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„Die meisten Wasserkonflikte werden friedlich gelöst“




Das heiße trockene Sommerwetter im Jahr 2022 hat den Rheinpegel deutlich sinken lassen.

Foto: Adobe Stock

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Konflikte um Wasser gibt es nur in den Ländern des Südens? Und diese verlaufen immer gewaltsam? Weit gefehlt. Wasserexpertin Dr. Susanne Schmeier räumt mit vermeintlichen Wahrheiten über Wasserkonflikte auf und zeigt, dass uns das Thema schon sehr bald selbst betreffen könnte.

In den Medien heißt es oft: Konflikte um Wasser nehmen zu. Stimmt das?
Ja, es gibt einen Krisengürtel, der von den Sahel-Staaten in Afrika über den Nahen Osten bis nach Afghanistan reicht: Dort wird das Wasser infolge des Klimawandels noch knapper, als es bisher schon war, und das verstärkt die bereits bestehenden Spannungen noch zusätzlich. Wohlgemerkt: Die Konkurrenz um knappes Wasser ist eigentlich nie die alleinige Ursache eines Konflikts, sondern ein Konfliktverstärker. Die Konfliktursachen liegen meist ganz woanders, etwa in der Unterdrückung bestimmter Volksgruppen. Und: Die allermeisten Konflikte um Wasser werden von den Beteiligten gewaltfrei gelöst – das kommt bei uns nur anders an, weil die Medien naturgemäß nicht über friedliches Wassermanagement berichten, sondern über bewaffnete Konflikte.

Wie sieht es bei Konflikten zwischen Staaten aus? Etwa wenn es um grenzüberschreitende Flüsse geht oder um Staudammprojekte?
Wir haben auf der Welt mehr als 313 grenzüberschreitende Flüsse. Nur bei einer Handvoll gibt es im Moment Probleme. Interessant auch: Es gab in der modernen Geschichte noch nie einen Krieg zwischen zwei Staaten wegen Wasser. Was es immer wieder gibt, sind gegenseitige Schuldzuweisungen, Drohungen oder eine Verschlechterung der diplomatischen oder wirtschaftlichen Beziehungen. Aber am Ende haben sich Staaten eigentlich immer auf eine Lösung geeinigt, etwa wenn es um den Bau eines Staudamms ging.

Was ist mit den Spannungen zwischen Äthiopien und Ägypten? Äthiopien will mit einem riesigen Staudamm und Wasserkraftwerk seine Bevölkerung mit Elektrizität versorgen. Ägypten fürchtet daher um seine Wasserversorgung…
Auch da haben sich die Wogen inzwischen vorerst wieder entspannt. Der Staudamm steht ja mittlerweile. Weil die Regenzeiten in den vergangenen Jahren relativ gut waren, konnte Äthiopien während der Füllung des Stausees viel Wasser weiter nach Ägypten leiten, was den Konflikt deutlich entschärfte, auch wenn Ägypten offiziell bislang nicht von seiner Totalopposition gegen den Staudamm abrückt. Ein anderes Beispiel: der Xayaburi-Staudamm in Laos. Gegen seine Errichtung protestierte unter anderem Vietnam. Denn in Vietnam mündet der Mekong in einem riesigen Delta und das Land ist wirtschaftlich massiv von der Landwirtschaft und der Fischzucht dort abhängig.

Proteste wegen eines Staudamms: Im Januar 2012 protestierten thailändische Fischer gegen den von Laos geplanten Xayaburi-Staudamm am Mekong. Inzwischen steht der Staudamm, und die Wogen im Streit zwischen den Mekong-Anrainerstaaten haben sich geglättet. (Foto: picture alliance/dpa)

Was ist dann passiert?
In einer Art Mini-UN, also in einem speziellen Gremium, haben sich die Mekong-Anrainerstaaten zusammengesetzt und die Probleme erörtert. Jetzt sieht das neue Staudammprojekt Fischtreppen vor und Mechanismen, wie die wichtigen Sedimente weiterhin flussabwärts transportiert werden können. Vietnam ist erst einmal beschwichtigt. Generell gibt es meist politische Auseinandersetzungen am Anfang eines Staudammprojekts. Wenn der Staudamm erst einmal da ist, legen sich die Wogen oft wieder. Entweder, weil die befürchteten Konsequenzen doch nicht eintreten, weil man technische Anpassungen gemacht hat, oder weil die Anrainerstaaten sich an die neue Situation anpassen. Oft einigen sich die Länder auch in anderen Bereichen – etwa beim Handel oder, wie im Falle des Mekongs, bei Abholzungsrechten – und akzeptieren deshalb den Staudamm. Das bietet vor allem den politischen Eliten Vorteile, vernachlässigt aber oft die lokale Bevölkerung. Diese leidet dann oft an reduziertem Fischfang oder schlechteren landwirtschaftlichen Erträgen.

