„Eine Frage des Willens“
Frauen zu binden und zu entwickeln, ist eine Schwäche der Bundeswehr. Um hier voranzukommen, wäre deren Entlastung bei der Care-Arbeit entscheidend, findet Soldatin Alexandra von Stülpnagel. Dazu hat sie zwei Ideen.
Das Ziel von 15 Prozent Frauenanteil in den Streitkräften liegt in weiter Ferne. Seit 2018 stagniert die Zahl bei zwölf Prozent. Jedes Jahr verlassen gut ausgebildete Soldatinnen nach ihrer Verpflichtungszeit die Bundeswehr. Und wie jüngst General Laubenthal feststellte: „Soldatinnen verzichten auf höhere Verwendungen wegen Kindern.“
Auch im Jahre 2022 wird der Großteil der sogenannten Care-Arbeit – Kinderbetreuung, Haushalt und die Pflege Angehöriger – von Frauen geleistet. Im Schnitt fallen hier 5 Stunden und 18 Minuten täglich an. Rechnet man einen Erwerbsarbeitstag hinzu, hat ein durchschnittlicher Arbeitstag 16 Stunden. Kein Wunder, dass sich 70 Prozent der Frauen in Deutschland dazu entschließen, in Teilzeit zu arbeiten, und finanzielle Nachteile sowie Karriereeinbußen in Kauf nehmen – mit weitreichenden Folgen, wie Altersarmut und Verlust der Unabhängigkeit. Nur zwölf Prozent beschreiben diesen Schritt als „freiwillig“. Vielmehr sei er die Konsequenz eines sonst nicht bewältigbaren Alltags.
Wie kann die Bundeswehr also ihre care-arbeitenden Soldatinnen unterstützen und höhere Verwendungen attraktiv gestalten?
Aus meiner Sicht sollte das Ziel die Etablierung struktureller Maßnahmen sein, die Frauen durch Reduzierung der Care-Arbeit mehr Erwerbsarbeit ermöglichen. Dies könnte einerseits durch Förderung einer innerfamiliären Umstrukturierung mit ausgeglichenen Teilzeitmodellen geschehen: Statt 60 Prozent Teilzeit der Soldatin, reduzieren beide Elternteile auf 80 Prozent. Der Dienstherr begünstigt dieses Modell mit finanziellen Anreizen, da weiterhin je 90 Prozent Teilzeit bezahlt werden. Andererseits könnten äußere Strukturen geschaffen werden, wie eine Kinderbetreuung mit erweiterten Betreuungszeiten in allen Liegenschaften. Haushaltshilfen, die einen Teil der Care-Arbeit übernehmen, sollten finanziell unterstützt werden. Auch ein Pool an Dienstleistern, die zum Beispiel bei kurzfristigen Schließungen der Betreuungseinrichtung einspringen, ist möglich. Viele kluge Ideen und Ansätze wurden bereits durch Kameradinnen angestoßen und in Aktionsplänen festgehalten. Doch es hapert an der Umsetzung.
Am Ende ist es eine Frage des Willens. Meiner Meinung nach kann es sich die Bundeswehr nicht leisten, auf die gut ausgebildeten Arbeitskräfte zu verzichten, wenn sie zukunftsfähig bleiben möchte.