DAS MA­GA­ZIN

Mo­nat­lich in­for­mie­ren wir un­se­re Mit­glie­der mit der loyal über si­cher­heits­po­li­ti­sche The­men. Ab so­fort kön­nen Mit­glie­der auch im Be­reich Ma­ga­zin die darin auf­ge­führ­ten Ar­ti­kel lesen!

Mehr dazu
DER VER­BAND

Der Ver­band der Re­ser­vis­ten der Deut­schen Bun­des­wehr (VdRBw) hat mehr als 115.000 Mit­glie­der. Wir ver­tre­ten die Re­ser­vis­ten in allen mi­li­tä­ri­schen An­ge­le­gen­hei­ten.

Mehr dazu
MIT­GLIED­SCHAFT

Wer­den Sie Teil einer star­ken Ge­mein­schaft

Mehr dazu

loyal

In­dus­trie im War­te­stand

Der Ukrai­ne­krieg und 100 Mil­li­ar­den Euro Son­der­ver­mö­gen – ei­gent­lich müss­ten sich deut­sche Rüs­tungs­un­ter­neh­men vor Auf­trä­gen der Bun­des­wehr nicht ret­ten kön­nen. Ei­gent­lich.

Leo­pard-2-Pan­zer in einer Fa­brik­hal­le der Firma KMW in Mün­chen.

Foto: H.R. Schulz/imago

in­dus­trieloyalrüs­tung

Wie aus­ge­stor­ben wir­ken die aus­ge­bomb­ten Stra­ßen­zü­ge. Auf einer san­di­gen Stra­ße zwi­schen den Häu­ser­rui­nen kommt ein Pick-Up-Truck an­ge­fah­ren. Auf Fin­ger­tipp la­sert der En­forcer das Ziel an, ein grü­nes Vier­eck er­scheint über dem Pick-up-Truck. Jetzt heißt es, mit der rech­ten Hand die Waffe zu ent­si­chern und den Abzug zu drü­cken. Eine Ra­ke­te rast auf das Fahr­zeug zu. Einen Au­gen­blick spä­ter ist vom Pick-up-Truck nur noch ein Feu­er­ball zu sehen. Diese Szene spielt sich nicht in einem Kriegs­ge­biet ab, son­dern in einem ver­dun­kel­ten Raum in der Un­ter­neh­mens­zen­tra­le der Rüs­tungs­fir­ma MBDA in Schro­ben­hau­sen in Ober­bay­ern. Die Au­to­rin die­ses Bei­trags hat dort so­eben den En­forcer ge­tes­tet, ein schul­ter­ge­stütz­tes Lenk­flug­kör­per­sys­tem. Per Si­mu­la­tor und Vir­tu­al-Rea­li­ty Bril­le.

Der En­forcer ist eines der neu­es­ten Pro­duk­te aus dem Hause MBDA. Sol­da­ten kön­nen mit der zwölf Kilo schwe­ren Waffe von der Schul­ter aus Lenk­flug­kör­per ver­schie­ßen. Das ist vor allem nütz­lich, wenn man einen feind­li­chen Scharf­schüt­zen tref­fen will, der sich hin­ter einer Mauer ver­steckt, oder um leicht ge­pan­zer­te Fahr­zeu­ge oder Hub­schrau­ber zu zer­stö­ren. Die Bun­des­wehr hat im Jahr 2019 be­reits ei­ni­ge hun­dert Stück des En­forcers für das Heer be­stellt. In Schro­ben­hau­sen, wo die Pro­duk­ti­ons­hal­len des Un­ter­neh­mens ver­steckt im Ha­ge­nau­er Wald lie­gen, hat MBDA extra für den En­forcer eine neue Fer­ti­gungs­li­nie auf­ge­baut. Noch in die­sem Jahr soll die Se­ri­en­pro­duk­ti­on star­ten. So viel ist klar. Vie­les an­de­re ist aber ganz und gar nicht klar.

