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Expertinnen für sicherheitspolitische Themen: Ulrike Franke, Claudia Major, Nicole Deitelhoff und Jana Puglierin (v.l.n.r.).

Quellen: ECFR; picture alliance/SZ Photo; Uwe Dettmar/PRIF; Jens Oellermann/ECFR

frauenloyalsicherheitspolitik

Bei sicherheitspolitischen Themen kommen verstärkt Expertinnen zu Wort. Sei es in Talkshows, in den Fernsehnachrichten oder bei Podiumsdiskussionen. Wer sind diese Frauen? loyal stellt vier von ihnen vor.


Ulrike Franke

Drohnenexpertin und Mitgründerin des Podcasts „Sicherheitshalber“.

Welche Drohne kann was? Welche Rolle spielen Drohnen im Ukraine-Krieg? Und was können isrealische Laserwaffen in Sachen Drohnenabwehr? Wann immer es um Drohnen in der heutigen Kriegsführung geht, wird mit ziemlicher Sicherheit sie gefragt: Ulrike Franke, Jahrgang 1987, Senior Policy Fellow der Denkfabrik „European Council on Foreign Relations“.

Franke beschäftigt sich schon seit mehr als zehn Jahren mit Drohnen und schrieb ihre Doktorarbeit damals darüber, wie die USA diese im „War on Terror“ nutzten. Heute wird sie von den Medien angefragt, wenn wieder eine mutmaßlich ukrainische Drohne in einem Moskauer Hochhaus einschlägt oder gibt auf X (vormals Twitter) ihre Einschätzung zu Israels zukünftigem Laser-Raketenabwehrsystem Iron Beam.

Franke spricht mehrere Sprachen, hat mehrere Jahre in London gelebt und geforscht und wohnt jetzt mit Mann und Sohn in Paris. Sie ist als Interviewpartnerin nicht nur bei deutschen Medien begehrt, auch ausländische Journalisten schätzen sie. Diesen müsse sie oft erklären, wie die Deutschen sicherheitspolitisch tickten oder was unter „Zeitenwende“ zu verstehen sei, sagt sie. In Interviews mit deutschen Medien dagegen fühle sie sich oft so, als müsse sie dazusagen, dass Drohnen etwas Schlechtes seien und sie deren Einsatz in Konflikten auf keine Weise gutheiße. Das müsse sie in britischen oder französischen Medien nicht. Da gelte das als selbstverständlich.

(Quelle: Screenshot)

Franke wirkt mit ihrer unverblümten Art erfrischend. Sie spricht direkt an, was Waffensysteme können und was nicht.  Und das wünscht sie sich auch für die deutsche sicherheitspolitische Debatte: eine weniger verschämte, von traditionellen ideologischen Weltbildern bestimmte Diskussion. Oft sind es aber nicht ihre Inhalte, zu denen sie Feedback von Mediennutzern bekommt. Ein Fernsehzuschauer, der sie in einem Einspieler im heute journal zum Thema „selbstgebastelte Drohnen in der heutigen Kriegsführung“ entdeckt hatte, schrieb ihr: „Hallo Ulrike. Hab dich gerade im heute journal gesehen. Du bist nicht nur unheimlich klug sondern auch absolut bezaubernd und hast eine umwerfende Ausstrahlung. Musste ich einfach mal loswerden. Liebe Grüße.“ Franke kommentierte die Zuschrift lakonisch auf Twitter unter dem Hashtag #TVisnotTinder: „Ich habe den angesprochenen Beitrag gefunden. Darin schaue ich blinzelnd in die Sonne und spreche einen vollständigen Satz. Manche Leute sind seltsam.“ Sie meint damit den Nutzer, der ihr wegen dieses 10- Sekunden-Auftritts in den Nachrichten eine „umwerfende Ausstrahlung“ attestiert hatte. Auch wegen ihres ironisch-lockeren Tonfalls, mit dem sie nicht nur die Sicherheitspolitik, sondern auch Alltagserfahrungen wie ihre Ärgernisse mit der Deutschen Bahn kommentiert, folgen ihr auf Twitter über 74.000 Nutzer.

