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Die Modernisierung der russischen Streitkräfte lief auch mit deutscher Beteiligung.

Ein "Tigr"-Fahrzeug der russischen Interventionstruppen bei den Unruhen in Kasachstan Anfang des Jahres.

Foto: imago images/ITAR-TASS

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Für eine deutsch-russische Modernisierungspartnerschaft“ lautete der Titel einer Rede Frank-Walter Steinmeiers im Mai 2008 an der Universität Jekaterinburg. Der damalige Außenminister und heutige Bundespräsident umriss darin Deutschlands damalige Leitformel für den Umgang mit Russland: Wandel durch Handel. Trotz des vom Kreml provozierten Georgienkriegs wenige Monate später ließ sich die deutsche Politik nicht beirren: Parteiübergreifend plädierte man dafür, die wirtschaftlichen Verflechtungen stetig auszubauen, sei ein unschlagbares Konzept. Abhängigkeiten schaffen Verwundbarkeiten, die vor Eskalation zurückschrecken lassen, so die Überzeugung deutscherseits. Wandel durch Handel galt als Zauberformel, die langfristig jeden imperialen Phantomschmerz Russlands sedieren würde.

Für die deutsche Wirtschaft war das ein klares Signal, sich auch am Modernisierungsprogramm der russischen Streitkräfte von 2011 bis 2020 zu beteiligen. Dieses war vom damaligen Verteidigungsminister Anatoli Serdjukow dezidiert für westliche Beteiligung ausgelegt worden, um den Preis- und Innovationsdruck auf die eigene Wehrindustrie zu erhöhen.

Gefechtsübungszentrum für 120 Millionen

So schloss das Rüstungsunternehmen Rheinmetall 2011 einen Vertrag für den Bau eines hochmodernen Gefechtsübungszentrum über 120 Millionen Euro. Dieses soll die russischen Heeresbrigaden im Kampf der verbundenen Waffen schulen. Geschäftspartner war das staatlich geführte Sicherheitsunternehmen Oboronservis. Im Schiffbau setzte Moskau ebenfalls auf deutsche Technologie. Für die Korvetten der Gremjatschi-Klasse – seit 2020 im Dienst – waren Dieselmotoren von MTU vorgesehen. Auch dieselelektrischen Antriebe für neue U-Boote vom Typ „Lada“ sollten aus Deutschland bezogen werden.

Erst Russlands Krim-Annexion 2014 stoppte solche großen Rüstungsgeschäfte. Die verhängten EU-Sanktionen galten nicht für bereits geschlossene Verträge, doch nun waren Kriegsschiffe und Co. politisch nicht mehr haltbar. Für die Korvetten-Motoren fand Moskau Ersatz. Man kaufte Dieselmotoren aus China. Rüstungsexperten gehen davon aus, dass dies Imitate von MTU-Motoren sind, die im Vergleich zum Original weniger zuverlässig sind und mehr Diesel verbrauchten. Das „Lada“-Projekt musste aufgeschoben werden. Rheinmetalls Übungszentrum stellte eine Moskauer Firma fertig, so die Angabe Russlands. In der Anlage im Wolga-Gebiet sollen pro Jahr 30.000 Soldaten ausgebildet werden können. Nach 2014 verzeichneten die Rüstungsexportberichte der Bundesrepublik noch Genehmigungen aus Altverträgen bis 2018. Zwei Mehrzweckschiffe, Jagdwaffen, geschützte Geländewagen sowie Satellitentreibstoff. Die Luft- und Raumfahrt war bis zur Ukraine-Invasion ein enges Kooperationsfeld Deutschlands mit Russland.

Zahllose Aufweichungen bei Dual-Use-Gütern

Ein zentrales Problem sind so genannte Dual-Use-Güter, die sowohl zivil als auch militärisch verwendet werden können. Doch entsprechende Stoffe, Teile etc. müssen erst auf der Dual-Use-Liste der EU erfasst sein, um für den Export genehmigungspflichtig zu werden. Dann gilt es, eine zivile Nutzung nachzuweisen. Allerdings gibt es zahllose Aufweichungen. Beispielsweise entfällt bei Warenwerten unter 10.000 Euro für Exporte außerhalb der Union die Pflicht, die erforderliche Endverbleiberklärung vorzulegen. Für diverse EU-Partnerländer gilt eine weit gefasste allgemeine Genehmigung. Die Verbringung in der EU ist grundsätzlich frei.

Im November 2021 veröffentlichte die Recherche-Organisation Conflict Armament Research (CAR) eine Analyse zu in der Ukraine sichergestellten russischen Militärdrohnen. Eine wurde von einem Motor für Modellflugzeuge angetrieben, die die Firma 3W mit Sitz im hessischen Hanau produziert. Das Unternehmen erklärte, die Motoren an eine Firma in Tschechien geliefert zu haben. Laut CAR war dies eine Unternehmung dreier Russen, die 2018 liquidiert wurde. In einer leichten Hauptaufklärungsdrohne der russischen Armee – der „Orlan-10“ – fanden sich in der Schweiz hergestellte GPS-Module. Nach Russland exportierte sie das deutsche Unternehmen Microdis – laut eigenen Angaben Spezialist für den osteuropäischen Markt. Der Empfänger in Russland, MicroEM, erklärte, dass der Endkunde Scout heiße, ein Produzent ziviler GPS-Tracker in Russland. Doch diese Firma löschte den Lieferauftrag. Die elektronischen Module gingen an andere Unternehmen und von dort offensichtlich in eine militärische Endnutzung. Dass Endverbleiberklärungen russischerseits nichts wert sind, zeigte 2017 eindrucksvoll der Fall Siemens. Der Konzern lieferte Gasturbinen für ein Kraftwerk. Laut Vertrag waren sie explizit für ein Kraftwerksprojekt im südrussischen Taman vorgesehen. Russland installierte sie kaltschnäuzig auf der Krim und verstieß damit gegen EU-Sanktionen. Erst vor kurzem zeigte sich, dass vom Bosch-Konzern nach Russland gelieferte Antriebstechnik im russischen Infanteriekampffahrzeug „Tigr“ verbaut wurde. Das machte die Ukraine nach der Sichtung von bei Kämpfen zerstörten Exemplaren publik.

Autarkie – und zwar schnell

Gerade der „Tigr“-Fall macht deutlich, dass die Nutzung westlicher Technik ein latenter Schwachpunkt russischer Rüstung ist. Als der jetzige Verteidigungsminister Sergei Schoigu 2012 ins Amt kam, lautete der neue wehrwirtschaftliche Kurs: möglichst autark werden, und zwar schnell. Eine der ersten Maßnahmen: Die Beschaffung des italienischen Infanteriekampffahrzeugs Iveco LMV-M65 samt Lizenzproduktion wurde 2013 abrupt beendet – zu Gunsten des „Tigr“ aus heimischer Herstellung. Eine Rolle rückwärts. Einst kam der Iveco-Deal zustande, weil das russische Militär von den ersten „Tigr“-Modellen nicht überzeugt war. Nun zeigt die Causa Bosch, dass im „Tigr“ selbst grundlegende Technik nicht Made in Russia ist. Dabei legte Russland mit der Krim-Annexion gleich zwei ambitionierte Substituierungsprogramme auf. Doch das Ziel, 90 Prozent westlicher Komponenten bis 2018 ersetzt zu haben, musste bereits im Jahr darauf auf 2025 verschoben werden. Die entsprechende Kraftanstrengung wird der russischen Industrie mit den umfassenden Sanktionen seit der Krim-Invasion noch schwerer fallen.

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