Und das hat mit dem Ukrai­ne­krieg zu tun. Drei Tage nach dem rus­si­schen Über­fall auf die Ukrai­ne hielt Kanz­ler Olaf Scholz im Fe­bru­ar 2022 seine Rede von der Zei­ten­wen­de. Die Bun­des­wehr brau­che „neue, star­ke Fä­hig­kei­ten“, sagte er da zum Bei­spiel. Und auch, dass Deutsch­land deut­lich mehr in die Si­cher­heit des Lan­des in­ves­tie­ren müsse. Ei­ni­ge Tage spä­ter be­ka­men die deut­schen Rüs­tungs­un­ter­neh­men Post vom Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um. Darin wur­den sie auf­ge­for­dert, Waf­fen­sys­te­me zu nen­nen, die sie schnell an die Ukrai­ne und an die Bun­des­wehr lie­fern könn­ten. Wie in an­de­ren Rüs­tungs­un­ter­neh­men auch son­dier­te man bei MBDA in­ner­halb we­ni­ger Tage die Lage im ei­ge­nen Un­ter­neh­men: Was könne man wie schnell pro­du­zie­ren? Und was aus dem ei­ge­nen Port­fo­lio wäre über­haupt im Ukrai­ne­krieg oder für die Lan­des- und Bünd­nis­ver­tei­di­gung der Bun­des­wehr hilf­reich? Da­nach schick­te die Ge­schäfts­füh­rung die aus­ge­füll­te Liste zu­rück ans Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um. Auf der Liste stand auch der En­forcer, der für zu Fuß kämp­fen­de Sol­da­ten so­wohl im Häu­ser­kampf als auch im frei­en Ge­län­de sinn­voll ist.

Das Rüs­tungs­un­ter­neh­men MBDA pro­du­ziert die Luft-Luft-Ra­ke­te Me­te­or. Eu­ro­figh­ter­pi­lo­ten kön­nen damit an­de­re Flug­zeu­ge be­kämp­fen, noch bevor diese in Sicht­wei­te des Pi­lo­ten kom­men. (Foto: pic­tu­re al­li­an­ce/pho­to­thek)

Aktiv wurde zu die­ser Zeit auch Rhein­me­tall-Chef Armin Pap­per­ger. Er bot der Bun­des­re­gie­rung nur we­ni­ge Tage nach der Zei­ten­wen­de-Rede des Kanz­lers öf­fent­lich­keits­wirk­sam ein 42 Mil­li­ar­den Euro schwe­res Pro­dukt­pa­ket an. Darin unter an­de­rem: Pan­zer, Mu­ni­ti­on und Mi­li­tär­last­wa­gen. Zwar möch­te bei MBDA nie­mand sagen, was genau im ei­ge­nen An­ge­bot an die Bun­des­re­gie­rung stand und wie viel das Pro­dukt­pa­ket kos­ten würde, doch es ist davon aus­zu­ge­hen, dass es etwas klei­ner aus­fällt als das von Rhein­me­tall.

MBDA be­schäf­tigt in Deutsch­land rund 1.200 Mit­ar­bei­ter und stellt haupt­säch­lich Ra­ke­ten her, die von Kampf­jets, Schif­fen oder Luft­ab­wehr­sys­te­men ab­ge­schos­sen wer­den. Etwa die Me­te­or, mit der Kampf­jets wie der Eu­ro­figh­ter Luft­zie­le be­kämp­fen kön­nen. Oder den Tau­rus- Marsch­flug­kör­per, mit dem Flug­zeu­ge Ziele am Boden an­grei­fen kön­nen. MBDA ist auch an der Ent­wick­lung der Soft­ware für das mo­nu­men­ta­le Kampf­flug­zeug- Zu­kunfts­pro­jekt FCAS be­tei­ligt, und forscht an La­ser­waf­fen. Der Laser mit dem ein deut­sches Kriegs­schiff, die Fre­gat­te Sach­sen, im ver­gan­ge­nen Herbst zum ers­ten Mal in der Ge­schich­te der Bun­des­wehr eine Droh­ne ab­schoss, wurde von MBDA ent­wi­ckelt.