Vor fünf Jahren startete Franke gemeinsam mit Carlo Masala, Thomas Wiegold und Frank Sauer den Podcast „Sicherheitshalber“, der bei den Hörern gut ankommt. Heute gibt es Merchandise-Artikel wie Hoodies oder Tassen mit „Sicherheitshalber“-Logo drauf. Das Sicherheitspod-Team füllt mit seinen Live-Veranstaltungen sogar Arenen. Dabei ist Ulrike Franke oft ein modischer Hingucker: Sie trägt gern knallfarbene Etuikleider und ihre langen, blonden Haare offen auf eine Seite gelegt. Weiblichkeit und Sicherheitspolitik – bei ihr geht das ganz selbstverständlich zusammen. Dabei ist das nicht selbstverständlich. Jahrzehntelang trugen Frauen in Politik und Wissenschaft (falls sie dort überhaupt vorkamen) körpernegierende Hosenanzüge – vor allem auch aus der Befürchtung heraus, sonst in dieser „Männerwelt“ als nicht kompetent wahrgenommen zu werden.

Auch kein Tabu bei Franke: Mutterschaft zeigen. Bei den Aufnahmen von „Sicherheitshalber“ krähte schon mal ihr neugeborener Sohn in die Debatte. Und auf Instagram postet sie Storys, auf denen sie beim Yoga mit ihrem zweijährigen Sohn zu sehen ist („Doing Yoga with a toddler“). Unverkrampft sein und gleichzeitig kompetent – das hat Ulrike Franke auf jeden Fall drauf.

Dr. Ulrike Franke
– Senior Policy Fellow der Denkfabrik „European Council on Foreign Relations“ in Paris.
– Arbeitet zu Fragen der deutschen und europäischen Sicherheitspolitik, insbesondere zu neuen Technologien, KI, autonomen Waffensystemen und Drohnen.
– Mitglied im „Sicherheitshalber“-Podcast-Team.


Claudia Major

Wohl bekannteste Sicherheitsexpertin. Leiterin der Forschungsabteilung Sicherheitspolitik der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP).

Sie sei keine „Boss“, sagte Claudia Major vor Kurzem im Stern-Podcast „die Boss“. Vielmehr verstehe sie sich als „Erklärbär“. Im Podcast unterhält sich Major mit Simone Menne, Ex-Finanzvorständin der Lufthansa, die den Podcast moderiert und darin Frauen zu Wort kommen lässt, die in ihrem Bereich die Hosen anhaben. Doch als Bestimmerin, als Anführerin, sieht sich Major nicht. Sie wolle erklären und dabei helfen, Orientierung zu bieten in Zeiten, in denen sich das Koordinatensystem unserer westlichen Welt grundlegend neu ausrichtet, sagt sie im Podcast.

Sich selbst zu sehr in den Mittelpunkt stellen, das ist ihre Sache nicht. Und trotzdem: Major hat mit ihren Einschätzungen Einfluss. Sie leitet die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik an Deutschlands bekanntestem und einflussreichstem Thinktank, der Stiftung Wissenschaft und Politik. In dieser Position berät sie Mitglieder der Bundesregierung und Bundestagsabgeordnete, ist auch auf der NATO- und EU-Ebene präsent. Und: Sei es bei Maybrit Illner, der Tagesschau oder im Morgenmagazin – sie ist auch in reichweitenstarken Medien zu sehen. Sachlich, zurückgenommen und doch engagiert tritt sie auf und bezieht klar Position. Beispiel Ukraine-Krieg: Dieser werde erst aufhören, wenn Putin begreife, dass es sich nicht lohne weiterzumachen. Dazu müsse die Ukraine langfristig mit allem unterstützt werden, was sie zu ihrer Verteidigung brauche. Ob Taurus-Marschflugkörper, Panzer oder Flugabwehrsysteme – Deutschland solle der Ukraine liefern, was es brauche, das ist ihre Position.

(Quelle: Screenshot)

Schon ihre Kindheit stellte die Weichen für ihr Interesse an Osteuropa. Major wurde 1976 in Ostberlin geboren, sie verbrachte ihre Kindheit und frühe Jugend in der DDR, lernte in der Schule russisch. Als sie 13 Jahre alt war, fiel die Mauer. Major kann sich noch gut an die damit verbundene Freiheit erinnern, die sie damals fühlte. Fragen der Freiheit und der Selbstbestimmung und wie diese gewährleistet werden können, das sind die Fragen, die sie seither antreiben, sagt Major in einem Interview für die taz. Nach der Wende ist sie oft in Osteuropa und im Kaukasus unterwegs, auch in der Ukraine, war Wahlbeobachterin in Georgien. Sie fühlt sich deshalb auch persönlich betroffen, als sie im Februar vergangenen Jahres eine Freundin aus Kyjiv anruft und ihr sagt, dass die russische Armee in ihr Land eingefallen sei und dabei sei, auf Kyjiv zu marschieren: „Beide weinten wir in dem Moment“, sagt Major im taz-Interview.

