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„Übernehmen Sie, Frau Kapitän!“

Frauen machen Karriere in der Bundeswehr. Einige sind bereits Bataillonskommandeurinnen. Doch haben Sie in Sachen Karriere die gleichen Chancen wie Männer? Die Meinungen unter den Soldatinnen gehen auseinander. Ein Besuch bei der ersten Kommandeurin des Heeres, Oberstleutnant Hekja Marlen Werner, und bei der ersten Kommandeurin der Marine, Korvettenkapitän Victoria Kietzmann.

Victoria Kietzmann ist Kommandeurin der Lehrgruppe C an der Marinetechnikschule in Parow bei Stralsund. Die 38-Jährige trat im Jahr 2022 den Dienstposten an und ist damit die erste Kommandeurin der Marine.

Foto: Stephan Pramme

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Die jungen Soldaten an Bord der „Ensdorf“ sind beschäftigt. Einige schleppen gerade einen Wasserschlauch herbei, andere schrauben ihn zusammen. Die Aufgabe der Soldaten ist es heute, einen Brand an Bord zu löschen. Deshalb bemerken sie auch nicht gleich, dass sich ihre Vorgesetzte nähert. Nur die Ausbilderin, die gerade die Arbeit der Soldaten beaufsichtigt, hat Victoria Kietzmann bemerkt. „Frau Kapitän! Hauptbootsmann Augustat. Ich melde die zehnte Inspektion bei der Lösch- und Leckabwehrausbildung“, meldet die Ausbilderin zackig. Dann wechseln beide in einen entspannteren Tonfall. Victoria Kietzmann fragt nach dem Stand der Ausbildung und wie sich die Rekruten dabei anstellen. Der Wind pfeift ihnen um die Ohren, hohe Wellen schlagen an die Wände der Ensdorf, einem ehemaligen Minensuchboot, das nun zur Ausbildung dient. Victoria Kietzmann hört aufmerksam zu, erkundigt sich auch nach der Gesundheit der Ausbilderin, die vergangene Woche krank war. Die beiden müssen fast brüllen, so laut sind Wellen und Wind.

Es ist eine alltägliche Szene an der Marinetechnikschule in Parow bei Stralsund. Und doch ist sie etwas Besonderes. Denn Victoria Kietzmann ist seit 2022 Kommandeurin der Lehrgruppe C an der Marinetechnikschule. Damit ist sie die erste Kommandeurin der Marine. Mittlerweile gibt es mit Fregattenkapitän Inka von Puttkamer, die Anfang des Jahres die Führung über das 3. Minensuchgeschwader in Kiel übernahm, eine zweite Kommandeurin. Aber zurück zu Kietzmann: „Erstmals Kommandeurin bei der Deutschen Marine“ titelte der Norddeutsche Rundfunk im Oktober 2022 über sie, und die Ostsee-Zeitung schrieb: „Deutsche Marine: Wie es Victoria Kietzmann zur ersten Kommandeurin geschafft hat.“ Erst durch das starke Medieninteresse sei ihr aufgefallen, dass sie die erste Frau auf einer solchen Position sei, sagt Kietzmann.

Dienstaufsicht an Bord der „Ensdorf“: Das ehemalige Minensuchboot dient heute der Ausbildung. Die jungen Soldaten im Hintergrund üben gerade das Löschen eines Brandes. Die Ausbilderin (links) erklärt Victoria Kietzmann, wo die Soldaten bei der Ausbildung stehen und wie sie sich dabei schlagen. (Foto: Stephan Pramme)

Das starke Interesse der Medien an ihr als Frau in einer Führungsposition fand sie seltsam und – ja, auch etwas irritierend. Für sie war es bisher ganz normal gewesen, die Karriereleiter nach oben zu steigen wie andere in der Bundeswehr auch. Besondere Gedanken darüber, dass sie damit „als Frau“ etwas Besonderes sein könnte, habe sie sich nie gemacht, sagt sie. Und Diskriminierung? Hat sie das nie erlebt? Nein, Kietzmann kann sich nicht erinnern, dass sie jemals als Frau anders behandelt worden wäre als ihre männlichen Kameraden. „Das war einfach gar kein Thema“, sagt sie. Und jetzt hier? Zweifelt jemand ihre Autorität an? Wird sie als Frau anders behandelt? Kietzmann schaut verdutzt, als wäre diese Frage total abwegig. „Nein, wir haben hier einen kameradschaftlichen, wertschätzenden Umgang miteinander – das Geschlecht spielt überhaupt keine Rolle“. Kietzmann muss es wissen: Sie hat schon viel Zeit hier in Parow verbracht: Bevor sie den General-/Admiralstabslehrgang in Hamburg besuchte, war sie schon mehrere Jahre als Inspektionschefin in Parow an der Marinetechnikschule und hat die Ausbildung dort mitgestaltet.