Apropos: Welche Rolle spielen technische Möglichkeiten? Das Staudammprojekt in Laos zeigt ja, dass Spannungen auch mit technischen Mitteln eingehegt werden können…
Technische Möglichkeiten spielen eine große Rolle, etwa beim Bau eines Staudamms. Es gibt viele Möglichkeiten, wie der Bau möglichst naturschonend und verträglich für die Anrainerstaaten gestaltet werden kann, wenngleich niemals alle negativen Umweltauswirkungen vermieden werden können. Auch bieten Staudämme Möglichkeiten der Wasserrückhaltung, etwa Stauseen. Das kann  für sehr trockene Gebiete interessant sein, in denen es zwar selten regnet, dann aber viel. Auch ein technisches Mittel bei Wassernot: Entsalzungsanlagen. Diese machen in Ballungszentren, die nah am Meer liegen, Sinn, etwa im Gazastreifen. Aber diese Anlagen verbrauchen sehr viel Energie und das abgeschiedene Salz hat auch Umweltfolgen, wenn es in großen Mengen zurückbleibt. Generell gibt es aber viele technische Möglichkeiten, wie Wasser klug aufbereitet oder gemanagt werden kann. Das Ganze hat aber einen Pferdefuß.

Welchen Pferdefuß?
Damit technische Möglichkeiten genutzt werden können, braucht es in einem Land – oder im Streit zwischen mehreren Ländern – eine gewisse Art von guter Regierungsführung, in Englisch „Good Governance“. Man braucht ja Behörden, die einen Damm oder einen Speichersee planen, sich um die Instandhaltung kümmern und das Wasser dann gerecht allen Bürgern zukommen lassen und nicht nur einer kleinen Elite. An dieser guten Regierungsführung hapert es aber in den Ländern des oben beschriebenen Krisenbogens, also in den Sahel-Staaten wie Mali, im Irak oder in Afghanistan.

Dr. Susanne Schmeier. (Foto: privat)

Welche Möglichkeiten sehen Sie dann etwa in Mali oder anderen Staaten des Sahels, die bestehenden Konflikte zwischen Viehhirten und Bauern zu entspannen?
In diesen Ländern war es immer schon sehr trocken, wenn sich auch die Trockenheit durch den Klimawandel noch verschärft hat. Deshalb gab es auch schon jahrhundertelang Zusammenkünfte von Viehhirten und Bauern, in denen man solche Streitigkeiten beigelegt hat. Aus verschiedenen Gründen funktionieren diese nicht mehr so gut wie früher: Spannungen zwischen den Volksgruppen nahmen aus verschiedenen Gründen zu, etwa durch die Instrumentalisierung durch islamistische Gruppierungen oder die grassierende Perspektivlosigkeit. Es gibt aber NGOs, die sich darum bemühen, diese althergebrachten Zusammenkünfte und Streitschlichtungsinstrumente wieder zu reaktivieren.

Welche Möglichkeiten außer den technischen gibt es noch, um Konflikte um Wasser zu entschärfen?
Es gibt auch wirtschaftliche Möglichkeiten. So können zum Beispiel Bauern, die aufgrund von Wasserknappheit weniger oder keinen Ertrag mehr einbringen, finanziell entschädigt werden. Oder man bietet ihnen andere Möglichkeiten an, ein gesichertes Einkommen zu verdienen. Aber auch da braucht es natürlich wieder staatliche Strukturen, damit das funktioniert.