Seit Februar 2022 ist Major eine noch gefragtere Gesprächspartnerin als davor. Sie steht im Rampenlicht. Und weil sie für ihre klare Haltung zur Unterstützung der Ukraine regelmäßig von Mediennutzern angegriffen wird, hat sie ganz oben auf ihrem Twitter-Profil einen langen Text angeheftet: „Waffenlieferungen und Verhandlungen schließen sich nicht aus, sie ergänzen sich“, schreibt sie da. Und weiter: „Waffenlieferungen können der Ukraine erlauben, die militärische Lage zu verändern und so Verhandlungen ermöglichen.“ Und zum Schluss ihres Threads auf Twitter: „Besonnenheit ist richtig. Sie darf aber nicht in Selbstabschreckung kippen, also dass wir aus Furcht unser Handeln einschränken und möglicherweise schlimmere Folgen in Kauf nehmen“. Fast eine Million Menschen haben diesen Text gelesen, viele posten ihre Zustimmung darunter, etwa eine Nutzerin namens Lisa: „Liebe Frau Major, ohne Ihre exzellenten Analysen wäre ich verloren. Wie immer auf den Punkt gebracht. Sie gehören zu unseren besten Expert:Innen. Dankeschön für Ihren Content!“. Andere werfen ihr Kriegspropaganda vor, oder wie der Nutzer „Ralphie“, dass die Ukraine seit 2014 selbst Krieg gegen die ethnischen Russen im Donbass oder Luhansk führe. Doch Lisa mit ihrer positiven Rückmeldung bekommt 145 Likes, während Ralphies Kommentar nur sieben Likes bekommt. Auch auf Twitter: Die allergrößte Mehrheit schätzt Majors Einordnungen und Analysen.

Dr. Claudia Major
– Major leitet die Forschungsgruppe Sicherheitspolitik der Berliner Stiftung Wissenschaft und Politik.
– Seit 2010 ist sie Mitglied im Beirat „Zivile Krisenprävention und Friedensförderung“ der Bundesregierung.


Nicole Deitelhoff

Expertin für gesellschaftlichen Zusammenhalt, Leiterin des Leibniz-Instituts für Friedens- und Konfliktforschung in Frankfurt.

Schafe auf Bergweiden. Dieses Motiv beruhigt Nicole Deitelhoff, wenn sie sich besonders ärgert. Und im Moment ist sie ziemlich oft frustriert. Weil die Debatte über den Krieg in der Ukraine so verhärtet ist und seit Monaten feststeckt. Auf der einen Seite diejenigen, die Verhandlungen jetzt fordern und alle anderen als Kriegstreiber beschimpfen. Auf der anderen Seite diejenigen, die die anderen als Naivlinge oder gar als Putins fünfte Kolonne beleidigen.

Das Schwarz-Weiß-Malen in dieser Debatte frustriert Nicole Deitelhoff. Weil sie immer und immer wieder die Grautöne erklären muss. Nämlich dass es die Ukraine war, die angegriffen worden ist. Dass Putin nach einem Kosten-Nutzen-Kalkül vorgeht und dabei schwerste Kriegsverbrechen in Kauf nimmt. Dass es nur zu einem stabilen Frieden kommen kann, wenn beide Seiten das wollen. Gefühlt Hunderte Mal hat sie das schon gesagt. Wenn die Gemüter wieder hochkochen, dann schaut sie deshalb zu den Schafen. Diese hängen auf einem Bild neben ihrem Schreibtisch.  Deren gleichmütiger Blick auf die vernebelten Berggipfel ringsum, der beruhigt sie. Und eigentlich mag sie Miesepetrigkeit nicht. Denn Nicole Deitelhoff ist eine sehr zupackende, energiegeladene und positiv wirkende Frau.

