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Kosovo: Ruhe nach und vor dem Sturm

Der Kosovo ist seit 2008 ein unabhängiger Staat. Serbien, zu dem das Land zuvor als zeitweise autonome Provinz gehörte, erkennt die Unabhängigkeit nicht an. Im vergangenen September gab es einen offensichtlich aus Serbien gesteuerten Umsturzversuch. Von Normalität ist die Region weit entfernt. Im Gegenteil: Neue Konflikte sind programmiert.

Der Kosovo ist in Serbien vielerorts präsent – so wie an dieser Brücke über eine Autobahn bei Belgrad. „Kosovo gehört Serbien“ ist darauf zu lesen.

Foto: Stephan Pramme

balkankosovoloyal

In einem Land gibt es normalerweise eine einheitliche Währung. Im Kosovo ist das nicht der Fall. Der Kosovo hatte nach seiner Unabhängigkeit von Serbien 2008 landesweit den Euro als offizielles Zahlungsmittel eingeführt. Doch in den serbisch dominierten Gemeinden im Norden des Kosovo wird weiterhin mit serbischem Dinar bezahlt. Die Regierung des Kosovo will das nun unterbinden und hat den Dinar verboten. Die Europäische Union äußerte Bedenken gegen die Maßnahme, und Serbien gießt wieder einmal Öl ins Feuer. Experten stellen sich die Frage: Könnte es über die Währungsfrage zu neuen Unruhen im Nord-Kosovo kommen? Es braucht nicht viel, um Konflikte eskalieren zu lassen; die Lunte im Kosovo ist kurz.

Es ist noch nicht lange her, da drangen am 24. September schwer bewaffnete serbische Kämpfer in das Dorf Banjska im Kosovo ein, das unweit der serbisch-kosovarischen Grenze liegt. Sie hatten ins orthodoxe Kloster der 350-Einwohner-Gemeinde Kriegswaffen gebracht, die, wie die kosovarische Regierung in einem Untersuchungsbericht feststellte, für einen Umsturz im Kosovo genutzt werden sollten. Als die kosovarische Polizei einschritt, kam es zu einem Schusswechsel. Dabei wurde ein kosovarischer Polizist getötet, ebenso drei serbische Kämpfer. Die anderen Angreifer konnten über die nahe Grenze nach Serbien entkommen, unter ihnen der Anführer der Gruppe, der Vizepräsident der Partei „Serbische Liste“, Milan Radoičić. Er wurde in Serbien verhaftet, ist aber längst wieder auf freiem Fuß, wie der kosovarische Verteidigungsminister Ejup Maqedonci loyal in einem Interview sagte.

Aktuell ist es im Norden Kosovos ruhig, allerdings könnte die Anordnung zur Abschaffung des Dinars in den serbischen Gemeinden im Norden des Kosovo mit nur wenigen Tagen Vorlaufzeit zu neuen Spannungen führen. Der serbische Präsident Aleksandar Vučić hat jedenfalls sofort reagiert und schürt Panik unter den Serben im Nord-Kosovo. Denn rund 32.000 von ihnen werden aus Serbien bezahlt: Lehrer, Ärzte und Krankenpfleger, hinzu kommen etwa 30.000 Rentner, die ebenfalls ihre Rente in Dinar bekommen. Ob und wie lange Geldautomaten in der Region noch Dinar ausgeben, ist unklar.

Die EU und auch Deutschland haben den Kosovo aufgefordert, die Übergangsfristen für die Währungsumstellung zu verlängern und besser zu kommunizieren. Anfangs wurden die kosovarischen Serben gar nicht auf Serbisch darüber informiert, dass fortan der Euro einziges Zahlungsmittel bei ihnen sein soll. Solche Aktionen des unversöhnlich auftretenden kosovarischen Ministerpräsidenten Albin Kurti stoßen bei seinen westlichen Partnern auf Unverständnis. Bundesverteidigungsminister Boris Pistorius, der vor wenigen Tagen den Kosovo, Serbien und Bosnien besuchte, sagte: „Deutschland hat nicht mit seinen Partnern und insgesamt fast 50.000 Soldaten hier für Frieden gesorgt, um dann zuzuschauen, wie sich das wieder ändert.“ Gemeint war damit Kurti, aber auch der serbische Präsident Aleksandar Vučić, mit dem Pistorius länger als geplant sprach und dem gegenüber er offenbar auch deutliche Worte fand.

Jederzeit können in der aufgeheizten Atmosphäre Konflikte zwischen dem Kosovo und Serbien eskalieren. Vučić arbeitet seit Jahren darauf hin, das geopolitische Umfeld so zu beeinflussen, dass eine Rückeroberung des Kosovos möglich erscheint. Seit 2014, als er Regierungschef wurde, hat Serbien 2,9 Milliarden Euro in die Modernisierung seiner Armee investiert – eine enorme Summe für ein Land mit kaum sieben Millionen Einwohnern. Die heimische Rüstungsindustrie war schon zu jugoslawischen Zeiten stark; neuerdings ist China als Waffenlieferant hinzugekommen, nachdem der traditionelle Verbündete Serbiens, Russland, aufgrund des Ukraine-Kriegs nichts mehr zu exportieren hat.

Der Kosovo seinerseits hat kürzlich von den USA die Zusage für die Lieferung von 246 hoch effizienten Javelin-Panzerabwehrraketen erhalten. Die wären in der Lage, einen Panzerangriff aus Serbien zu stoppen. Doch ob Vučić einen klassischen Waffengang mit Panzern und Infanterie gegen den Kosovo wagt, wird von Experten bezweifelt. Das Land würde sofort mit Sanktionen belegt und wäre isoliert, denn es ist mit Ausnahme von Bosnien von NATO-Staaten umgeben. Wahrscheinlicher sind Kommandoaktionen wie die vom 24. September: „Grüne Männchen“, also serbische Spezialkräfte, die nach dem Vorbild Russlands in der Ukraine im Nachbarland für Unruhe sorgen und den Kosovo destabilisieren. Ob dagegen die KFOR-Truppe etwas ausrichten könnte, ist fraglich. Die internationale Truppe ist seit 1999 Sicherheitsgarant für den Kosovo. Aktuell ist sie mit knapp 4.500 Soldaten aus 28 Nationen im Land, darunter auch 80 aus Deutschland. Beim Überfall auf Banjska am 24. September waren es aber allein kosovarische Polizisten, die dem serbischen Treiben ein Ende bereiteten.

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