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Hyperschallwaffen: US-Militär holt auf

Die Bundesregierung hat ein Angebot der USA angenommen, ab 2026 moderne Präzisionslenkwaffen in Deutschland zu stationieren: zunächst Tomahawk-Marschflugkörper und die Standardmissile 6. Später auch US-Hyperschall­raketen, die zurzeit entwickelt werden. Bei deren Entwicklung haben Russland und China einen Vorsprung vor den USA, doch Washington schließt auf.

Die Grafik soll den X-51A Waverider während eines Hyperschallfluges zeigen.

Quelle: picture alliance/USAF/Cover Images/Adobe KI

hyperschallwaffenloyalrüstung

Als Hyperschallwaffen werden Flugkörper bezeichnet, die schneller als die fünffache Schallgeschwindigkeit (Mach 5) fliegen und dabei manövrierfähig bleiben. Sie können von verschiedenen Plattformen aus gestartet werden (Flugzeuge, Schiffe, U-Boote, Landfahrzeuge). Waffen, die von verstreut fahrenden Schiffen und von Langstreckenflugzeugen aus abgefeuert werden, können hypothetisch innerhalb von Minuten fast jeden Ort der Welt treffen.

Die Hauptvertreter dieser Waffenkategorie sind Hyperschall-Gleitflugkörper (HGFK) und Hyperschall-Marschflugkörper (HMFK). HGFK werden mithilfe einer Trägerrakete in rund 100 Kilometer Höhe befördert. Nach dem Abstoßen der Trägerstufe gleitet der eigentliche Nutzlastträger im steilen Winkel wieder in die Atmosphäre ein und geht in relativ niedriger Höhe zu einem Hochgeschwindigkeitsgleitflug über. HMFK verbleiben hingegen während ihres gesamten Flugs innerhalb der Erdatmosphäre. Der durch einen Scramjet-Motor angetriebene Flugkörper weist – mit Ausnahme der Geschwindigkeit – weitgehend das gleiche Flugverhalten wie konventionelle Marschflugkörper auf. Beide Waffentypen können grundsätzlich konventionelle oder nukleare Sprengköpfe führen.

Der operative Vorteil dieser Waffenkategorie besteht vor allem darin, dass sie konventionellen Raketenabwehrsystemen ausweichen können oder aufgrund ihrer Geschwindigkeit und Manövrierfähigkeit bis zur Endflugphase der Erfassung durch gegnerische Sensoren entgehen können. Ihr Einsatz ist vor allem dann sinnvoll, wenn stark verteidigte oder mobile, operativ-hochwertige Ziele innerhalb kürzester Zeit zerstört werden sollen: Das können mobile Raketenwaffen oder Kriegsschiffe sein oder auch Flug- und Raketenabwehrzentralen, die den Einsatz konventioneller Flugzeuge und Raketenwaffen blockieren.

Russland

Russland soll bereits bis zu drei verschiedene Hyperschallwaffen in Dienst gestellt haben. Sämtliche russische Systeme können wahlweise mit atomaren Sprengköpfen versehen werden. Der Hyperschallgleitflugkörper Avangard startet auf einer Interkontinentalrakete und erhält hierdurch von russischem Boden aus eine globale Reichweite. Gemäß russischen Angaben erreicht Avangard eine Geschwindigkeit von bis zu Mach 20. Westliche Quellen bestätigen erfolgreiche Testflüge zwischen 2016 und 2018. Russland erklärte den HGFK Ende 2019 für einsatzbereit. Der schiffsgestützte Hyperschallmarschflugkörper wurde 2023 in Dienst gestellt. Der HMFK soll im Bereich Mach 6 bis 8 fliegen und hat eine Reichweite von etwa 1.000 Kilometern. Die einzige Hyperschallwaffe, die bislang im Gefecht eingesetzt wurde, ist das flugzeuggestützte ballistische Kinschal-System. Ein von einer MiG-31 abgefeuerter Flugkörper zerstörte am 18. März 2022 ein unterirdisches ukrainisches Munitionslager.