Auch wenn die deutsche Gesellschaft gerade nicht Grund zu viel Hoffnung bietet. In unserer derzeitigen Bevölkerung erkennt Deitelhoff eine zunehmende aggressive Unruhe, eine Unfähigkeit, den anderen zuhören zu können. Für sie ist das die Konsequenz aus drei Krisenjahrzehnten. „Bankenkrise, Coronakrise, Ukraine-Krieg, jetzt die Eskalation in Israel – die Krisen der vergangenen Jahre haben eine unmittelbare Existenzangst und ein Gefühl der Ohnmacht in vielen Menschen hinterlassen“, sagt sie.

(Quelle: Screenshot)

Nicole Deitelhoff wäre nicht Nicole Deitelhoff, wenn sie nicht einen Ausweg wüsste. „Wir brauchen eine klare Analyse der Probleme, ein ehrliches Aussprechen der Herausforderungen und dann ein Aufzeigen der Lösungsoptionen, die es auch jetzt gibt“, sagt sie. Beispiel Ukraine-Krieg: Klar sei die Unterstützung der Ukraine mit großen Kosten verbunden, auch eine neue Weltordnung, die sich abzeichne, werde uns viel abverlangen. Aber: „Hilflos ausgeliefert sind wir nicht, wir können den Wandel mitgestalten.“ Wer Deitelhoff zuhört, möchte gleich mit dem Mitgestalten anfangen, so mitreißend spricht sie. In den Medien kommt sie aber nur selten dazu, ihre Mut spendenden Lösungswege aufzuzeigen. Meist ist sie als Kommentatorin der aktuellen sicherheitspolitischen Nachrichtenlage gefragt.

Deitelhoff ist eine Überfliegerin. Ihren Master in Politikwissenschaften machte sie in den USA – in einem, statt wie vorgesehen in zwei Jahren. Mit 33 Jahren wurde sie Professorin, und das, obwohl sie sich zwischenzeitlich drei Jahre aus dem Universitätsbetrieb verabschiedet und für einen Bundestagsabgeordneten gearbeitet hatte. Aber sie merkte schnell, dass das „Politik-Verkaufen“ nichts für sie war. Sie wollte sich lieber unvoreingenommen mit den großen Fragen unserer Zeit beschäftigen. Etwa warum Menschen und Gesellschaften in Hass entbrennen. Nach drei Jahren als Mitarbeiterin des Abgeordenten nahm sie sich  Urlaub, schrieb ein Exposé für ihre Doktorarbeit, bekam ein Stipendium und startete ihre Wissenschaftskarriere.

Ausschlaggebend für ihr wissenschaftliches Interesse waren die Ereignisse in den 1990er-Jahren, die Deitelhoff in ihrer Jugend geprägt haben: Die rechtsextremistischen Brandanschläge in Mölln, die Hatz auf Ausländer in Rostock-Lichtenhagen, aber auch die Zerfallskriege im ehemaligen Jugoslawien. Ihre wesentliche Erkenntnis aus fast 20 Jahren Forschung: Gesellschaften, die Konflikte innerhalb ihrer Staatsgrenzen friedlich und einvernehmlich lösen können, sind auch konfliktfähiger nach außen.

Und es gibt auch Lichtblicke: Sie habe den Eindruck, dass die Stimme der Wissenschaft im Politikbetrieb gefragter sei als früher, sagt sie. Als Sprecherin des Forschungsinstituts Gesellschaftlicher Zusammenhalt sitzt sie regelmäßig in Kabinettsrunden und kann dort ihre Expertise weitergeben. Auch deshalb wird sie weiterhin nach ihrem Motto „Keep cool und carry on“ weitermachen, zumal sie vor Kurzem eine LOEWE-Spitzenprofessur erhalten hat, die mit einer Forschungsförderung von 1,8 Millionen Euro verbunden ist. Und wenn sie sich doch mal wieder ärgern muss, hat sie ja immer noch die Schafe auf den Bergweiden.

Prof. Dr. Nicole Deitelhoff
– Seit 2023: LOEWE-Spitzen-Professur des Landes Hessen
– Seit 2016: Geschäftsführendes Vorstandsmitglied des Leibniz-Instituts für Friedens-und Konfliktforschung in Frankfurt (bis 2023 HSFK genannt)
– Seit 2009: Professorin für Internationale Beziehungen und Theorien globaler Ordnungen an der Goethe-Universität Frankfurt am Main


Jana Puglierin

Leiterin des Berliner Büros der Denkfabrik „European Council on Foreign Relations“ (ECFR).