Doch was pas­sier­te nun, nach­dem MBDA die Liste mit den schnell lie­fer­ba­ren Pro­duk­ten ans Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um ge­schickt hatte? Nichts. Keine Ant­wort aus dem Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um. Ein Jahr da­nach war­tet die Ge­schäfts­füh­rung des Un­ter­neh­mens immer noch dar­auf, dass Be­stel­lun­gen ein­ge­hen. Und so wie MBDA geht es vie­len deut­schen Rüs­tungs­un­ter­neh­men.

Fir­men sind in Vor­leis­tung ge­gan­gen

„Nach der Zei­ten­wen­de-Rede des Kanz­lers haben die deut­schen Rüs­tungs­un­ter­neh­men schnell re­agiert und ge­mel­det, was sie lie­fern kön­nen. Viele Fir­men sind auch schon in Vor­leis­tung ge­gan­gen. Das heißt, sie haben Pro­duk­ti­ons­ka­pa­zi­tä­ten er­höht, Mit­ar­bei­ter ein­ge­stellt und Vor­pro­duk­te ein­ge­kauft“, sagt Dr. Hans Chris­toph Atz­po­di­en, Haupt­ge­schäfts­füh­rer des Bun­des­ver­bands der deut­schen Si­cher­heits- und Ver­tei­di­gungs­in­dus­trie (BDSV) im Ge­spräch mit loyal. Die Er­hö­hung der Ka­pa­zi­tä­ten, ohne zu wis­sen, was und wie­viel genau be­stellt werde, be­deu­te ein enor­mes un­ter­neh­me­ri­sches Ri­si­ko für die Un­ter­neh­men, so Atz­po­di­en. Doch wie MBDA war­ten die an­de­ren Rüs­tungs­un­ter­neh­men bis­her ver­geb­lich auf ver­bind­li­che Aus­sa­gen der Bun­des­re­gie­rung, was sie nun kau­fen möch­te. Die Grün­de für das Schne­cken­tem­po sind viel­fäl­tig: lang­wie­ri­ge Pro­zes­se in­ner­halb des Be­schaf­fungs­am­tes und bei der Haus­halts­ab­stim­mung. Dazu kam bis An­fang die­ses Jah­res eine Mi­nis­te­rin, der die Dring­lich­keit der Be­schaf­fungs­vor­ha­ben nicht be­wusst zu sein schien und die keine Füh­rung bei der Be­schleu­ni­gung von Pro­zes­sen über­neh­men woll­te.

Auch bei MBDA in Schro­ben­hau­sen ging man in Vor­leis­tung und mach­te sich be­reit dazu, mehr als die be­reits von der Bun­des­wehr be­stell­ten En­forcer zu pro­du­zie­ren. Zu­lie­fer­fir­men wur­den an­ge­ru­fen und aus­ge­lo­tet, ob diese ihre Pro­duk­te schnel­ler und in hö­he­rer Menge lie­fern könn­ten. Kom­po­nen­ten wur­den be­stellt, Mit­ar­bei­ter ein­ge­stellt. Doch lange Zeit ist wenig pas­siert. Erst seit Kur­zem dreht sich der Wind. Nach­fra­gen zu den Pro­duk­ten von MBDA haben zu­ge­nom­men, der Aus­tausch zwi­schen Un­ter­neh­men und Bun­des­wehr wurde in­ten­si­ver. Der Grund für den Wan­del: der neue Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pis­to­ri­us.