Kommen wir nach Deutschland. Auch hier gibt es immer mehr Gerichtsverfahren um die Nutzung von Wasser…
Ja, das stimmt. In manchen Gegenden hat sich die Zahl der Gerichtsverfahren sogar verdoppelt. Dabei geht es meist darum, dass eine Gemeinde in Zeiten von besonderem Wassermangel die Nutzung von Wasser reglementiert und dann ein Unternehmen vor Gericht klagt, weil es nicht so viel Wasser entnehmen durfte, wie es wollte. Hintergrund dieser Verfahren ist, dass es kaum gesetzliche Regelungen gibt, wer im Fall von Wasserknappheit wie viel Wasser nutzen darf. Und es gibt auch kaum Priorisierung: Muss zuerst die Trinkwasserversorgung der Bevölkerung gesichert sein? Oder geht die wirtschaftliche Tätigkeit vor? Dafür gibt es in Deutschland noch kein Gesetz – in vielen anderen europäischen Ländern übrigens auch nicht.

Der Rhein im August 2022: Wegen der lang anhaltenden Hitze war die Schifffahrt eingeschränkt. (Foto: picture alliance/dpa)

Warum gibt es das noch nicht?
Weil Deutschland immer ein regenreiches Land war, in dem es immer genügend Wasser gab. Da haben sich diese Fragen schlichtweg nicht gestellt. Früher gab es zwar auch schon Streit und Gerichtsverfahren um Wasser, aber da ging es meist um Wasserverschmutzung. Also Unternehmen X hat Schadstoffe eingeleitet und Flüsse und Grundwasser verschmutzt. Dafür mussten sich die Unternehmen dann vor Gericht verantworten. Diese Verfahren gibt es zwar heute auch noch, aber nur noch in seltenen Fällen. Die Flüsse sind in den vergangenen Jahrzehnten viel sauberer geworden. Übrigens zeichnen sich in Europa auch zwischenstaatliche Konflikte um Wasser ab.

Wie das?
Ich lebe ja schon seit mehreren Jahren in den Niederlanden. Der Rhein ist für die Niederländer sehr wichtig, hier fließt der Fluss ja in die Nordsee. Der Pegel des Rheins muss relativ konstant bleiben, damit der Grundwasserpegel nicht beeinträchtigt wird und die Deiche stabil bleiben. In den Hitzesommern der vergangenen Jahre führte der Rhein aber sehr wenig Wasser und die Niederländer sorgten sich um die Stabilität der Deiche. Denn wenn diese durchlässig werden, droht das Land vom Meer überschwemmt zu werden.

Wo sehen Sie da den Konflikt?
Die Deutschen und die Franzosen, durch deren Länder der Rhein auch fließt, haben andere Prioritäten als die Niederländer: Hier stehen die Versorgung der Bevölkerung mit Wasser, die Schifffahrt und die Wirtschaft an hoher Stelle. Jetzt ist ein Konflikt vorprogrammiert: Sollen die Deutschen am Rhein weiter oben ihren Trinkwasserkonsum einstellen, damit die niederländischen Deiche halten? Dieser Konflikt wird sich verschärfen, denn es ist anzunehmen, dass es in den nächsten Jahren öfter zu Hitzesommern kommt.

Kann ich denn selber auch etwas dafür tun, dass Wasser eingespart wird und Konflikte um Wasser nicht entstehen? Weniger oft duschen?
Ja, man kann etwas tun, aber eher weniger bei der täglichen Wassernutzung im eigenen Haushalt. Da sind wir in Deutschland zum Beispiel mit den Wasserspartasten an Klospülungen schon relativ weit. Außerdem bringt es nur marginal etwas, etwa kürzer zu duschen. Womit wir wirklich einen Unterschied machen können, ist unser Konsumverhalten. Die Produktion einer Jeans zum Beispiel verschlingt Tausende Liter Wasser, auch ein Steak aus Argentinien ist hinsichtlich des Wasserverbrauchs sehr bedenklich. Indem wir weniger Fleisch essen und weniger Kleidung kaufen, können wir wirklich etwas zum schonenden Umgang mit Wasser weltweit beitragen.


Dr. Susanne Schmeier

ist assoziierte Professorin am Institute for Water Education in Delft. Ihr Forschungs- und Beratungsschwerpunkt sind Konflikte und Kooperationen im Zusammenhang mit Wasserressourcen. Vor ihrer Zeit in Delft leitete sie den Bereich „Grenzüberschreitendes Wasser“ bei der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ).

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