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Europas Panzer-Karussell

Polen bahnt mit den Vereinigten Staaten eine US-Panzer-Beschaffung großen Stils an. Der Rüstungsdeal zeigt das Unvermögen der Europäer, selbst militärische Schlagkraft aufzubauen.

Symbolbild: Leopard 2 A5 im Gelände.

Foto: Bundeswehr/Modes

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Vor kurzem verkündete Polens Verteidigungsministerium, 250 Abrams-Panzern der USA anzuschaffen. Ein massiver Ausbau der eigenen Panzerstreitmacht. Polens Zukauf ist größer als der gesamte Panzerbestand der Bundeswehr, von zurzeit circa 244 Leopard II. Vom deutschen Hauptkampfpanzer hat Polen ebenfalls fast 250 Stück. Hinzu kommen mehr als 700 Panzer sowjetischer Typen. Jene und die Leopard II werden zurzeit teils kampfwertgesteigert.

Dieser üppige Panzerbedarf leitet sich vom polnischen Verteidigungskonzept gegen Russland ab. Wie bei der Bundeswehr zu Zeiten des Kalten Krieges soll eine bewegliche und kampfstarke Vorwärtsverteidigung über Panzer eine russische Attacke bereits in Grenznähe auffangen. Das davor gelagerte Weißrussland ist in der polnischen Wahrnehmung nur das perfekte Einfallstor für den Gegner. Wie sehr, zeigte ein Fauxpas des Wehrressorts bei der Verbreitung des Panzerdeals auf Twitter. Ein bald gelöschter Post nannte als künftigen Stationierungsort der Abrams-Panzer das so genannte „Smolensker Tor“. Bei dieser russischen Grenzmetropole öffnet sich zwischen zwei Flüssen eine Ebene nach Westen, die bis Warschau kaum natürliche Hindernisse kennt. Für einen Angriff das ideale Terrain, um rasch auf Polens Hauptstadt vorzustoßen. Ob russische Heere gen Westen, oder Napoleon und Nazi-Wehrmacht nach Osten; über Jahrhunderte liefen Feldzüge über diese Trasse.

Um hier die Abwehr zu stärken, sollen ab nächstem Jahr in Ostpolen vier weitere Panzerbataillone aufgestellt werden, mit der neuesten Abrams-Version M1A2 SEP v3. Die polnische Seite hat bei den USA einen Preis von 6 Milliarden US-Dollar sondiert. Für ein Gesamtpaket mit Zusatzgerät wie Bergepanzern und Ausbildung. Die Großinvestition soll im Haushalt über einen eigenen Etat gestemmt werden. Ein Vorgehen, das sich einige Wehrpolitiker hierzulande ebenfalls für strategische Großvorhaben wünschen, wie das Luftkampfsystem FCAS. Besiegelt ist der polnisch-amerikanische Deal noch nicht. Ein Sprecher der US-Botschaft in Warschau gegenüber loyal: „Uns liegt eine Anfrage der Regierung Polens für ein entsprechendes Abkommen vor. Bis jetzt prüft und bewertet die US-Regierung diese Anfrage noch.“

Sinnbild für das Versagen der Europäer

Dass die NATO-Hauptmacht mal wieder die Verteidigungsambitionen eines europäischen Landes unterfüttert, liegt nicht an „Buy American“-Druck. Vielmehr ist die Abrams-Beschaffung ein Sinnbild für das Versagen der Europäer, im Zusammenspiel ernsthafte militärische Schlagkraft aufzubauen.

