischen Streitkräfte. Dort haben sie sich bewährt. Bis Ende vergangenen Jahres lieferte Quantum laut Materiallieferliste des deutschen Verteidigungsministeriums fast 400 dieser Drohnen an die Ukraine. Um dem ukrainischen Bedarf gerecht zu werden, gründete Quantum-Systems als erster und bisher einziger deutscher Drohnenhersteller eine Produktion direkt im Kriegsland.
„Das Quantum-Werk in der Ukraine ist sowohl eine Produktionsstätte als auch ein Wartungs- und Forschungszentrum. Derzeit werden dort etwa 30 Vector-Drohnen pro Monat einsatzbereit gemacht“, erläutert Geschäftsführer Berezhny. Die Arbeit im Werk hat bisher den Schwerpunkt, Erkenntnisse aus dem Einsatz schnell in das System aufzunehmen und Drohnen für Fronteinheiten zügig instand zu setzen. Das Werk in der Ukraine stellt bisher Flügel her und ist auf die Reparatur der Vector ausgelegt. Neue Drohnen werden am Hauptsitz von Quantum-Systems im bayerischen Gilching montiert, auf der Grundlage des Rumpfteils, das aus einer Produktion in Tschechien zugeliefert wird.
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Laut Berezhny ist nun das Ziel, die Produktion massiv auszuweiten. „Die ukrainischen Streitkräfte haben allein für das nächste Jahr einen Bedarf von über 800 Vector-Drohnen angemeldet.“ Berezhny, der vor dem Krieg unter anderem Finanzchef einer Fast-Food-Kette war, zog Quantums Drohnenhub für die Ukraine in nur einem halben Jahr hoch. 60 Techniker arbeiten inzwischen hier. Doch der Ausbau wird noch anspruchsvoller. Der Drohnen-Manager: „Quantum zeigt auch ein anderes Gesicht der Mobilisierungsherausforderung der ukrainischen Armee. Die Rüstungsindustrie konkurriert mit der Armee um Arbeitskräfte. Es ist nicht einfach, qualifizierte Techniker zu finden. Auch in der Ukraine werden technische Berufe immer noch von Männern dominiert. Frauen werden für uns daher immer wichtiger.“
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Die Skalierung der militärischen Drohnenproduktion ist für die Ukraine von strategischer Bedeutung. Denn hier hat der Feind einen strukturellen Vorteil. „Schnelle Innovation war bisher nicht die Stärke der Russen. Aber sie können über ihre staatliche Rüstungsindustrie schneller größere Serien bauen“, so die Bewertung von Oleksandr Berezhny. Der Drohnenbedarf der Ukraine ist gigantisch. Gerade weil die Ukraine einen massiven Mangel an klassischen Waffensystemen wie Artillerie samt Munition hat, wurden Drohnen zum zentralen Kriegsmittel entwickelt. Ende vergangenen Jahres gab das ukrainische Verteidigungsministerium bekannt, dass allein 2024 mehr als eine Million UAVs an die Armee ausgeliefert wurden. Davon 5.000 Aufklärungsdrohnen wie die Vector.
Die schnellen Innovationszyklen bei der Drohnenbewaffnung sind ein großes Problem für die Beschaffung der Ukraine. Langfristige Aufträge sind auf diese Weise schwer zu vergeben. Berezhny: „Das Verteidigungsministerium arbeitet an einem neuen Vertragsmodell, das laufende Anpassungen ermöglicht, ohne sie jedes Mal neu zertifizieren zu müssen. Aber es ist nicht klar, wann die neue Vertragsform in Kraft treten wird.“ Eine weitere Herausforderung: Die Regierung begrenzt den Preisaufschlag bei Wehrmaterial auf 25 Prozent, um die Rüstungsgüter erschwinglich zu halten. Drohnenrüster Berezhny: „Damit sind die Kosten der Drohnenfirmen jedoch nicht gedeckt, insbesondere nicht in der Entwicklung. Deshalb fordert die Industrie die Erlaubnis zum Export, um Gewinne zu erzielen. Die Regierung will dies nicht, weil sie befürchtet, dass wichtiges Kriegs-Know-how das Land verlässt.“ Zumindest eine Beschaffungserleichterung ist in Sicht. Laut Quantum-Co-Chef Sven Kruck ist die Vector seit Neustem als eingeführtes Aufklärungssystem der ukrainischen Streitkräfte zertifiziert. Damit lässt sich die Drohne vom ukrainischen Beschaffungswesen direkt ordern, ohne Abstimmung über Deutschland.