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Koalitionsvertrag: Was steckt drin für Bundeswehr und Reserve?

Was bedeutet der am Mittwoch vorgelegte Koalitionsvertrag von SPD, Grünen und FDP für die Sicherheits- und Verteidigungspolitik und für die Bundeswehr? Eine Analyse.

Vertreterinnen und Vertreter der Ampel-Parteien haben am Mittwoch den Koalitionsvertrag vorgestellt.

Foto: imago images/Emmanuele Contini

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Die die künftige Bundesregierung tragenden Parteien sprechen nicht mehr vom Zwei-Prozent-Ziel. Die Absicht, zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts für Verteidigung auszugeben, formulierten die NATO-Partner zu ihrem Gipfel in Prag bereits im Jahr 2002. Damals war in Deutschland ein SPD-Politiker Verteidigungsminister: Peter Struck. 2014 wurde dieses Ziel auf dem NATO-Gipfel in Wales bekräftigt. Russland hatte da gerade die ukrainische Krim annektiert. Für Deutschland war Außenminister Frank-Walter Steinmeier in Wales. Die Bundesrepublik hat dieses Ziel nie erreicht. Zuletzt wurden 2020 gut 1,56 Prozent erreicht. Im Koalitionsvertrag ist nun von drei Prozent die Rede – allerdings für Verteidigung, Auswärtiges und Entwicklungshilfe zusammen. Dass der Verteidigungsetat in dieser ressortübergreifenden Konzeption der Außen- und Sicherheitspolitik wächst, dürfte wenig wahrscheinlich sein. Die Zahl drei Prozent sieht auf den ersten Blick nach Übererfüllung des ursprünglichen Ziels aus, ist aber im Hinblick auf das Versprechen gegenüber der NATO tatsächlich Augenwischerei.

In der NATO sehen die Koalitionsparteien nach wie vor die „unverzichtbare Grundlage unserer Sicherheit“. Wenig überraschend auch die Feststellung, dass Deutschland als „verlässlicher Partner“  in Systemen kollektiver Sicherheit  mitwirken wolle. Der Forderung nach einer kritischen Überprüfung der Voraussetzungen für jeden Einsatz der Bundeswehr folgt eine weitere, die sich auf die Erarbeitung möglicher Exit-Strategien bezieht. Das ist neu und eine Lehre, die in der Tat aus den Auslandseinsätzen der vergangenen 30 Jahre zu folgern ist, denen es praktisch allen an einer Exit-Strategie gemangelt hat. Schwer genug, in einen Einsatz zu gehen – aber noch schwerer, wieder herauszukommen. Sollte die neue Bundesregierung diesen Ansatz beherzigen, wäre viel gewonnen.

Laufende Evaluierung von Einsätzen

Laufende Auslandseinsätze sollen ebenso regelmäßig evaluiert werden wie der Afghanistan Einsatz in einem parlamentarischen Untersuchungsausschuss aufgearbeitet. Eine klare Aufforderung zum „lessons learned“ ist hier in der Tat unabdingbar, um Fehler, wie sie in 20 Jahren in Afghanistan gemacht worden sind, in Zukunft nicht wieder zu begehen.

Zum Bekenntnis zur NATO gehört im Koalitionsvertrag auch die vor allem in der SPD umstrittene nukleare Teilhabe, solange Kernwaffen im Strategischen Konzept der NATO eine Rolle spielen. Hier bekennt sich der Vertrag klar zur Beschaffung eines Nachfolgesystems für das Kampfflugzeug Tornado gleich zu Beginn dieser Legislaturperiode. Ohne dieses Nachfolgesystem wäre die nukleare Teilhabe obsolet geworden. Dieses Waffensystem ist neben bewaffneten Drohnen das einzige, das als Rüstungsprojekt im Koalitionsvertrag genannt wird – was die Bedeutung der nuklearen Teilhabe auch für die künftige Bundesregierung unterstreicht.

Bewaffnete Drohnen

Bis zuletzt umstritten war in der SPD auch die Beschaffung von bewaffneten Drohnen zum Schutz der Bundeswehrsoldaten. Sie sollten bereits in der vergangenen Legislaturperiode gekauft werden, was die Sozialdemokraten aber verhinderten. Nun heißt es im Koalitionsvertrag: „Bewaffnete Drohnen können zum Schutz der Soldatinnen und Soldaten im Auslandseinsatz beitragen“. Dass der Vertrag extralegale Tötungen bei ihrem Einsatz ablehnt und sie nur unter verbindlichen und transparenten Auflagen eingesetzt werden dürfen, ist als politische Prosa ein Zugeständnis an die SPD-Linke. Denn das gilt ja schließlich für jede Waffe der Bundeswehr.

Die Bundeswehr insgesamt wollen die Koalitionäre „demografiefest“ machen, den Dienst attraktiver gestalten und den Übergang von Soldaten auf Zeit in die Wehrverwaltung erleichtern. Eine Zielzahl von Soldaten wird nicht genannt. Zuletzt waren 203.000 Soldaten bis zum Jahr 2027 angestrebt. Während der Koalitionsverhandlungen wurden diese Zahl aber in Frage gestellt. Wie sich der Personalkörper der Streitkräfte in den kommenden Jahren entwickeln wird, bleibt zunächst offen. Ungeklärt ist auch, wie das Ziel erreicht werden soll, die Bundeswehr effizienter zu machen und damit die Einsatzfähigkeit zu erhöhen.

Nur ein Satz zur Reserve

Zur Reserve gibt es in dem Papier nur einen dürftigen Satz: „Wir unterstützen eine starke Reserve.“ Das ist angesichts dessen, was Reservisten in den vergangenen Jahren geleistet haben – man denke nur an ihr Engagement unter widrigen Umständen in der immer noch nicht ausgestandenen Corona-Pandemie, aber auch beim Ahr-Hochwasser oder bei vielen Einsätzen, die es nicht in die Medien schaffen und effizient, aber ohne große Öffentlichkeit ablaufen – enttäuschend. Er wird auch der Rückbesinnung auf die Landes- und Bündnisverteidigung nicht gerecht, die ohne eine motivierte und gut ausgestattete Reserve nicht zu leisten sein wird. Reservisten werden die Belanglosigkeit des Bekenntnisses der Ampel zur Reserve als Schlag ins Gesicht empfinden.

Klingbeil? Högl? Schneider?

Wer künftiger Verteidigungsminister wird, dürfte wohl erst Anfang Dezember feststehen. Das Ressort steht nach den Koalitionsverhandlungen der SPD zu. Gerüchte, es könne an die FDP fallen, haben sich somit nicht bestätigt. Der neue sozialdemokratische Ressortchef wird eine Menge Probleme zu lösen haben: ein mutmaßlich schrumpfender Etat, ein ineffizientes Beschaffungswesen, rechtsradikale Vorfälle, veraltetes Material, eine wahnwitzige Bürokratie – um nur einige zu nennen. Während der Koalitionsverhandlungen war als möglicher SPD-Verteidigungsminister Lars Klingbeil genannt worden. Der 43-Jährige wird sich allerdings für das Amt des SPD-Co-Vorsitzenden bewerben. Somit wird die Truppe noch ein paar Tage auf die Nachricht warten müssen, wie der neue Inhaber der Befehls- und Kommandogewalt heißen wird. Als Namen werden im politischen Berlin die Wehrbeauftragte Eva Högl und der Erste Parlamentarische Geschäftsführer Carsten Schneider gehandelt.

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