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Kommando Skandalkräfte

Schweinskopfparty, Hitlergrüße, Munitionsdiebstahl – das Kommando Spezialkräfte machte in den vergangenen Jahren immer wieder negative Schlagzeilen. Wie sieht es heute bei der legendären Einheit aus? Ein Besuch im neuen Besucherzentrum in Calw.

Im neuen Besucherzentrum präsentiert das Kommando unter der Führung von Ansgar Meyer seine Aktivitäten, sein Equipment und seine Geschichte.

Foto: Bernd Weißbrod/picture alliance/dpa

kommando spezialkräfteksk

Beim Kommando Spezialkräfte geht es an diesem Januarnachmittag herzlich zu. Zumindest im Besucherzentrum. „Herzlich willkommen im Besucherzentrum. Schön, dass Sie da sind“, mit diesen warmen Worten begrüßt Oberstleutnant Kieron Kleinert jeden Neuankömmling. Er deutet auf die Garderobe, zeigt den Besuchern, wo sie ihre Jacke aufhängen können, und weist darauf hin, wo sich die Toiletten befinden. „Wenn Sie Fragen haben, melden Sie sich gerne wieder bei mir“, sagt er und zeigt dem Besucher den Weg zum ersten Exponat.

Das Besucherzentrum ist noch ganz neu. Erst im September vergangenen Jahres wurde es im Beisein der Wehrbeauftragten und des Generalinspekteurs eingeweiht. Davor war es in einem für Bundeswehrverhältnisse atemberaubend schnellen Tempo gebaut worden. In nur einem Jahr zog die Bundeswehr auf einer Wiese neben den Toren der Graf-Zeppelin-Kaserne, der Heimat des KSK im beschaulichen Calw, ein Holzgebäude mit Dutzenden Schautafeln und Videoinstallationen hoch. Es musste schnell gehen, denn das Besucherzentrum ist nicht nur ein Ort, an dem sich Besucher über das Kommando Spezialkräfte informieren können, es ist auch ein Politikum.

Rückblick: Vor drei Jahren grub die Polizei den Garten des KSK-Soldaten Philipp S. um. Dort stieß sie auf zahlreiche Munitionsdepots. Der Oberstabsfeldwebel hatte mehrere illegal erworbene Waffen, darunter eine Kalaschnikow, Tausende Schuss Munition und Plastiksprengstoff gehortet. Dazu fanden die Ermittler rechtextreme Propagandaschriften, zum Beispiel ein SS-Liederbuch. Der Kommandosoldat Philipp S. wurde festgenommen und im März 2021 wegen Verstoßes gegen das Waffen-, Sprengstoff- und Kriegswaffenkontrollgesetz zu zwei Jahren auf Bewährung verurteilt. Die Bundeswehr entließ ihn daraufhin.

Philipp S. ist auch bei einem weiteren, aufsehenerregenden Ereignis dabei gewesen: bei der berüchtigten Schweinskopfparty. Mit einer bizarren Mottoparty hatten die Mitglieder der 2. Kompanie im Jahr 2017 die Verabschiedung ihres Kompaniechefs gefeiert. Es wurden zum Beispiel Schweinsköpfe geworfen – aber nicht nur. Eine Zeugin berichtete später, einige KSK-Soldaten hätten am Lagerfeuer den Hitlergruß gezeigt und verbotene Rechtsrock-Lieder gehört.

Schatten der Vergangenheit: Mit einer Collage aus Negativschlagzeilen setzt sich das KSK im Besucherzentrum mit den eigenen Skandalen auseinander. (Foto: Julia Egleder)

Die Schweinskopfparty und Philipp S. waren aber nur die Spitze eines Eisbergs. Dreißig Extremismus-Verdachtsfälle im KSK meldete Christof Gramm, der damalige Präsident des MAD, im Sommer 2020 dem Parlamentarischen Kontrollgremium. Unter diesen Verdachtsfällen befand sich auch André S.. Unter dem Benutzernamen „Hannibal“ hatte der KSK-Soldat mehrere Chatgruppen gegründet, in denen sich Nutzer – darunter viele Polizisten und Soldaten – auf einen sogenannten „Tag X“ vorbereiteten, an dem sie die Regierung übernehmen wollten. Sie diskutierten über potenzielle Waffendepots und organisierten Schießübungen. Und als ob das nicht schon genug Negativschlagzeilen wären, kam im Jahr 2019 heraus, dass im KSK große Mengen an Munition „abhandengekommen“ waren.