Auf zu neuen Ufern: Victoria Kietzmann tritt im Herbst eine neue Stelle am Bundesamt für Personalmanagement in Köln an. Für sie als „Kind der Ostsee“ ist der Umzug nach Köln eine Umstellung. Aber sie habe ja dieses Leben gewählt, sagt sie. (Foto: Pramme)

Den jungen Soldaten die Grundlagen der Seefahrt beizubringen, das ist ihr Ding. Wenn sie von ihrer Arbeit spricht, das Formen von Menschen, das Weitergeben von Werten, dann hellt sich ihr Gesicht auf. Und wirklich, es scheinen hier alle an einem Strang zu ziehen: In den Fluren der Marinetechnikschule grüßen sich die Soldaten freundlich mit „Moin“, die Atmosphäre wirkt entspannt – ein bisschen wie an einer Segelschule. Draußen biegt der Wind die gelb blühenden Wiesen zwischen den roten Backsteingebäuden. Im Hintergrund die dunkelblau wallende Ostsee. Fragen nach Diskriminierung, Geschlechterrollen und Emanzipation wirken hier wie aus einer anderen Welt. Irgendwie fehl am Platz.

Alles gut also in Sachen Gleichberechtigung von Mann und Frau in der Bundeswehr? So einfach ist es nicht. Rechnet man den Sanitätsdienst heraus, liegt der Frauenanteil bei den Soldaten bei nur 9,5 Prozent – und verharrt seit Jahren auf diesem Niveau. Es gibt bisher erst drei Frauen im Rang Oberst beziehungsweise Kapitän zur See in der Bundeswehr außerhalb der Sanität – obwohl Frauen bereits seit 23 Jahren in allen Bereichen der Bundeswehr dienen dürfen. Weibliche Generäle gibt es außerhalb der Sanität sowieso nicht, dafür sind Soldatinnen noch zu kurz (nämlich seit 2001) bei der Bundeswehr. Erst 2029 könnte es eine weibliche Generalin geben, so das Verteidigungsministerium auf Anfrage von loyal. Aber auch in der Sanität, wo Frauen schon seit den 1970er-Jahren dienen, sind Führungspositionen wie zum Beispiel Abteilungsleitungsposten nur sehr selten weiblich besetzt. Eine Anfrage von loyal, zeigt, wie sensibel das Thema für die Bundeswehr ist. Loyal wollte wissen, wie viele weibliche Einheitsführer, Kommandanten von Booten oder ganz generell Stabsoffizierinnen (also ab Dienstgrad „Major“) die Bundeswehr im Vergleich zu männlichen Soldaten hat. Doch das Verteidigungsministerium wollte darauf keine Antworten geben (obwohl es das im Jahr 2017 bei einer gleichlautenden Anfrage von loyal noch getan hatte). Die Begründung: Datenschutz- und Sicherheitsgründe.

Was aber klar ist: Frauen wie Victoria Kietzmann und Hekja Werner sind Vorreiterinnen, auch wenn sie sich selbst nicht so wahrnehmen. Hekja Werner ist die erste Kommandeurin im Heer, aber auch sie misst dieser Tatsache keine große Aufmerksamkeit zu. Sie beschäftigen andere Fragen, als loyal sie in Weiden in der Oberpfalz besucht. Werner muss eine neue Einheit aufbauen, nämlich das Panzerartilleriebataillon 375. Von Null auf 100 muss es gehen, innerhalb eines Jahres. Bisher waren es Soldaten gewohnt, dass Einheiten aufgelöst wurden, die Bundeswehr sollte ja nach der Wende schrumpfen. Mit dem Panzerartilleriebataillon 375 wird zum ersten Mal ein Artilleriebataillon wieder aufgestellt. Jetzt also alles neu in Weiden. Und Hekja Werner ist quasi die Frau des Wandels. Dass sie so viel gestalten kann, so viele Weichen neu stellen kann, das begeistert Werner richtiggehend. Wenn sie über den Aufbau ihres Bataillons spricht, blitzen ihre Augen, ihre Wangen werden rosig. 305 Soldaten habe sie mittlerweile unter ihrem Kommando, auch der Zulauf der Fahrzeuge – unter anderem der Panzerhaubitzen 2000 – laufe nach Zeitplan.

