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Erster Kampfeinsatz

Die Fregatte Hessen soll Handelsschiffe im Roten Meer vor Angriffen der Huthi-Rebellen aus dem Jemen schützen. Es ist die bislang gefährlichste Mission in der Geschichte der Deutschen Marine.

Die Fregatte Hessen beim Auslaufen zur Mission "Aspides" Anfang Februar.

Foto: picture alliance/dpa

Jemenloyalrotes meer

Es sind die Morgenstunden des 8. Februar, als die Fregatte Hessen (F 221) ihren Heimathafen Wilhelmhaven verlässt. An Bord des Schiffs der Sachsen-Klasse sind rund 240 Soldaten, die vom Marinestützpunkt am Jadebusen zu einem der „ernsthaftesten Einsätze einer deutschen Marineeinheit seit Jahrzehnten“ aufbrechen, so der Marineinspekteur Vizeadmiral Jan Christian Kaack. Das Ziel ist das Rote Meer, wo die Hessen zusammen mit zwei weiteren Kriegsschiffen anderer Nationen den Kern der neu geschaffenen EU-Marinemission „Aspides“ bilden soll. Diese soll Handelsschiffe gegen Angriffe der jemenitischen Huthi-Rebellen verteidigen.

Bemerkenswert war, mit welcher für die Bundeswehr untypischen Geschwindigkeit die Fregatte in Marsch gesetzt wurde. Zum Zeitpunkt des Auslaufens war die Mission noch nicht endgültig beschlossen. Die inzwischen erfolgte Genehmigung durch den Bundestag stand noch aus. Mit der Vorausfahrt der Hessen wurde eine rasche Verfügbarkeit der Fregatte im Einsatzgebiet gesichert. Dort wird das Marineschiff zunächst bis Ende April operieren.

Verantwortlich für die Eile war die Eskalation im Roten Meer. In Folge des Angriffs der Hamas-Miliz auf Israel am 7. Oktober und des darauffolgenden Einmarsches der israelischen Armee in das Palästinensergebiet hatten Beobachter immer wieder vor einer Eskalation zu einem regionalen Krieg gewarnt. Allerdings hatten die meisten dabei wohl eher an den Eintritt der libanesischen Hisbollah in den Krieg gegen Israel als an eine Eskalation im Süden der arabischen Halbinsel gedacht. Und so reagierte die Welt überrascht, als ein Sprecher der Huthi am 31. Oktober Israel den Krieg erklärte.

„Achse des Widerstandes“

Dabei gehören die Huthis, die sich selbst als Ansar Allah (wörtlich: Helfer Gottes) bezeichnen, bereits seit geraumer Zeit zu den militärisch aktivsten Gruppen innerhalb der von Teheran angeführten „Achse des Widerstandes“. Die schiitische Miliz übernahm im September 2014 die Macht in weiten Landesteilen des Jemens. Auch einer von Saudi-Arabien und den Vereinigten Arabischen Emiraten angeführten Militärkoalition war es seit März 2015 trotz massiver militärischer Überlegenheit nicht gelungen, die Rebellen zu schlagen.

Huthi-Unterstützer versammeln sich zu einer Solidaritätsbekundung nach Luftschlägen der USA und Großbritanniens gegen Huthi-Stellungen im Januar dieses Jahres. (Foto: picture alliance / Anadolu)

Bereits vor dem Angriff auf Israel, bei dem unter anderem ballistische Raketen zum Einsatz kamen, zeichneten sich die Huthis durch eine beeindruckende Innovationsfähigkeit aus. Zwischen 2017 und 2022 griffen sie immer wieder Ölförderanlagen, Häfen und Flughäfen in Saudi-Arabien (siehe Blickpunkt loyal 01/24) und den Vereinigten Arabischen Emiraten an. Dabei kamen auch Marschflugkörper und sogenannte Kamikazedrohnen zum Einsatz. In früheren Jahren wurden diese noch überwiegend in Einzelteilen mit traditionellen Handelsschiffen, sogenannten Dhows, über den Golf von Oman ins Land geschmuggelt und dann vor Ort im Baukastenprinzip zusammengesetzt.