Eigentlich zielte Polen auf den Aufbau einer modernen Panzerstreitmacht über einen deutsch-europäischen Pfad. Der Ansatz dazu sollte der Leopard II sein. Über den Benutzerverbund LEOBEN gleichen diverse Nutzerstaaten Logistik und Weiterentwicklungen ab. In Europas Panzerflotten hat der deutsche Panzertyp mit 48 Prozent den größten Anteil. Also ein vermeintlich idealer Ansatzpunkt für das Postulat der NATO-Europäer, der Allianz schlagkräftige Großverbände zu stellen, um den Allianzprimus USA zu entlasten. Dafür hat sich die NATO das Rahmennationenkonzept gegeben. Die europäischen Hauptmilitärmächte sollen kleinere Armeen andocken und so vereinheitlichte Streitkräfteverbünde vorantreiben. Mit Blick auf die Ostflanke ist das die Bundeswehr als Leopard II Hauptnutzer. Vor sechs Jahren gleisten die deutschen und polnischen Landstreitkräfte dafür eine wechselseitige Unterstellung von jeweils einer Panzer- und Panzergrenadiereinheit auf. So bindet die Panzergrenadierbrigade 41 der Bundeswehr ein Bataillon Leopard II der 10. Panzer-Kavalleriebrigade Polens ein, da der deutsche Verband über keine eigenen Panzer verfügt. Ausgebaut wurde dieser Nukleus bis heute nicht; er ist noch nicht einmal einsatzfähig. Das Leopard-Potenzial sinnvoll zu nutzen, gelang nicht.

So versuchte Polen in den letzten Jahren vergeblich, seine Panzerflotte über den Zukauf weiterer Leopard II zu erweitern. Ältere spanische Versionen waren zu abgenutzt. Die Bundeswehr wollte keine mehr abgeben. Die selbst ernannte Rahmennationenarmee hat selbst zu wenige. Vor der großen militärpolitischen Zeitenwende – Russlands Krimannexion 2014 – sollte die deutsche Panzerflotte von 350 auf 225 sinken. Nun sollen es immerhin 328 modernisierte Leopard II sein für sechs Panzerbataillone. Das Heer sieht den Bedarf von mindestens 80 weiteren Panzern. Aber deren Finanzierung wurde versagt. Dabei dauert allein der Umbau von 104 Panzern auf den neuesten Rüststand A7V für die Bundeswehr sieben Jahre. Fast ebenso lange muss Dänemark auf die Kampfwertsteigerung seines Mini-Kontingents von 44 Leopard Panzer warten. Ebenso Ungarn auf dieselbe Anzahl neugefertigter Leopard II. Doch abgestimmte Investitionen in industrielle Kapazitäten wurden auf Seiten der Europäer nicht angegangen.

Nationale Egoismen

Stattdessen dominieren nationale Egoismen. Anstatt über den Verbund der Leopard II Nutzer, entwickelte Polen zur Modernisierung seiner älteren Leopard A4 einen eigenen Standard. Ein Rückschritt für eine einheitliche Logistik und Instandsetzung. Das Konzept eines Leopard-Panzer-Arsenals, mit dem Potenzial verfügbaren Modelle europäisch zu bündeln, zu vereinheitlichen und zu warten, liegt seit fünf Jahren bei der European Defence Agency, ohne eine Chance auf Umsetzung. Eine Beteiligung wäre beispielsweise für Großbritannien sinnvoll gewesen, das Hauptkampfpanzer auf dem Kontinent braucht, als Beitrag zur Abschreckung Russlands. Seine Bonsai-Flotte von 227 Panzern vom Typ Challenger verringert es weiter auf 148. Diese wenigen modernisiert es nun kostenintensiv.

Auch für die Nach-Leopard-Zeit sieht es düster in Europa aus. Die kampfwertgesteigerten Leopard II sind eine Übergangslösung bis in die 2030er Jahre. Beim deutsch-französischen Projekt für ein Landkampfsystem der Zukunft, dem Main Ground Combat System, drängte Polen auf eine frühe und umfassende Beteiligung; erhielt aber keinen Zugang. Das Vorhaben selbst steht unter keinem guten Stern. Zurzeit wird um das Kaliber der Kanone gestritten. Die Franzosen wollen 140, die Deutschen 130 Millimeter.