Das Reformprogramm

So konnte es nicht weitergehen. Die damalige Verteidigungsministerin Annegret Kramp-Karrenbauer musste handeln. Die Auflösung des gesamten KSK stand zur Debatte. Dabei war die Einheit erst im Jahr 1996 für besonders anspruchsvolle Operationen wie Geiselbefreiungen im Ausland gegründet worden. Doch die Verteidigungsministerin entschied sich gegen die Auflösung des gesamten Kommandos. Sie setzte stattdessen eine Arbeitsgruppe ein, unter anderem bestehend aus dem Generalinspekteur, dem Inspekteur des Heeres und dem Kommandeur des KSK. Diese sollten die Vorfälle aufarbeiten und Vorschläge für die Reform des KSK erarbeiten. Teile des KSK, bilanzierte die Arbeitsgruppe im Oktober 2020, hätten sich über die Jahre hinweg verselbstständigt, außerdem existiere in der Einheit ein „ungesundes Eliteverständnis einzelner Führungskräfte“ und ein „interner Personenkult gegenüber Einzelnen“. Die Arbeitsgruppe schlug 60 Reformpunkte vor, wie die Einheit wieder fest auf den Boden des Grundgesetzes gebracht werden sollte. Ein Punkt aus dem Reformprogramm: Offiziere und Feldwebel des KSK müssen jetzt Verwendungen an anderen Standorten durchlaufen, um zu verhindern, dass sie zu sehr im eigenen Saft schmoren. Ein weiterer Punkt: Bei der Bewerberauswahl soll noch mehr als bisher auf die charakterliche Eignung und den moralischen Kompass der Bewerber geachtet werden.

Ein weiterer Punkt im Reformprogramm war die Errichtung eines Besucherzentrums. Damit soll die Öffentlichkeit die Möglichkeit bekommen, sich transparent über die Aktivitäten des KSK zu informieren. Auf der anderen Seite soll das KSK sich dort mit seinen Aufgaben präsentieren können – Stichwort: raus aus der Bunkermentalität. Doch wie kann Transparenz und Offenheit bei einem Kommando gelingen, dessen Operationen geheim bleiben müssen? Und das die Identität seiner Mitglieder geheim hält?

Transparenzoffensive in Calw: In nur einem Jahr zog die Bundeswehr das neue Besucherzentrum hoch. (Foto: Bundeswehr)

Im Besucherzentrum riecht es nach frisch geschlagenem Holz. Oberstleutnant Kieron Kleinert erklärt stolz, dass das Gebäude aus umweltfreundlichen, regionalen Materialien gebaut wurde und sein Strombedarf zu 60 Prozent von regenerativen Energien gedeckt wird. Alle paar Minuten öffnet sich die Eingangstür, neue Besucher kommen herein. Oft sind es Väter mit ihren Söhnen. „Seit September haben wir schon über 4.000 Besucher hier empfangen“, sagt Kieron Kleinert. „Das Interesse ist groß.“ Die Besucher kämen aus ganz Deutschland. Die meisten interessieren sich dafür, was die KSK-Soldaten genau machen, wie man KSK-Soldat wird und mit welcher Ausrüstung die Soldaten kämpfen.

Aber, so Kleinert, es gebe auch Besuchergruppen – meistens bestehend aus Senioren – die sehr gut über die Medienberichterstattung über das KSK informiert seien und kritische Fragen stellten. Etwa, was das KSK tue, um gegen Rechtsextremisten in den eigenen Reihen vorzugehen. Doch diese Fragen bringen Kleinert nicht aus der Fassung. Meist führt er die Besucher dann zu einer Wand neben dem Eingang zum Besucherzentrum. Dort sind in einer Art Collage die Schlagzeilen abgedruckt, mit denen das KSK in den vergangenen Jahren in den Zeitungen stand: „Bundeswehrsoldat hortet Waffen und Sprengstoff“, ist da zum Beispiel zu lesen. Oder: „Wie rechts tickt das Kommando Spezialkräfte?“

Auch auf den Infotafeln neben der Collage zeigt sich das KSK schonungslos offen. Zu den Vorkommnissen in der 2. Kompanie heißt es: „Im Zeitraum zwischen der Abschiedsfeier 2017 (der sogenannten „Schweinskopfparty“, Anm. d. Red.) und der Auflösung der Kompanie im Jahr 2020 wurden bereits 26 Angehörige der 2. Kompanie, die an der Abschiedsfeier teilnahmen, versetzt oder im Zuge disziplinarer oder strafrechtlicher Ermittlungen aus dem KSK bzw. den Streitkräften entfernt.“ Und: „Insgesamt wurden die verkrusteten Strukturen innerhalb der Kompanie als nicht mehr reformierbar bewertet. Es blieb daher nur der Weg, diese in Gänze aufzubrechen.“ Die skandalträchtige Kompanie wurde im Sommer 2020 aufgelöst.

