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Hintergrund: Krieg in der Ukraine

Russland hat 2014 die Halbinsel Krim annektiert. In den Bezirken Donezk und Luhansk haben sich prorussische Separatisten von der Ukraine losgesagt. Russland behauptet, in dem Konflikt neutral zu sein. Tatsächlich unterstützt Moskau die Freischärler massiv.

In der Ukraine herrscht seit sieben Jahren Krieg. Die Front zu den Separatistengebieten ist ein Streifen des Todes und der Zerstörung. In den vergangenen zwölf Monaten gab es mehr als 2.400 Gefechte.

Foto: Stephan Pramme

loyalrusslandUkraine

Am 18. März 2014 hat Russland die ukrainische Halbinsel Krim mit mehr als zwei Millionen Einwohnern annektiert. „Mit dieser Annexion hat Russland Grundprinzipien des Völkerrechts verletzt und die europäische Nachkriegsordnung infrage gestellt“, stellte der deutsche Regierungssprecher Steffen Seibert in diesem Frühjahr aus Anlass des siebten Jahrestages der Annexion fest.

Dem von Russland beschönigend „Wiedereingliederung“ genannten Völkerrechtsbruch ging ein Referendum am 16. März 2014 voraus. Diese von separatistischen Kräften initiierte Stimmabgabe widersprach sowohl der ukrainischen Verfassung als auch dem Völkerrecht. Nach Erkenntnissen ukrainischer Geheimdienste sind aktuell 40.000 russische Soldaten und 1.000 Panzer auf der Krim stationiert. Die Truppen werden als offensiv eingeschätzt. So gebe es auch Kampfhubschrauber und Landungsboote, sagt die ukrainische Seite. Die Menschenrechtslage hat sich seit der russischen Annexion verschlechtert. Insbesondere die Krimtataren leiden unter der russischen Besatzung. Etwa 30.000 von ihnen haben seit 2014 die Krim verlassen.

Tägliche Gefechte in einem vergessenen Krieg

Anfang September nahm der russische Inlandsgeheimdienst drei Krimtataren fest, die einen Anschlag auf eine Gasleitung verübt haben sollen. In der Ukraine sieht man diese Maßnahmen ebenso wie zunehmende Gefechte an der „Kontaktlinie“ genannten Front zu den abtrünnigen Bezirken Donezk und Luhansk im Südosten des Landes als Reaktion Moskaus auf die „Krim-Plattform“ an, die vom ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi ins Leben gerufen wurde, um das Krim-Thema wieder auf die internationale Tagesordnung zu setzen. 46 Vertreter der internationalen Gemeinschaft waren dazu Ende August nach Kyjiw gekommen. Organisator war der Ständige Vertreter Selenskyis in der Krim, Anton Korynewitsch.

„Krim ist ein Ort, an dem jeder in Angst leben muss“

Im Gespräch mit loyal sagte Korynewytsch: „Die Krim ist eine graue Zone, in der Gesetze nicht gelten. Menschen können dort ohne Grund verhaftet und ins Gefängnis gesteckt werden, manchmal für Jahre. Zum Beispiel weil sie in zivilgesellschaftlichen oder religiösen Organisationen tätig sind. Manche dieser Organisationen werden als extremistisch eingestuft, wie etwa die Zeugen Jehovas. Die Krim ist ein Ort, an dem jeder in Angst leben muss, dass der FSB morgens um 5 Uhr ins Haus eindringt und einen mitnimmt.“

Korynewytsch ist von russischer Seite zur Persona non grata erklärt worden, darf das besetzte Gebiet nicht betreten. Im Gegensatz zur Front in der Ostukraine, gibt es an der Grenze zur Krim – sie wird von ukrainischer Seite lediglich „Verwaltungsgrenze“ genannt – keine Kämpfe. Über mehrere reguläre Checkpoints können Menschen relativ unkompliziert die Grenze in beide Richtungen passieren. Zwischen 1000 und 2000 Grenzübertritte verzeichnet Korynewytschs Behörde täglich.