Dieser Kontext dürfte Polen dahin konditioniert haben, nun bei den USA Anschluss zu suchen. Der Panzerexperte Damian Ratka, vom Fachmagazin New Military Technology in Warschau im Gespräch mit loyal: „Die Masse von Polens Panzerstreitmacht besteht noch aus Sowjet-Modellen. Deren zügiger Austausch ist überfällig. Inzwischen ist die einzige praktikable Option der Abrams-Panzer mit seiner weiten Verfügbarkeit.“ Denn dort gibt es wenigstens mittelfristig eine belastbare Perspektive statt der zerfaserten und unklaren europäischen. Das US-Heer plant mit mehr als 2.000 Abrams. Die Industrie hat dafür im vergangenen Jahr einen Auftrag bis 2028 erhalten. Im Ausblick dürfte Polens Panzerwaffe bis in die 2030er Jahre aus Leopard II bestehen und einem zunehmend dominanten Anteil Abrams, da dieser ausbaufähig sei, so Ratkas Einschätzung. Der US-Panzer habe laut dem Fachmann einen zunehmend wichtigen Vorteil gegenüber dem deutschen. Beim Leopard befindet sich die Geschützmunition nur teilweise in abgeschotteten Magazinen, beim Abrams vollständig. Bei Munitionsversagen oder Eindringen feindlicher Geschosse erhöht das die Überlebensfähigkeit der Besatzung. Diese aufwendig ausgebildeten Spezialisten sind in Zeiten überalternder Gesellschaften eine Ressource, die in Streitkräften stetig kostbarer wird.

Ergänzung:

Loyal hat beim Heer nach Auswirkungen auf die deutsch-polnische Panzerkooperation durch den Abrams-Deal gefragt. Eine Sprecherin des Heeres: „Aus der Beschaffung US-amerikanischer Abrams Panzer lassen sich keine Rückschlüsse auf die fortlaufende deutsch-polnische Heereszusammenarbeit ziehen. Nach hiesiger Kenntnis modernisiert Polen die in Nutzung befindlichen Leopard II-Plattformen umfangreich. Demnach ist davon auszugehen, dass diese auch in absehbarer Zukunft von den polnischen Streitkräften betrieben werden.“ Das Heer will die Zusammenarbeit mit den polnischen Landstreitkräften weiterentwickeln, so die Stellungnahme. Zum Stand der Panzer-Kooperation, heißt es: „Der kurz- bis mittelfristige Fokus liegt auf der Ausgestaltung gemeinsamer Übungsvorhaben zur Steigerung der Interoperabilität der Einheiten und Verbände.“  Somit hängt die Zusammenführung noch in Phase II. Die Roadmap Panzertruppen-Integration mit Polen sah ursprünglich folgende Phasen vor:

I. Initialisierungsphase bis 30. Juni 2016: Voraussetzungen für Zusammenarbeit der Panzertruppen schaffen.

II. Übungs- und Ausbildungsphase: In der Übungs- und Ausbildungsphase werden die Bataillone zyklisch in die jeweilige Partnerbrigade eingebunden – Das wird bis voraussichtlich Mitte 2019 andauern.

III. Integrationsphase:  Jene soll die wechselseitige Anbindung auch in einer gefestigten Struktur widerspiegeln – Das ist bis Mitte 2021 vorgesehen.

IV. Einsatzphase: Ab 2021 sollen die Bataillone – vorbehaltlich politischer Entscheidungen – gemeinsam Einsätze bestehen.

Auf die Frage, ob das Heer Interesse hätte, verfügbare Leopard II-Plattformen zu übernehmen, sollte Polen seine Panzer-Streitmacht mittelfristig auf US-Technologie umbauen, äußert das Heer, die Modernisierung der eigenen Leopard II sei ausgeplant. Ein Rückgriff auf Plattformen anderer Nationen sei hierbei nicht beabsichtigt. Laut Heeres-Sprecherin gelte diese Absicht „bislang.“

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