Dring­lich­keit er­kannt

Auch Hans Chris­toph Atz­po­di­en hat Hoff­nung, dass sich mit dem neuen Mi­nis­ter etwas än­dert. „Ich glau­be, Boris Pis­to­ri­us hat die Dring­lich­keit, mit der die Bun­des­wehr neue Waf­fen­sys­te­me braucht, er­kannt“, sagt er. Es scheint tat­säch­lich so. Im­mer­hin führ­te Pis­to­ri­us in den ver­gan­ge­nen Wo­chen be­reits Ge­sprä­che mit Ver­tre­tern von ein­zel­nen Rüs­tungs­fir­men. Auch kur­siert mitt­ler­wei­le eine Liste mit Gerät, das nach­be­stellt wer­den soll, im Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um: dar­auf 49 Ein­zel­po­si­tio­nen, dar­un­ter 14 neue Pan­zer­hau­bit­zen 2000 und 50 ge­pan­zer­te Fahr­zeu­ge vom Typ Dingo.

Neue Be­stel­lun­gen gibt es zwar noch nicht, aber im­mer­hin Ge­sprä­che. Der neue Ver­tei­di­gungs­mi­nis­ter Boris Pis­to­ri­us im Fe­bru­ar bei sei­nem Be­such bei Rhein­me­tall in Un­ter­lüß. (Foto: Filip Sin­ger/pic­tu­re al­li­an­ce/dpa)

Doch bis die Fi­nan­zie­rung steht und die Pro­duk­te be­stellt wer­den, ist es noch ein lan­ger Weg – zumal sich be­reits Krach in der Am­pel­ko­ali­ti­on über die Neu­an­schaf­fun­gen an­bahnt. Denn die Nach­be­schaf­fung könn­te sehr, sehr teuer wer­den. Al­lein der Er­satz der 18 an die Ukrai­ne ab­ge­ge­be­nen Leo­par­den könn­te laut Ver­tei­di­gungs­mi­nis­te­ri­um
einen drei­stel­li­gen Mil­lio­nen­be­trag kos­ten. Denn wäh­rend die Bun­des­re­gie­rung bei der Ab­ga­be der Ge­rä­te nur den Ab­schrei­bungs­wert an­gibt, der mit dem Alter der Ge­rä­te sinkt, muss sie bei der Neu­an­schaf­fung einen sehr viel hö­he­ren Preis an die In­dus­trie zah­len. Das 100-Mil­li­ar­den-Son­der­ver­mö­gen wird des­halb bei Wei­tem nicht rei­chen. Die Wehr­be­auf­trag­te des Bun­des­tags, Eva Högl, warf im März den Fi­nanz­be­darf von 300 Mil­li­ar­den Euro in den Raum, um die Bun­des­wehr aus­rei­chend aus­zu­stat­ten.

Was kei­ner be­strei­tet: Die Lü­cken in der Bun­des­wehr sind im letz­ten Jahr ge­wach­sen. Waren sie vor dem Ukrai­ne­krieg schon groß, so sind sie jetzt rie­sig. Al­lein 18 Leo­pard-2-Kampf­pan­zer wer­den an die Ukrai­ne ab­ge­ge­ben, 50 ge­pan­zer­te Dingo-Fahr­zeu­ge, 14 Pan­zer­hau­bit­zen 2000 und 20 Brü­cken­le­ge­pan­zer Biber. Dazu kom­men Un­men­gen an Mu­ni­ti­on für die ver­schie­de­nen Waf­fen­sys­te­me. Was an die Ukrai­ne geht, fehlt hier für die Aus­bil­dung der Sol­da­ten oder für die Bünd­nis­ver­pflich­tun­gen der NATO.