Oberstleutnant Hekja Marlen Werner führt seit letztem Jahr das Artilleriebataillon 375 in Weiden (Oberpfalz). Das Bataillon wird gerade neu aufgestellt – mit 18 Panzerhaubitzen und 550 Soldaten. Die 40-Jährige ist für den Aufbau zuständig. (Foto: Bundeswehr / Dorow)

Es ist der Redakteurin dieses Textes fast unangenehm, auf das eigentliche Thema umzuschwenken: Hat sie sich jemals als Frau unfair behandelt gefühlt? Wird sie als Frau anders behandelt als Männer in ihrer Position? Hekja Werners Begeisterung ist nun wie weggeblasen. Es wirkt, als müsste sie sich zusammennehmen, nicht genervt mit den Augen zu rollen. Man merkt, dass sie diese Fragen schon zu oft gehört hat. Nein, sie habe keine Diskriminierung in ihrer Karriere erlebt und habe auch nicht den Eindruck, dass ihr Geschlecht hier in ihrem Bataillon im täglichen Arbeiten eine Rolle spiele. Die einzigen, die dieses Thema immer wieder thematisierten, seien die Medien, sagt sie mit einem ironischen Blick zur loyal-Redakteurin. Und tatsächlich war das Medieninteresse im vergangenen Herbst, als Werner ihren Posten antrat, enorm. Fast keine Zeitung, kein Radiosender, die nicht darüber berichteten, dass es mit Werner nun die erste Kommandeurin im Heer gab. Oft kam dabei auch viel Stuss raus. So habe ihr eine Redakteurin in den Mund gelegt, dass sie schon als kleines Mädchen Panzer fahren wollte und deshalb zur Artillerie gegangen sei. Hekja Werner lacht. Erstens habe sie das nie gesagt und zweitens fahre sie bei der Artillerie nicht Panzer.

Die Wirklichkeit ist viel unspektakulärer: Werner wuchs in Osterode im Harz auf – damals Garnisonsstadt- und kam als aktive Judoka schon früh mit der Bundeswehr in Berührung. Ihr Verein war aktiv im Stadtleben engagiert, die Bundeswehr auch. Als klar war, dass sie Soldatin werden wollte, entschied sie sich für die Artillerie. Die kämpfende Truppe zu unterstützen, das habe sie gereizt, sagt Werner. Danach kletterte sie die Karriereleiter nach oben, absolvierte alle Laufbahnschritte so, wie es die Bundeswehr für ihre Offiziere vorsieht.

Immer noch ein Knackpunkt in der Karriere von Soldatinnen: die Vereinbarkeit von Dienst und Familie. Vor allem die häufigen Abwesenheiten von Daheim für Übungen, Lehrgänge oder Auslandseinsätze und die vielen Umzüge sind schwer mit der Erziehung von Kindern vereinbar. Vor allem dann, wenn es keinen Partner und keine Großeltern gibt, die unterstützen. (Foto: Bundeswehr / Bienert)

Doch Karriere als Offizier und Offizierin der Bundeswehr zu machen, bedeutet auch viel Unangenehmes: Zum Beispiel der Wechsel von einem Dienstposten zu einem anderen, spätestens alle drei Jahre. Oder die Umzüge, die ständige Abwesenheit von zu Hause wegen der Lehrgänge und Übungen. Oder die Auslandsaufenthalte. Es gibt eine starre Reihenfolge von aufeinanderfolgenden Schritten, will man in der Bundeswehr Karriere als Offizier oder Offizierin machen. Dafür braucht es absolute zeitliche und örtliche Flexibilität auf Seiten der Soldaten und Soldatinnen. Ist das mit Kindern vereinbar? In einer Welt, in der Krippen und Kindergärten oft um 8 Uhr aufmachen und um 16 Uhr wieder schließen? Wenn man überhaupt einen Krippen- oder Kindergartenplatz bekommt – was auch nicht selbstverständlich ist. In einer Welt, in der Ehen und Beziehungen oft zerbrechen und dann meist die Frauen alleine mit den Kindern dastehen? In 18 Prozent der Familien wachsen Kinder heute bei nur einem Elternteil auf – meist bei der Mutter. Und genau da liegt der Hund begraben, wenn man es so ausdrücken will. Denn viele junge, ambitionierte Frauen überlegen es sich gut, ob ihre Pläne in Sachen Privatleben mit einer Karriere als Offizierin bei der Bundeswehr zusammenpassen. Viele entscheiden sich nach ihrer Zeit als Zeitsoldatin deshalb gegen eine Karriere als Berufssoldatin. Oder gehen nicht zum Generalstabslehrgang – der die Voraussetzung für höhere Verwendungen als Offizier ist -, selbst wenn es ihnen angeboten wird.