Russlands Hyperschallrakete „Kinschal“ unter dem Rumpf eines MIG-31K Kampfjets. Die wuchtige Waffe soll vier Tonnen wiegen. (Foto: Russisches Verteidigungsministerium)

China

Auch China verfolgt verschiedene technologische Ansätze und vermeldet beachtliche Fortschritte. Im August 2021 wurde eine Trägerrakete vom Typ Langer Marsch eingesetzt, um einen HGFK in eine niedrige Erdumlaufbahn zu befördern; dort unternahm der Flugkörper eine vollständige Erdumrundung ehe er zum Zielanflug überging. Zwar wurde das eigentliche Ziel um 40 Kilometer verfehlt, doch bewies China hierdurch die grundsätzliche Fähigkeit, die bisher aufgestellten US-amerikanischen Abfangsysteme dadurch zu umgehen, dass sie die interkontinentalen Angriffsrouten über den Südpol anstatt wie bisher über die Nordpolarroute führen. Weitere chinesische Entwicklungsprogramme wären eher darauf ausgerichtet, regionale Ziele einschließlich US-amerikanischer Flugzeugträgergruppen oder Stützpunkte auf Guam oder in Japan anzuvisieren. So bestätigte das Pentagon 2021, dass China im Vorjahr die zur Führung von Hyperschallgleitflugkörpern ausgerichtete mobile Mittelstreckenrakete Dongfeng 17 (geschätzte Reichweite 1.500 bis 2.500 Kilometer) in Dienst stellte. Die Rakete könnte mit dem HGFK DF-ZF (alternativ als Wu-14 bekannt) bestückt werden. Der Gleitflugkörper (geschätzte Reichweite 1.900 Kilometer) wurde nach chinesischen Angaben 2020 in Dienst gestellt.

Chinas „Dongfeng 17“ ist eine ballistische Rakete, die mit einem Gleitfluggefechtskopf zur Hyperschallwaffe modifiziert wird. (Foto: picture alliance / AP)

Vereinigte Staaten

Die Vereinigten Staaten betreiben seit rund zwei Jahrzehnten militärische Grundlagenforschung auf dem Hyperschallsektor. Allerdings behinderte das militärische Engagement im Irak und in Afghanistan lange Zeit die Bereitstellung von ausreichenden Mitteln für die Erforschung dieser Waffensysteme. Erst die sichtbaren Fortschritte von Russland und China im Hyperschallwaffenbereich gekoppelt mit der stetig aggressiver werdenden Haltung beider Staaten bewirkten 2020 in Washington eine verstärkte Ressourcenzuteilung für die einschlägige Forschung und Entwicklung. Der Forschungs-, Entwicklungs- und Beschaffungsetat für Hyperschallwaffen beträgt 2024 in den USA elf Milliarden Dollar gegenüber 4,7 Milliarden im Vorjahr.
Trotz der Verspätung bei diesen Waffen meldet das Pentagon inzwischen Fortschritte bei der Prototypenentwicklung vollständiger Waffensysteme sowie bei der Entwicklung wichtiger Technologien wie Antriebe, hitzebeständige Werkstoffe, widerstandsfähige Avionik. Das Pentagon verfolgt derzeit mehrere Hyperschallwaffenprogramme für Luftwaffe, Heer und Marine. Es werden sowohl Gleitflugkörper als auch Hyperschallmarschflugkörper angestrebt. Im Gegensatz zu den russischen und chinesischen Waffen sind die US-Entwürfe ausschließlich auf konventionelle Nutzlasten ausgerichtet. In der Folge die wichtigsten Hyperschallwaffen-Vorhaben der US-Streitkräfte:

LRHW

Die bodengestützte Hyperschallwaffe langer Reichweite der US- Army dürfte als erste US-Hyperschallwaffe in Dienst gestellt werden. Der als Long-Range Hypersonic Weapon (LRHW) bezeichnete fahrzeuggestützte HGFK ist zwölf Meter lang und besitzt eine Reichweite von 2.800 Kilometern. Jedes Trägerfahrzeug führt zwei Flugkörper; jede Batterie verfügt über vier Trägerfahrzeuge und ein Führungsfahrzeug. Die Verlegung der Batterie erfolgt per Großraumflugzeug. Die erste Einsatzbatterie wurde 2022 im US-Bundesstaat Washington aufgestellt und mit Trägerfahrzeugen und Führungssystemen ausgestattet, um den Umgang mit dem neuen Waffensystem einzuüben. Die Flugerprobung der Prototypen begann 2022.

Ursprünglich sollten die Prototypen aus der Vorserienproduktion Ende 2023 an diese Batterie ausgeliefert werden, um eine provisorische Einsatzbereitschaft herzustellen. Aus technischen Gründen scheiterten allerdings die erforderlichen Abschlusstests des Waffensystems. Am 28. Juni 2024 wurde in Kooperation mit der US-Navy ein erfolgreicher Start des gesamten Hyperschallwaffensystems durchgeführt. Weitere Tests sollen folgen. Falls diese erfolgreich verlaufen, könnte eine Indienststellung des Waffensystems im Frühjahr 2025 erfolgen. Insgesamt sollen fünf LRHW-Batterien aufgestellt und für den Einsatz in verschiedenen geografischen Regionen ausgerichtet werden. Sie werden in die Multi-Domain-Task Force (MDTF)-Verbänden integriert.