Zeit kos­tet Geld

Neues Gerät wird auch des­halb teuer wer­den, weil die Bun­des­re­gie­rung so viel Zeit ver­strei­chen lässt. Da ist die In­fla­ti­on, die im ver­gan­ge­nen Jahr mas­siv ge­stie­gen ist und auch mi­li­tä­ri­sche Güter mas­siv ver­teu­ert. Aber auch der Fakt, dass an­de­re Na­tio­nen – hier sind vor allem ost­eu­ro­päi­sche Staa­ten zu nen­nen – schnel­ler waren und mas­siv Gerät bei deut­schen Rüs­tungs­fir­men ein­kau­fen, macht die Pro­duk­te für die Bun­des­re­gie­rung teu­rer, wenn sie denn end­lich be­stellt. Denn die Deut­schen müs­sen sich dann hin­ten an­stel­len und zudem noch damit rech­nen, dass die Rüs­tungs­fir­men die Kos­ten für den Ka­pa­zi­täts­auf­bau im Un­ter­neh­men bei den Prei­sen drauf­schla­gen.

Das Flug­ab­wehr­ra­ke­ten­sys­tem Pa­tri­ot ist im Mo­ment ex­trem ge­fragt: Hier ein Pa­tri­ot-Start­ge­rät, mit dem die Bun­des­wehr in der Slo­wa­kei den NATO-Luft­raum schützt. (Foto: Do­mi­nik Fi­scher/Bun­des­wehr)

Doch eine schnel­le Lie­fe­rung von mi­li­tä­ri­schem Gerät wird nicht nur durch zähe Be­schaf­fungs­vor­gän­ge auf Sei­ten der Po­li­tik und im Be­schaf­fungs­amt ver­hin­dert. Auch bei der In­dus­trie liegt ei­ni­ges im Argen. Die Ka­pa­zi­tä­ten – Werk­hal­len, Pro­duk­ti­ons­li­ni­en, Ma­schi­nen zur Pro­duk­ti­on – sind bei den Un­ter­neh­men oft nicht mehr für die Mas­sen­pro­duk­ti­on von Gü­tern aus­ge­legt. Zu lange spar­ten die ver­schie­de­nen Bun­des­re­gie­run­gen nach Ende des Kal­ten Krie­ges an der Bun­des­wehr und damit auch an deren Aus­rüs­tung. Gerät wurde, wenn über­haupt, nur noch in klei­nen Men­gen be­stellt. Laut Spie­gel wird die Bun­des­wehr auch min­des­tens drei Jahre auf Er­satz für die 14 Pan­zer­hau­bit­zen 2000 war­ten müs­sen, die sie an die Ukrai­ne ab­ge­ge­ben hat. Schnel­ler be­kommt es der Her­stel­ler KMW nicht hin.

Made in USA

Wenn Län­der ein markt­ver­füg­ba­res Waf­fen­sys­tem schnell haben möch­ten, be­stel­len viele des­halb doch lie­ber in den USA. Deren Rüs­tungs­fir­men, die an­ders als deut­sche Fir­men Mas­sen­pro­duk­ti­on ge­wohnt sind, bau­ten in den ver­gan­ge­nen Jah­ren ihren Welt­markt­an­teil im Rüs­tungs­ex­port mas­siv aus. Laut den neu­es­ten SIPRI-Zah­len er­höh­ten die USA ihre welt­wei­ten Rüs­tungs­ex­por­te in den ver­gan­ge­nen Jah­ren um 14 Pro­zent. Die USA lie­fer­ten damit glo­bal ge­se­hen 40 Pro­zent aller Waf­fen. Auch die deut­sche Bun­des­re­gie­rung kauft wich­ti­ge Waf­fen­sys­te­me in den USA: Etwa den F-35-Kampf­jet von Lock­heed Mar­tin als Nach­fol­ger des Tor­na­do oder den schwe­ren Trans­port­hub­schrau­ber CH-47 Chi­nook von Boe­ing.

