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EUCAP-Mission Sahel Niger geht zu Ende

Die europäische Capacity Building Mission im Niger (EUCAP Sahel Niger) wird Ende des Monats offiziell eingestellt. Das hat der Europäische Rat beschlossen. Die Putschisten im Niger hatten die Polizeiausbilder im Frühjahr aus dem Land geworfen. loyal sprach mit der letzten Missionschefin, der deutschen Richterin Katja Dominik, über das dramatische Ende und über das, was nach zwölf Jahren EUCAP im Niger bleibt.

Die Illustration zeigt Offiziere aus dem Kreis der Putschisten im Niger bei einer Fernsehansprache im vergangenen Jahr.

Illustration: Ruwen Kopp / Foto: Picture Alliance

loyalnigersahel

Am 19. Februar, einem Montag, standen kurz vor Dienstschluss bewaffnete Uniformierte vor dem Hauptquartier der EUCAP-Mission in der nigrischen Hauptstadt Niamey, unmittelbar neben dem Justizministerium. Sie drangen in das von Hesco-Schanzkörben gesicherte Gebäude ein und durchsuchten jeden Raum. Die Polizisten nannten weder einen Grund für die Maßnahme noch hatten sie einen Durchsuchungsbeschluss. Pistolen, Gewehre, Munition und persönliche Schutzausrüstung der EUCAP aus der Waffenkammer wurden beschlagnahmt. Die Waffen und das Material präsentierten die nigrischen Behörden später in den Abendnachrichten des staatlichen Fernsehsenders Télé Sahel wie Trophäen.

Mehr noch: Es wurden auch Bilder von Landminen gezeigt, deren Herkunft unbekannt ist und die EUCAP keinesfalls im Besitz hatte. Die nigrischen Behörden konstruierten den absurden Vorwurf, die EUCAP habe mit diesen Waffen das Land destabilisieren wollen. Die deutsche Leiterin der Mission, Katja Dominik, wurde wochenlang an der Ausreise gehindert, bis die Sache geklärt war. Ihr Glück: Sie konnte alle Papiere vorweisen, in denen die nigrischen Behörden selbst die Einfuhr der Pistolen und Gewehre genehmigt hatten, die lediglich dem Eigenschutz der europäischen Missionsangehörigen dienten. Die EUCAP-Mission war damit operativ vor Ort beendet und wird seit dem Frühjahr von Brüssel aus abgewickelt. Ende September ist nach zwölf Jahren offiziell Schluss.

2012 war EUCAP Sahel Niger im Rahmen der Gemeinsamen Sicherheits- und Verteidigungspolitik der Europäischen Union gestartet. Ziel war es, die nigrische Polizei, Nationalgarde und Gendarmerie zu beraten und auszubilden, damit diese effizient gegen die weit verbreitete Kriminalität im Land, gegen Terroristen und nicht zuletzt auch gegen Schleuserbanden vorgehen konnte. Niger war lange Zeit ein Anker der Stabilität in einer von Unsicherheit, Terroristen und Putschisten beherrschten Region. Sogar einen seltenen demokratischen Machtwechsel hatte es 2021 gegeben, als der westlich orientierte Präsident Mohamed Bazoum ins Amt kam. Unter seiner Ägide entwickelten sich Polizei und Armee zur „Generation Sicherheit“, wie loyal im Mai 2023 seine Titelgeschichte mit einer Reportage aus dem Land überschrieb.

Abkehr von Europa

Auch dank EUCAP Sahel Niger war das Land auf einem guten Weg; die wichtige Schleuserroute über die Stadt Agadez am Südrand der Sahara, wo EUCAP eine Zweigstelle eröffnet hatte, war geschlossen. Gerade war EUCAP mit dem Aufbau mobiler Polizeieinheiten beschäftigt, die mehr Flexibilität im Kampf gegen die Kriminalität im Lande bringen sollten, da putschten sich am 26. Juli vergangenen Jahres – für Europa und die Welt unerwartet – Armeeoffiziere an die Macht. Präsident Bazoum wurde festgesetzt, ihm soll ein Prozess wegen „Hochverrats“ gemacht werden.

Die Putschisten verfolgen seitdem eine Politik der Abkehr von Europa und der Hinwendung zu Russland. Sie warfen erst die Franzosen aus dem Land, dann die Bundeswehr, die bis vor kurzem noch eine „cold base“ als (sinnlos gewordenen) Lufttransportstützpunkt am Flughafen Niamey unterhalten hatte. Die Amerikaner, die eine strategisch wichtige Drohnenbasis in der Nähe von Agadez unterhalten haben, haben kürzlich das Land verlassen. Die Migrationsroute durch die Sahara Richtung Europa ist inzwischen wieder offen.

In Brüssel ist Katja Dominik, die letzte EUCAP-Chefin, jetzt damit beschäftigt, die Abwicklung der Mission zu organisieren. Es geht darum, nach Möglichkeit noch wertvolles Material aus dem Land zu bekommen, Konten zu schließen, Bilanz zu ziehen. Bis zu 230 Europäer aus 15 Ländern waren zu Hoch-Zeiten an EUCAP beteiligt, hinzu kamen etliche Ortskräfte. Die sind nach Dominiks Einschätzung nicht in Gefahr. Derzeit besteht auch kein Aufnahmeprogramm für sie in europäischen Ländern.

„Die gesamten zwölf Jahre im Blick behalten“

Die 53 Jahre alte Juristin war zuvor bereits bei EULEX im Kosovo und bei der europäischen Mission EUPOL COPPS in den Palästinensergebieten. Im Niger wäre ihr Vertrag eigentlich bis September 2025 gelaufen. Zu tun hätte es dort genug gegeben: „EUCAP war ja all die Jahre zunächst sehr stark auf die Polizeiarbeit konzentriert, weil da einfach der größte Bedarf bestand. Aber wir hatten noch viel mehr vorgehabt: Justiz und Strafvollzug, um die beiden nächsten großen Handlungsfelder zu nennen.“

Ist die zwölfjährige Arbeit von EUCAP im Niger durch den Putsch vergebens gewesen? Dominik verneint. „Wir sollten ein solches Engagement nicht nur vom traurigen Ende her beurteilen, sondern die gesamten zwölf Jahre im Blick behalten. Wir haben bei Polizei, Gendarmerie und Nationalgarde Strukturen aufgebaut, die weiterhin tragen – auch wenn die von uns ausgebildeten Frauen und Männer nun unter einer zutiefst undemokratischen Regierung agieren müssen. Die tägliche Arbeit geht für sie weiter, die Verbrechensbekämpfung hört ja nicht auf. Und darauf haben wir sie all die Jahre sehr gut vorbereitet.“

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