US-Soldaten der 1st Multi-Domain-Task Force bereiten den Testabschuss einer Long-Range Hypersonic Weapon (LRHW) vor. (Foto: Rayan DeBooy / U.S. Army)

CPS

Ein hyperschallschneller Seezielflugkörper soll ab Ende 2025 bei der US-Navy eingeführt werden. Die als Conventional Prompt Strike (CPS) bezeichnete Waffe beruht auf der gleichen Raketenkonfiguration wie LRHW und dürfte ähnliche Reichweiten aufweisen. Allerdings will die Navy ihre Hyperschallgleitflugkörper primär zur Bekämpfung hochwertiger gegnerischer Kriegsschiffe (Flugzeugträger sowie mit weitreichenden Raketen und Hyperschallwaffen ausgestattete Zerstörer) einsetzen. CPS soll auf den drei hochmodernen Zerstörern der Zumwalt-Klasse sowie ab 2029 auf Jagdunterseebooten der Virginia-Klasse geführt werden. Jedes Schiff wird bis zu zwölf CPS führen können.

HALO

Die Navy will ebenfalls einen flugzeuggestützten Hyperschallmarschflugkörper entwickeln. Designaufträge wurden im März 2023 an die Firmen Raytheon und Lockheed Martin vergeben. Die als Hypersonic Air-Launched Offensive (HALO) bezeichnete Waffe soll für die Bekämpfung von Seezielen eingesetzt werden. Geführt wird HALO vor allem durch flugzeugträgergestützte F/A-18-Jagdbomber. Die Einsatzbereitschaft wird für 2029 angestrebt.

HACM

Die US-Air Force strebt unter der Programmbezeichnung Hypersonic Attack Cruise Missile (HACM) einen eigenen HMFK an. Das 2022 begonnene Projekt beruht auf früheren, zwischenzeitlich eingestellten Entwicklungsprogrammen. Die Waffe soll sowohl durch Jagdbomber als auch durch Langstreckenbomber eingesetzt werden. Bis zu 20 HMFK sollen auf einer B-52 geführt werden. Zwischen Oktober 2024 und März 2027 sollen insgesamt 13 Flugtests durchgeführt werden, mit einer Produktionsentscheidung im Frühjahr 2027.

Ein US-Soldat testet das Modell einer Hyperschallwaffe in einem „Ludwieg-Rohr“ – einem Windkanal für Messungen in Hyperschallströmungen. (Foto: Joshua Armstrong / U.S. Air Force)

Mako

Die Firma Lockheed Martin stellte im April dieses Jahres den Entwurf eines neuen, für taktische Flugzeuge vorgesehenen Hyperschallwaffensystems mit der Bezeichnung Mako vor. Besonders wichtig: die vier Meter lange, 590 Kilo schwere Waffe kann intern durch Stealthjäger (F-22, F-35) geführt werden, wobei die Tarnkappeneigenschaften des Flugzeugs genutzt werden können. Obwohl noch keine Beschaffungsentscheidung vorliegt, erklärte der Hersteller Lockheed Martin das Waffensystem für produktions- und einsatzreif.

Strategisches Gleichgewicht

Hyperschallwaffen dürften – aufgrund ihrer Komplexität und der verbundenen Stückkosten – vorerst in vergleichsweise kleinen Tranchen hergestellt und disloziert werden. Sie dürften folglich auch – unabhängig vom einsetzenden Land – vor allem gegen hochwertige, zeitkritische und eventuell auch mobile Ziele verwendet werden. Die primäre Auswirkung auf das strategische Gleichgewicht beruht auf dem Vorteil, den ein Land dadurch gewinnt, dass es Überraschungsangriffe durchführen kann oder auch stark geschützte Ziele mit strategischem Wert zerstören kann. Momentan befindet sich Washington dabei gegenüber seinen beiden geostrategischen Konkurrenten im Nachteil. Die verschiedenen Entwicklungsprogramme des Pentagons versprechen aber einen Ausgleich im Verlauf der nächsten fünf Jahre.


Der Autor

Sidney E. Dean ist freier Journalist mit Sitz in Suffolk, Virginia.

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