Technologietransfer aus dem Iran

Inzwischen wächst der Eigenanteil an der Produktion dank des Technologietransfers aus dem Iran seit Jahren kontinuierlich. Dabei werden auch Bauteile aus deutscher Produktion, so genannte Dual-use-Güter wie Motoren und Messgeräte, verwendet, die auf verschlungenen Wegen zu den Huthis gelangen. Einzelne Waffensysteme, etwa der Marschflugkörper des Typs „Quds“ oder auch die Langstreckendrohne „Sammad“, haben Reichweiten von 1.500 bis 2.000 Kilometer.  Zwar können die meisten dieser Waffensysteme von modernen Flugabwehrsystemen abgefangen werden, allerdings stehen dabei die Kosten – etwa für den Einsatz einer Patriot-Rakete – in keinem Verhältnis zu den billig produzierten Waffen der Huthis.

Eine brennende Raffinerie des saudischen Öl-Konzerns Aramco bei Dschidda. Die Huthis griffen die Anlage mit Raketen und Drohnen im Frühjahr 2022 an. (Foto: picture alliance / Hasan Bratic)

Anfang 2022 kam es zu einem Waffenstillstandsabkommen im Jemen. Unter chinesischer Vermittlung näherten sich sogar die Gegner in Saudi-Arabien und dem Iran an.  Die Europäer, aber auch die Vereinigten Staaten setzten im Jemen auf einen Verhandlungsfrieden mit dem Ziel einer Regierung der nationalen Einheit unter Einbeziehung der Huthis. Dabei wurde geflissentlich übersehen, dass die Huthis in den von ihnen beherrschten Teilen des Landes längst ein autoritäres islamistisches Regime etabliert haben, das Regimegegner, Frauen und religiöse Minderheiten erbarmungslos verfolgt.

Drohnen-Produktion im Tunnel

Auch der Huthi-Slogan „Tod den USA! Tod Israel! Verdammt seien die Juden“ ist durchaus ernst gemeint. Die Ablehnung des Staates Israels wird im Jemen, wie auch sonst in weiten Teilen der arabischen Welt, von Gegnern der Huthis geteilt. So haben die letztlich erfolglosen Angriffe auf Israel, aber vor allem die anhaltende Bedrohung für den Schiffsverkehr im Roten Meer, darunter die spektakuläre Kaperung des Autotransporters Galaxy Leader im vergangenen November, die Popularität der Huthis im eigenen Land deutlich gestärkt. Zwar gehen die Vereinigten Staaten und Großbritannien seit Januar im Rahmen der Marineoperation „Prosperity Guardian“ auch mit Luftangriffen gegen Huthi-Stellungen im Jemen vor, konnten aber bislang deren militärische Fähigkeiten nicht so weit abnutzen, dass weitere Angriffe verhindert würden. Vor dem Hintergrund der saudischen Luftüberlegenheit haben die Huthis bereits vor Jahren gelernt, Produktionsstätten in Tunnelsysteme zu verlegen und Drohnen und Marschflugkörper erst kurz vor dem Start aus geschützten Stellungen ins offene Gelände zu verlegen.

Der Öltanker Marlin Luanda hat nach einer Raketenattacke der Huthis beim Golf von Aden Feuer gefangen. (Foto: picture alliance / Newscom)

Nun soll die Fregatte Hessen mit ihrem leistungsstarken Radar und weitreichenden Lenkwaffen einen Beitrag zum Schutz der Handelsschifffahrt leisten. Angriffe auf Ziele im Jemen sind jedoch ausgeschlossen; die EU-Mission hat ein rein defensives Mandat. Allerdings ist allen Beteiligten klar, dass dies von den Huthis wahrscheinlich anders gesehen wird, so dass auch mit Angriffen auf das deutsche Marineschiff zu rechnen ist. Mit „Aspides“ steht die deutsche Marine de facto in ihrem ersten Kampfeinsatz seit dem Zweiten Weltkrieg. Die Begeisterung in manchen Medien über die plötzliche Entschlossenheit der Bundesregierung sollte nicht darüber hinwegtäuschen, dass eine wirkliche Strategie zum Umgang mit den Huthis fehlt. Mit jedem amerikanischen Luftangriff wächst ihre Unterstützung im Jemen, aber auch in weiten Teilen der arabischen Öffentlichkeit. Und so befindet sich die internationale Gemeinschaft auch im Roten Meer erneut in einer Zwickmühle, aus der es zumindest keinen militärischen Ausweg gibt.

Der Autor

Wolf-Christian Paes arbeitet als Senior Fellow beim Institute for International Security Studies (IISS) und dient als Reserveoffizier beim Zentrum für Verifikationsaufgaben der Bundeswehr. Von 2018 bis 2023 gehörte er dem „Panel of Experts“ der Vereinten Nationen für den Jemen an und überwachte das Waffenembargo gegen die Huthis.

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