Hekja Werner hat die vorgesehenen Karriereschritte mitgemacht – und ist schon oft umgezogen. Sie war drei Jahre in Washington als stellvertretende Heeresattachée an der Deutschen Botschaft in Washington D.C., dann für einige Monate Referentin im Verteidigungsministerium in Berlin, bevor sie für den Kommandeursposten nach Weiden umgezogen ist. Werner hat drei Kinder. Das alles funktioniere nur, weil sich ihr Mann und sie die Familien„arbeit“ gleichberechtigt teilen, sagt sie. Der Alltag bestehe aus vielen Absprachen und einem großen Organisationsaufwand. Über ihr Privatleben spricht sie allerdings nur äußerst ungern. Warum sollte dieses wichtig sein? Und: Würde man einem Mann in ihrer Position Fragen nach seiner Familienkonstellation stellen? Ihn fragen, wie er Privatleben und Dienst gemanagt bekommt?

In ihrem Dienstalltag spiele ihr Geschlecht keine Rolle, sagt Hekja Werner. Auch habe sie sich bei ihrer Karriere nie wegen ihres Geschlechts diskriminiert gefühlt. (Foto: Bundeswehr / Dorow)

Aus ihrer Sicht stecken hinter solchen Fragen alte Rollenmuster. Und diese nerven sie. Etwa die Vorstellung, es läge hauptsächlich in der Verantwortung der Frau, Kinder und Karriere unter einen Hut zu bringen, während es für Männer als selbstverständlich gilt, dass sie sich zuvorderst auf die Karriere konzentrieren und das mit der Familie schon irgendwie hinkriegen. Denn, das geben sowohl Kietzmann als auch Werner zu, es gibt noch Vorgesetzte, meist ältere Männer, die skeptisch werden, wenn eine Offizierin schwanger wird. Wird sie sich nun für die Karriere oder für das Kind entscheiden? Diese Gedanken kämen bei manchen Vorgesetzten dann oft auf, sagen beide Offizierinnen.

Kind versus Karriere – dieses Denkmuster hält sich offensichtlich noch bei vielen. Eine Offizierin im Dienstgrad Oberst, mit der loyal gesprochen hat, die aber anonym bleiben möchte, geht sogar noch weiter. Sie sagt, Themen wie „Vereinbarkeit von Beruf und Familie“, „Telearbeit“ oder „Teilzeit“ würden von vielen Vorgesetzten mittlerweile wieder als „Gedöns“ abgetan, das man sich angesichts einer wachsenden Bedrohung durch ein immer aggressiveres Russland nicht mehr leisten könne. Die Offizierin spricht sogar von einer „zunehmend misogynen Stimmung“, also einer frauenfeindlichen Atmosphäre, die in manchen Runden in der Bundeswehr herrsche.

Doch ist „Kriegstüchtigkeit“ und „Vereinbarkeit von Dienst und Privatem“ wirklich ein Gegensatz? Werner jedenfalls gibt sich als Kommandeurin große Mühe, beide Sphären zu vereinen. Sie führt mit ihren Soldaten, vor allem mit denjenigen, die neu nach Weiden ziehen, Gespräche und versucht zu helfen: Zieht die Familie mit um? Brauchen die Soldaten Betreuungsplätze für ihre Kinder? Ist für die Kinder gesorgt, wenn der Soldat oder die Soldatin auf Lehrgang muss?, fragt sie ihre Leute. Werner setzt sich dann bei Bedarf selbst dafür ein, dass Kinder von Soldaten einen Betreuungsplatz in einem Weidener Kindergarten oder einer Krippe bekommen. Sie ist inzwischen gut in Weiden vernetzt – die vielen (Abend-)Veranstaltungen mit Vertretern der Stadt und der Zivilgesellschaft in Weiden zahlen sich da aus. Nicht zuletzt hat sie ja auch für ihre Kinder Betreuungsmöglichkeiten suchen müssen, bevor sie mit ihrer Familie nach Weiden gezogen ist. Sie kennt sich also aus – aus eigener Erfahrung.