Neue Vorbilder

Die KSK-Soldaten bräuchten gar keine Idole aus der Nazizeit, es gebe längst Vorbilder in den eigenen Reihen, so Kleinert. Er zeigt dabei auf eine Wand, auf der unter der Überschrift „Auszeichnung von KSK-Soldaten“ Porträts von sechs Soldaten abgebildet sind: Ihre Gesichter sind durch Bart und Sonnenbrillen nicht zu erkennen. Neben einem Porträtfoto steht: „Alex N., OTL, Ehrenkreuz der Bundeswehr in Gold“. Alex N. wurde mit dem Ehrenkreuz ausgezeichnet, weil er sich bei der Sicherung des deutschen Konsulats im afghanischen Masar-e Scharif  im Jahr 2016 „mit hervorragenden Leistungen“ hervorgetan habe, so steht es auf der Infotafel. Damals waren Aufständische in das deutsche Konsulat eingedrungen. Alex N. und seine Soldaten kämpften sich den Weg frei und befreiten alle im Konsulat eingeschlossenen Mitarbeiter.

Sie gelten als die härteste Truppe der Bundeswehr – die Soldaten des KSK. (Foto: Bundeswehr)

Erstaunlich ist die Nennung einzelner Soldaten mit ihren Leistungen. Genauso erstaunlich ist, dass das KSK im Besucherzentrum einzelne Operationen beschreibt und die beteiligten KSK-Soldaten in Videos zu Wort kommen lässt. Zum Beispiel bei der Operation „Mah Taabi“ im Jahr 2012. Die KSK-Soldaten hatten den Auftrag, zwei Talibanführer, die für mehrere Anschläge verantwortlich gemacht wurden, festzunehmen. Das gelang den KSK-Soldaten auch, aber erst nach einem stundenlangen Feuerkampf, bei dem der Führer einer afghanischen Polizeieinheit getötet wurde. „Wir sind in ein Wespennest reingeflogen“, berichtet ein KSK-Soldat in einem Video über die Operation, das Gesicht von einer Sturmhaube bedeckt.

Auf Charmeoffensive

„Das Besucherzentrum wird auch von den KSK-Soldaten des Standorts gut angenommen“, erzählt Kleinert. Viele kämen am Wochenende und brächten ihre Familien mit. Sich hier mit ihrer Arbeit präsentieren zu dürfen, täte vielen gut. Nicht nur das Besucherzentrum fänden die Soldaten super, generell stünden die allermeisten KSK-Soldaten fest hinter dem Reformprozess, so Kleinert. Das steht auch auf einer der Infotafeln: „Mit Verständnis, Entschlossenheit, Professionalität und Disziplin ging die überwiegende Mehrheit der Angehörigen des KSK den Reformprozess an.“ Ob wirklich alle es toll finden, wenn sie neben den vielen Auslandseinsätzen nun auch zur Ausbildung oder für weitere Verwendungen an andere Standorte müssen und somit nicht zu Hause bei der Familie sein können, darf bezweifelt werden. Laut Reformprogramm soll die Ausbildung nämlich nun nicht mehr in Calw, sondern an der Infanterieschule des Heeres in Hammelburg stattfinden. Auch leidet das KSK jetzt schon unter Personalmangel, denn die strengen Zugangsvoraussetzungen sind nur für sehr wenige Männer zu schaffen (noch keine Frau hat den Eignungstest bestanden). Und die schon jetzt bestehende Personalknappheit wird sicherlich nicht kleiner werden, wenn nun bei der Einstellung auf noch mehr Kriterien – Wertekompass, Charakter – geachtet werden muss.

Im Besucherzentrum ausgestellte Fahrzeuge des KSK. (Foto: Julia Egleder)

Die meisten Besucher hier im Besucherzentrum interessieren sich aber weniger für den Reformprozess, als für die ganz handfesten Dinge, die mit dem KSK verbunden sind. Zwei etwa achtjährige Jungs, die mit ihrem Vater gekommen sind, stehen lange vor dem neuen Gewehr, dem G95K, das neben einem Nachtsichtgerät an einer Wand hängt. Ihr Vater erklärt: „Das neue Gewehr des KSK wiegt nur vier Kilo.“ Beim Verlassen des Besucherzentrums nehmen sich die Jungen noch mehrere ausliegende Poster mit der Aufschrift „Der Wille zählt“, das Motto des KSK, mit. Kieron Kleinert fragt: „Braucht ihr ein Gummiband zum Zusammenrollen?“, die Jungs nicken. Der Besuch im KSK-Besucherzentrum zeigt: Das KSK ist definitiv auf Charmeoffensive, und die gelingt ihm recht gut.

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