Es ist auch die eigene Familiengeschichte, die Jana Puglierin dazu brachte, sich für ein geeintes Europa und eine starke europäische Sicherheitspolitik einzusetzen. Als ihr Großvater, ein Wehrmachtssoldat, während des Zweiten Weltkriegs in Polen in Kriegsgefangenschaft geriet, steckte ihm ihre polnische Großmutter Essen zu. Im Jahr 1946, in der aufgeheizten Stimmung der Nachkriegsjahre, heirateten die beiden trotz des Hasses vieler Polen auf die Deutschen, die sie überfallen hatten. Das Thema „Aussöhnung“, es findet sich beispielhaft in Jana Puglierins Familiengeschichte.

(Quelle: Screenshot)

Wie können Grenzen zwischen Menschen und Nationen überwunden werden? Diese Frage treibt Puglierin nicht zuletzt wegen den Erlebnissen ihrer eigenen Großeltern an. „Deshalb passe ich auch gut zum ECFR. Die europäischen Nationen mit einer Stimme sprechen zu lassen, das ist die Vision unserer Denkfabrik“, sagt sie. Ob das gelingt? Naja. Puglierin hat selbst schon frustrierende Erfahrungen gemacht. Im September 2022 schrieb sie mit zwei Wissenschaftlerkollegen ein Positionspapier, das unter anderem auch in der Wochenzeitung Die Zeit veröffentlicht wurde. Unter der Überschrift „Der Leopard 2 wäre jetzt genau richtig“ argumentierten die drei, dass jetzt eine Leopard-Kooperation für die Ukraine unter deutscher Führung notwendig sei. Die Idee: Die 13 europäischen Leopard-2-Nutzerstaaten sollten sich zusammentun und 90 ihrer knapp 2.000 Leopard-2 an die Ukraine spenden. Die Europäische Friedensfaszilität könne dann die Kosten rückerstatten und damit den Kauf von moderneren Leopard-2-Panzer finanzieren. Spitzenpolitiker wie Anton Hofreiter und Agnes-Strack-Zimmermann griffen den Vorschlag auf. Doch aus der europäischen Zusammenarbeit wurde nichts. Die einzelnen Staaten empfanden den Vorschlag der drei Wissenschaftler als übergriffig, warfen ihnen vor, sie wollten über ihre Panzer verfügen. Am Ende lieferten einige zwar doch Leopard-2-Panzer: doch sehr wenige, und erst nach quälend langen Abstimmungen. Eine echte Initiative unter deutscher Führung: Pustekuchen.

Puglierin wirkt eigentlich wie eine ruhige, ausgeglichene Person, doch sie wird leidenschaftlich, wenn es um die Themen „Zeitenwende“ und „europäische Zusammenarbeit“ geht. Sie frage sich schon, warum weder aus Kanzlerin Angela Merkels damaligem Ziel, mehr Verantwortung in der Welt zu übernehmen, noch aus Kanzler Olaf Scholz, „Zeitenwende“-Rede ein substanzieller Politikwechsel folgte. Worüber sie sich auch ärgert, ist die Art und Weise, wie Nutzer auf den Sozialen Netzwerken mit Expertinnen umgehen. Sie kritisiert, dass eine Kollegin als „kriegsgeile Nudde“, beschimpft worden sei und Twitter nichts unternommen habe.

Ein Lichtblick ist für sie der Ausgang der jüngsten Wahlen in Polen, in denen das pro-europäische Lager eine Mehrheit gewonnen hat. Auf Twitter schreibt sie: „Es wäre die Chance für einen Neuanfang auch in den deutsch-polnischen Beziehungen. Das wäre so wichtig. Und ich würde mir erhoffen, dass Deutschland diese Chance so konstruktiv wie möglich ergreift.“ Auch wegen ihrer eigenen Familiengeschichte.

Dr. Jana Puglierin
– Seit 2020: Leiterin des Berliner Büros der Denkfabrik „European Council on Foreign Relations“ (ECFR).
– Leiterin des Projekts „Re:shape Global Europe“.
– 2015–2019: Leiterin des „Alfred von Oppenheim Zentrums für Europäische Zukunftsfragen“.

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