Sanitätssoldatin bei einer Übung in Litauen. Zu Zeiten der großen Auslandseinsätze der Bundeswehr war es noch so: Wer zwingende Gründe hatte, nicht mit in den Einsatz zu gehen, konnte zu Hause bleiben. Für Szenarien der Landes- und Bündnisverteidigung gilt das nicht. (Foto: Bundeswehr via Twitter / @SanDienstBw)

Doch was passiert, wenn ihre Einheit innerhalb kurzer Zeit für die Bündnisverteidigung an die Ostflanke gerufen wird? Was sollen dann Eltern von Kindern machen, die beide Soldaten in ihrem Bataillon sind? Was ist mit den Kindern von Alleinerziehenden ohne Opas und Omas, die sich kümmern können? Darauf weiß Werner auch keine Antworten. In Zeiten der Auslandseinsätze in Afghanistan und Mali war es noch so: Wenn es zwingende Gründe gab, nicht in den Einsatz zu gehen (etwa Kleinkinder, für die dann keine Betreuung sichergestellt werden kann), musste derjenige oder diejenige nicht mit. Für Szenarien der Landes- oder Bündnisverteidigung gibt es diese Ausnahmen nicht. Da muss jeder und jede ran. Wie das in der Realität aber konkret aussehen soll? Da hat die Bundeswehr noch keine Ahnung.

Dabei ist es nicht so, dass die Bundeswehr in Sachen „Frauenförderung“ und „Vereinbarkeit von Familie und Beruf“ nichts tun würde. Sie hat erst im vergangenen Herbst ein Maßnahmenpaket geschnürt, das zum Ziel hat, mehr Frauen in Führungspositionen und generell mehr Frauen in die Bundeswehr zu locken. Frauen sollen bei gleicher Befähigung bei der Besetzung von Dienstposten bevorzugt werden – in Bereichen, in denen sie bisher noch unterrepräsentiert sind. Also fast überall in der Bundeswehr. Auch soll es mehr Angebote in Sachen Haushaltshilfen oder Betreuung von Kindern geben. Nur: Diese Angebote gab es bisher auch schon, sie waren nur langwierig und bürokratisch in der Beantragung und galten überhaupt nur für wenige Stunden in der Woche. Eine zufriedenstellende Antwort auf die Frage: Was mache ich mit meinen Kindern, wenn ich als Alleinerziehende oder als Soldateneltern das NATO-Bündnis an der Ostflanke verteidigen muss, geben die neuen Maßnahmen sicherlich nicht.

Spontane Ansprache vor Jugendlichen: Hekja Werner erklärt den Teilnehmern der „Discovery Days“, was ein Artilleriebataillon ist und was ihr Verband macht. (Foto: Julia Egleder)

Dabei ist die Frage nach der Einsatzbereitschaft virulent – gerade im neuen Artilleriebataillon in Weiden. Denn dieses gehört zur „Division 2025“. Die soll bis zum Jahr 2025 „voll ausgestattet und kaltstartfähig“ sein. In Sachen Vollausstattung mit Personal und Gerät ist Werner im Plan – die Soldaten und Fahrzeuge werden aus anderen Einheiten „herausgefiltert“, wie es ein führender Offizier der Bundeswehr kürzlich beschönigend formulierte. Aber kaltstartfähig? Ob sie daheim überhaupt abdingbar sind, weiß bisher noch niemand. Werner und ihre Batteriechefs versuchen es gerade herauszufinden.

Auch Victoria Kietzmann ist gerade schon wieder auf dem Sprung. Für sie steht ihre nächste Verwendung schon fest. Im Herbst tritt sie eine Leitungsposition im Bundesamt für Personalmanagement der Bundeswehr in Köln an. Für sie als Kind der Ostsee, die das Meer und die besondere Küstenlandschaft ihrer Heimat liebt, ist das eine Umstellung, das gibt sie zu. Aber sie hat ja dieses Leben gewählt: Alle paar Jahre ein neuer Auftrag an einem anderen Standort. Für sie gehört das zu ihrem Beruf einfach dazu.

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