Anton Korynewitschist der Krim-Beauftragte des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyi. Der Völkerrechtler sagt: „Die Krim ist eine graue Zone, in der Gesetze nicht gelten. Menschen können dort ohne Grund verhaftet und ins Gefängnis gesteckt werden.“ (Foto: Stephan Pramme)

Auf die Frage, wann er mit einer Wiedervereinigung rechnet, sagte der Krim-Beauftragte: „Ich bin der festen Überzeugung, dass der Tag kommen wird. Das Beispiel der baltischen Staaten und übrigens auch Ostdeutschlands zeigt, dass jegliche Besetzung irgendwann endet. Was die Krim angeht, wird es vermutlich nicht morgen oder übermorgen sein, aber eines Tages ist es soweit.“

Russland unterstützt die Freischärler

Die völkerrechtliche und militärische Situation könnte zwischen der Krim und den Separatistengebieten in der Ost-Ukraine nicht unterschiedlicher sein. So völkerrechtswidrig die Einverleibung der Krim durch Russland auch ist, so klar ist immerhin ihr juristischer Status – sie ist von einer Besatzungsmacht annektiert. Daher kommt es an der dortigen Grenze auch zu keinen Zwischenfällen. Anders an der „Kontaktlinie“ zum Donbass, die von der OSZE überwacht wird. Die Separatisten haben unabhängige „Volksrepubliken“ ausgerufen, mit denen Moskau offiziell nichts zu tun haben will. Russland unterstützt die Freischärler aber massiv mit Waffen, Personal und Geld.

Die Lage dort ist aus dem europäischen Bewusstsein verschwunden, dabei ist es nach wie vor ein heißer Krieg. Doch immer wieder geriet die Region in den Blickpunkt der Weltöffentlichkeit – so etwa beim Abschuss des Malaysia-Airlines-Flugs MH17 im Juli 2017, die von einer russischen Buk-Rakete aus den Separatistengebieten getroffen wurde. Alle 298 Insassen, darunter 80 Kinder, starben.

Nach Erkenntnissen des ukrainischen Militärs gibt es im Donbass mehr als 35.000 Kämpfer, die von 2.100 russischen Militärberatern unterstützt werden. An Material stehen den Freischärlern 481 Panzer, 914 Radpanzer, 708 Artilleriegeschütze und 202 Raketenwerfer zur Verfügung. Weiteres Militärgerät hält Russland im Hinterland bereit. 2015 wurde mit dem Abkommen von Minsk der erfolglose Versuch unternommen, den Konflikt zu entschärfen.

„Ein Land des Terrors“

Der stellvertretende ukrainische Außenminister Vasyl Bodnar sagte loyal: „In den Separatistengebieten herrscht immer mehr Chaos. Die Separatisten wollen aus den dort lebenden Ukrainern Russen machen und zwingen sie, russische Pässe anzunehmen. Es ist ein Land des Terrors“. Bodnar wirft der russischen Seite vor, aktiv Krieg zu führen, dies aber nicht zuzugeben. „Dass sie selbst nur ‚Vermittler’ seien und die lokalen Behörden die eigentliche Macht im Donbass hätten, ist eine Farce“, so der stellvertretende Außenminister.

Ebenso wie der Krim-Beauftragte Korynewytsch ist Bodnar überzeugt, dass beide Territorien wieder in die Ukraine eingegliedert werden können. „Wir arbeiten mit politischem und diplomatischem Druck und nutzen dazu alle legalen Möglichkeiten – von UN-Resolutionen bis zu Sanktionen gegen Russland.“Offiziell unterhalten die Ukraine und Russland zwar trotz des Krieges immer noch Botschaften in den jeweiligen Hauptstädten Moskau und Kyjiw – aber keine Botschafter. Lediglich konsularische und technisch-administrative Anforderungen werden durch nachrangiges Personal abgewickelt.

Zwei aktuelle Bücher zur Geschichte der Ukraine gehen auch auf die Entwicklungen von 2014 und danach ein: Andreas Kappeler, Kleine Geschichte der Ukraine (C.H. Beck, 421 Seiten, 17,95 Euro) und Kerstin S. Jobst, Geschichte der Ukraine (Reclam, 276 Seiten, 7,60 Euro).
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