Der En­forcer in Ak­ti­on. Mit dem schul­ter­ge­stütz­ten Lenk­flug­kör­per­sys­tem kön­nen leicht ge­pan­zer­te Fahr­zeu­ge oder Hub­schrau­ber zer­stört wer­den. Die Bun­des­wehr hat für das Heer ei­ni­ge Hun­dert Stück bei MBDA be­stellt. (Foto: MBDA)

Be­zeich­nen­der­wei­se hat es die Firma MBDA auch einem US-Pro­dukt zu ver­dan­ken, dass es in Schro­ben­hau­sen in Sa­chen Ge­schäfts­ent­wick­lung berg­auf geht – trotz bis­her feh­len­der neuer Auf­trä­ge der Bun­des­wehr. Seit nun­mehr über 30 Jah­ren ko­ope­riert MBDA mit dem US-Rüs­tungs­rie­sen Ray­the­on. Die ge­mein­sa­men Firma COM­LOG war­tet und mo­der­ni­siert Ra­ke­ten für das Pa­tri­ot-Flug­ab­wehr­sys­tem. Jetzt ar­bei­tet das Un­ter­neh­men an einer neuen Pa­tri­ot-Pro­duk­ti­ons­li­nie in Schro­ben­hau­sen. Es wäre die ein­zi­ge au­ßer­halb der USA. Denn das Pa­tri­ot-Flug­ab­wehr­sys­tem ist im Mo­ment ge­fragt. Welt­weit nut­zen 18 Län­der, davon acht in Eu­ro­pa, die Ab­wehr­ra­ke­ten gegen feind­li­che Flug­zeu­ge, Ra­ke­ten oder Droh­nen. Deutsch­land be­sitzt zwölf Pa­tri­ot-Flug­ab­wehr­staf­feln, wovon eine an die Ukrai­ne geht. Die USA geben eben­falls eine von ihren 15 Stück an die Ukrai­ne. Mit der Pa­tri­ot kann die Ukrai­ne die Flä­che einer Klein­stadt vor Flug­zeu­gen, Marsch­flug­kör­pern und Ra­ke­ten kür­ze­rer Reich­wei­te schüt­zen.

In Schro­ben­hau­sen ist man des­halb guter Dinge – auch, weil sich ab­zeich­net, dass die Firma bei der War­tung und Pro­duk­ti­on der bri­ti­schen Pan­zer­ab­wehr­ra­ke­te Brimstone zu­künf­tig eine grö­ße­re Rolle spie­len wird. Dabei hat das Un­ter­neh­men in jüngs­ter Zeit durch­aus schwe­re Zei­ten er­lebt. Vor zwei Jah­ren kam das Aus für das Tak­ti­sche Luft­ver­tei­di­gungs­sys­tem TLVS, ein Rie­sen­pro­jekt, mit dem MBDA ge­mein­sam mit Lock­heed Mar­tin die deut­sche Luft­ver­tei­di­gung vor­an­brin­gen woll­te. Meh­re­re Jahre hat­ten die Un­ter­neh­men be­reits am TLVS ge­forscht, be­reits über 150 Mil­lio­nen Euro dafür aus­ge­ge­ben. Im Jahr 2020 be­schloss die Bun­des­re­gie­rung dann, das Pro­jekt nicht wei­ter­zu­ver­fol­gen und statt­des­sen auf mo­der­ni­sier­te Va­ri­an­ten des be­reits ge­nutz­ten US-ame­ri­ka­ni­schen Pa­tri­ot-Sys­tems zu set­zen. Das war ein Schlag für das Un­ter­neh­men, das rund 200 Mit­ar­bei­ter ver­ab­schie­de­te – ohne be­triebs­be­ding­te Kün­di­gun­gen son­dern in so­zi­al­ver­träg­li­chen Pro­gram­men und bei­der­sei­ti­gem Ein­ver­ständ­nis, wie man in Schro­ben­hau­sen be­tont. Jetzt wer­den diese Leute wie­der ge­braucht, ei­ni­ge wur­den be­reits wie­der zu­rück ins Un­ter­neh­men ge­holt.

Denn MBDA stellt wie an­de­re deut­sche Rüs­tungs­un­ter­neh­men mas­siv ein. Im Mo­ment sind auf der Home­page des Un­ter­neh­mens 91 freie Stel­len ge­lis­tet. An­ge­sichts von deutsch­land­weit 1.200 Mit­ar­bei­tern eine be­trächt­li­che Zahl. Doch be­kommt das Un­ter­neh­men ge­nü­gend Be­wer­bun­gen – Stich­wort Fach­kräf­te­man­gel? Gün­ter Abel, Pres­se­spre­cher bei MBDA, sagt: Ja. Zwar gebe es mas­si­ve Kon­kur­renz zwi­schen den Ar­beit­ge­bern hier in Ober­bay­ern, wo zwi­schen Mün­chen, Augs­burg und In­gol­stadt viele Au­to­mo­bil­fir­men und Rüs­tungs­be­trie­be ihren Sitz haben. Doch: „Wir be­zah­len gut, haben ein an­ge­neh­mes Be­triebs­kli­ma, at­trak­ti­ve Ho­me­of­fice-Re­ge­lun­gen – und, was für viele aus­schlag­ge­bend ist: Wir ar­bei­ten an Ro­cket Sci­ence, also an mo­derns­ten High­tech­pro­duk­ten“, sagt Gün­ter Abel.

Feh­len­de Plan­bar­keit

Tat­säch­lich seien es nicht der Fach­kräf­te­man­gel oder Pro­ble­me mit Lie­fer­ket­ten, die die Rüs­tungs­un­ter­neh­men im Mo­ment am meis­ten um­trei­ben, sagt auch Hans Chris­toph Atz­po­di­en, Haupt­ge­schäfts­füh­rer des BDSV: „Es ist die feh­len­de Plan­bar­keit.“ Auch bei MBDA könn­ten sie sich ei­ni­ges vor­stel­len: Einen Mis­si­le-Hub zum Bei­spiel, an dem ver­schie­de­ne von der NATO ein­ge­setz­te Ra­ke­ten ge­war­tet und mo­der­ni­siert wer­den. Nötig wäre das. Ex­per­ten schät­zen, dass Mu­ni­ti­on – wozu auch Ra­ke­ten zäh­len – im Wert von 40 Mil­li­ar­den Euro ge­braucht würde, um die Be­stän­de der Bun­des­wehr wie­der auf­zu­fül­len.

Die Not bei der Mu­ni­ti­on ist enorm. Doch im ak­tu­el­len Ver­tei­di­gungs­haus­halt für 2023 ist le­dig­lich Mu­ni­ti­on im Wert von 1,5 Mil­li­ar­den Euro vor­ge­se­hen – ein Trop­fen auf den hei­ßen Stein. So schnell wird es wohl mit einem Mis­si­le-Hub in Schro­ben­hau­sen nichts wer­den.

Ver­wand­te Ar­ti­kel
loyal

Von der Schlamm­zo­ne in den Sumpf

Seit Ja­nu­ar lebt Eu­ro­pa im Rhyth­mus der Exe­ku­tiver­las­se Do­nald Trumps. Alles geht nun sehr schnell. In Deutsch­land wurde dabei bis­lang...

07.04.2025 Von Jacob Ross
loyal

Im Reich des Nar­ziss­ten und des Ego­ma­nen

Für den Re­gens­bur­ger USA-Ex­per­ten Prof. Dr. Ste­phan Bier­ling ist die Ka­ta­stro­phe in den trans­at­lan­ti­schen Be­zie­hun­gen da. Er er­klärt, wie der...

02.04.2025 Von André Uzu­lis
loyal

Eu­ro­pa, Du bist dran!

Do­nald Trump hält in den ers­ten hun­dert Tagen sei­ner zwei­ten Amts­zeit die Welt in Atem. Seine Wut und sein Hass...

31.03.2025 Von André Uzu­lis